Der weitere Prozess der Digitalisierung werde durch den Chipmangel kaum berührt, sind sich alle Diskussionsteilnehmer einig. Die Frage sei, wie man einem zukünftigen Mangel begegne – am besten, indem die eigenen Kompetenzen gestärkt werden.
„Bis sich auf der einen Seite die Nachfrage normalisiert und auf der anderen Seite die Lieferketten sich auf den generell höheren Bedarf einstellen, wird es noch weit bis ins nächste Jahr hinein dauern“, vermutet Christin Eisenschmid, Geschäftsführerin von Intel Deutschland. Für den Ausbau der Halbleiter-Fertigung sollte deshalb ein günstiges Umfeld geschaffen werden, das es den Chipherstellern ermögliche, mit einer Fertigung in Europa wettbewerbsfähig zu sein. Derzeit könne in Asien um 40 Prozent billiger als in Europa produziert werden.
"Ich vertraue auf die Funktionsfähigkeit des Marktes", meint Andreas Pinkwart (FDP), Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie von Nordrhein-Westfalen. Die gestiegene Nachfrage werde zu einer entsprechenden Erhöhung des Angebotes führen. Überdies müsse man den Fördertopf IPCEI II rasch umsetzen sowie neue Förderstrukturen in Europa etablieren.
"Die weltweite Chipknappheit wirkt sich zunächst negativ auf die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aus", ist sich Jan Büchel, Wirtschaftswissenschaftler am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, sicher. Diese Knappheit ziehe aber entsprechende Investitionen nach sich, die langfristig die Halbleiterfertigung auch günstiger machen könne. Der aktuelle Chipmangel sei tatsächlich nur ein temporäres Problem, meint auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig. Denn die Produzenten selbst hätten ein hohes Interesse daran, die Nachfrage bestmöglich zu befriedigen. Seine Aufgabe als Wirtschaftsminister sei deshalb, im "Silicon Saxony", Europas größten Chip-Produktionsstandort, "für optimale Innovations- und Investitionsbedingungen zu sorgen".
Wolfgang Weber, Vorsitzender im ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, plädiert dafür, die "globalen Wertschöpfungsnetzwerke zu erhalten" und sich in Europa auf die Stärken in der Leistungselektronik und Sensorik zu konzentrieren. "Dann wird es Europa eher gelingen, den Bedarf an Halbleitern aus eigener und globaler Produktion zu decken."
Prof. Dr. Thomas Mikolajick, Inhaber der Professur für Nanoelektronik am Institut für Halbleiter- und Mikrosystemtechnik der TU Dresden, sieht die Problematik ebenfalls gelassen: „In Summe wird der Markt aber auch hier wieder seinen Job machen, und bei allem was ich gerade sehe, gehe ich davon aus, dass wir in ca. 2-3 Jahren auch wieder eine Phase der signifikanten Überproduktion erleben werden. In einigen Bereichen vermutlich sogar früher.“
Der aktuelle Chipmangel wird wohl für länger als ein Jahr etliche Projekte behindern oder verzögern, prognostiziert Matthias Künsken, Geschäftsführer der Kieler SELOCA GmbH, einem Dienstleister im Bereich der Wiederaufbereitung elektronischer Endgeräte. Künsken moniert in Sachen Digitalisierung in Deutschland eher „eine weitgehend konzeptionslose Politik“.