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Positiver Nachfrageschock bringt Halbleiterindustrie in Bewegung

Warum Investitionen für künftige Versorgungssicherheit sorgen können

Jan Büchel, Economist IW Köln, Kompetenzfeld Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb Quelle: IW Köln Jan Büchel Economist IW Köln 07.06.2021
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Uwe Rempe
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"Die weltweite Chipknappheit wirkt sich zunächst negativ auf die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aus", sagt Jan Büchel, Wirtschaftswissenschaftler am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Allerdings ziehe diese Knappheit entsprechende Investitionen nach sich, die langfristig die Halbleiterfertigung auch günstiger machen könne.







Inwieweit kann der aktuelle Chipmangel generell die Qualität und das Tempo der Digitalisierung beeinträchtigen?
Die weltweite Chipknappheit wirkt sich zunächst negativ auf die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aus. Grund ist, dass Halbleiter als kritische Vorprodukte im Bereich der Mikroelektronik gelten. Eine derzeitig eingeschränkte Verfügbarkeit hat besonders einschneidende Auswirkungen auf Lieferketten, in deren Produktion Chips verbaut werden. Ein Beispiel ist die zeitweise stillstehende Produktion in der Automobilindustrie. Wenn Abnehmer diese Produkte einsetzen, um im eigenen Unternehmen die Digitalisierung voranzutreiben, kann eine zeitweise Chipknappheit die Erfolge dieser Bemühung verlangsamen. Allerdings wird die derzeitige Knappheit entsprechende Investitionen beispielsweise in erhöhte Produktionskapazitäten nach sich ziehen. Langfristig entsteht demnach ein positiver Effekt auf die Digitalisierung, wenn mehr Chips zu günstigeren Preisen vorhanden sind.

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Viele Produzenten weltweit kündigen gerade kräftige Investitionen in die Produktionskapazitäten an. Reicht das aus, um den Mangel zu beseitigen?
Einer der Gründe, der die Chipknappheit ausgelöst hat, ist ein positiver Nachfrageschock. Da Produktionskapazitäten zumindest kurzfristig fix sind, ist ein Ausbau der Produktionskapazitäten auf mittlere bis lange Frist gesehen die richtige Antwort. Jedoch sind Prognosen zur Entwicklung der Nachfrage in der Zukunft schwierig, insbesondere bei hohen Investitionen in Produktionskapazitäten. Dass diese Investitionen dennoch stattfinden, verdeutlicht, dass die Unternehmen mit einem nachhaltigen Digitalisierungsschub rechnen. Dafür sprechen Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft, die sich während der Pandemiezeit vom Analogen ins Digitale gewandelt und als vorteilhaft erwiesen haben. Verankern sich diese, wird der Chipbedarf und die Bedeutung der Versorgungssicherheit in Zukunft noch steigen.

In den USA hat die Regierung Biden den Chipmangel als „nationale Bedrohung“ erkannt und setzt auf eine komplexe Strategie in Sachen digitale Souveränität. Sehen Sie in Europa ebenfalls adäquate Lösungsansätze?
In Europa wird die Lage ähnlich ernst gesehen: Es wurde das Ziel ausgerufen, bis 2030 20 Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion in Europa anzusiedeln. Derzeit liegt der Anteil bei 10 Prozent. Mit dem Ausbau der eigenen Produktionskapazitäten wird Europa unabhängiger vom Ausland. Dies steigert die Versorgungs- und demnach auch Planungssicherheit für in Europa angesiedelte Unternehmen, die Chips in ihrer Produktion einsetzen oder zukünftig einsetzen wollen. Sicherlich wäre es naiv oder unrealistisch zu erwarten, dass Europa in allen Digitalbereichen technische Souveränität erlangt. Dafür ist der Aufholbedarf teilweise zu hoch, die Kapazitäten limitiert oder es ist aus Kostengründen sinnvoller, die Produktion in anderen Regionen wie Asien stattfinden zu lassen. Jedoch ist es wichtig, dass Europa einen besonderen Fokus auf die technische Souveränität bei kritischen Vorprodukten und Technologien legt. Dazu zählen KI oder Quantencomputing sowie die Souveränität bei kritischen Vorprodukten, die für die Digitalisierung von besonderer Bedeutung sind und beispielsweise aus dem Bereich der Mikroelektronik stammen.

Chips sind nur ein Aspekt der Digitalisierung: Wie bewerten Sie die infrastrukturellen Voraussetzungen für die weitere Digitalisierung im Lande und in Europa?
Zu den infrastrukturellen Voraussetzungen zählen das Vorhandensein einer vertrauenswürdigen und europäisch vernetzten Cloudinfrastruktur, eine leistungsstarke Breitbandinfrastruktur und eine hinreichende Verfügbarkeit von Rechenkapazitäten. Für einen vertrauenswürdigen Datenraum spielt Gaia-X eine zentrale Rolle, beispielsweise um das Teilen von Daten in einer sicheren und vertrauensvollen Umgebung zu ermöglichen. Es wird entscheidend sein, wie schnell die Bekanntheit steigt und erste Anwendungsfälle realisiert werden. Bei der Breitbandverfügbarkeit hängt Deutschland im internationalen Vergleich noch hinterher und es besteht ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle. Bei den Rechenkapazitäten besteht vor allem im Bereich der Entwicklung und Anwendung des Quantencomputings noch Aufholbedarf zu China und USA. Quantencomputing kann als Enabler für die Schaffung hinreichend leistungsstarker Rechenkapazitäten fungieren und somit dem derzeit immens ansteigenden Rechenaufwand begegnen. Denn nur durch die Fähigkeit, sehr große Datenmengen in kurzer Zeit auswerten zu können, können Potenziale vor allem bei KI gehoben und die Digitalisierung als Ganzes vorangetrieben werden.

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