Ein Jahr Corona-Krise hat insbesondere die Reisebranche hart getroffen. Welche Rolle können digitale Tools wie ein europäischer Impf- oder Immunitätspass für einen Neustart der Branche spielen?
Alles, was Sicherheit und Transparenz bietet, wird dem Neustart unserer Branche helfen. Die große Unsicherheit bei den Bürgerinnen und Bürgern zeigt sich in der Vielzahl der Anfragen und Nachfragen zu Bedingungen vor Ort, den Hygiene-Konzepten oder auch flexiblen Stornierungsbedingungen. Wichtig ist vor allen Dingen, dass es gelingt flächendeckend gleichlautende Richtlinien oder Vorgaben zu haben. Für uns als Hotelgesellschaft mit Standorten in verschiedenen Bundesländern, bzw. auch Ländern ist das selbstbestimmte Handeln der Länder innerhalb unseres föderalen Systems kaum mehr zu überblicken, bzw. zu handhaben. Auch das sorgt bei den Verbrauchern für Unsicherheit. Insoweit also ja: allgemeingültige digitale Tools, wie ein europäischer Impfpass oder Ähnliches würden den Neustart sicherlich erleichtern.
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Insbesondere Digitalunternehmen rüsten sich nach Medienberichten bereits für Übernahmen anderer Firmen. Welche Folgen würde mehr Konzentration im Reisemarkt haben?
Generell bringen Übernahmen oder Fusionen ja die Chance, eine höhere Professionalität zu erreichen und Prozesse, insbesondere aus Sicht der Usability heraus, für den Kunden zu verbessern. Kräfte können vermehrt gebündelt werden und es entsteht, wiederum für den Nutzer, eine einfacherer, übersichtlichere Struktur in der Landschaft der Anbieter. Klingt also zunächst positiv. Allerdings dürfen wir nicht die Gefahr unterschätzen, dass Mega-Konzerne damit absolut markbeherrschende Stellungen bekommen und den Markt mehr oder minder allein bestimmen können. Schauen wir uns Beispiele wie Google an. Hier führt bereits heute kein Weg daran vorbei, wenn man als mittelständisches Unternehmen im E – Commerce aktiv sein möchte. Oder nehmen wir das Buchungsportal „booking.com": dort werden massenweise Programmierer beschäftigt, um das Portal funktionaler, einfacher oder vielseitiger zu machen. Ein technologischer Fortschritt, mit dem kleinere Anbieter oder gar Hotels, die ihre Website-Buchungsmaschinen selber betreiben, niemals mithalten können. Von den Aufwendungen, die für SEO, also Suchmaschinenoptimierung oder SEA, Suchmaschinenwerbung investiert werden, ganz zu schweigen. Aus Verbraucher-Sicht meines Erachtens also ein zweischneidiges Schwert: auf der einen Seite gewinnt man performante, kundenzentrierte Prozesse. Auf der anderen Seite verliert man die „Buntheit", das abwechslungsreiche Angebot und damit ein stückweit auch Selbstbestimmung.
Welche Chancen sehen Sie auf der anderen Seiten in Vernetzung und digitalen Vertriebsmöglichkeiten direkt für die Hotels?
Natürlich profitiert die Branche, hier aus unserer Perspektive der Leistungsträger, also der Anbieter von Hotelleistungen, von der zunehmenden Digitalisierung im Vertrieb. Insbesondere, da Digitalisierung keine Grenzen kennt, global funktioniert und damit auch Quellmärkte anspricht, die ein einzelner Leistungsträger nicht erreichen würde. Zu akzeptieren ist dabei lediglich, dass von solchen Vertriebsorganisationen beispielsweise auch Brand-Bidding betrieben wird und man als Leistungsträger in Suchmaschinen zweiter Sieger ist. Es ist tatsächlich immer abzuwägen, welchen Mehrwert die Zusammenarbeit mit starken Netzwerken bringt und ob die Investitionen hier lohnen. Zusammenfassend: ja, Chancen bestehen, allerdings auch Risiken.
Wie sollte die Politik die Branche beim Neustart unterstützen?
Eine gute Frage. An der Stelle möchte ich mich gar nicht auf die viel diskutierten Hilfsprogramme, bzw. finanziellen Unterstützungen einlassen. Das würde den Rahmen sprengen. Wie bereits bei Ihrer ersten Frage angedeutet: das Beste und Wichtigste, was jetzt zu tun ist, ist für Sicherheit, Klarheit und Transparenz zu sorgen. Verbindliche Aussagen, verlässliche Daten, schlicht Planbarkeit herstellen. Und das, bei allen Unwägbarkeiten, die das Corona-Virus und seine Mutationen mitbringen, möglichst nachhaltig. Ein „On – Off Betrieb" ist für viele Zweige unserer Branche nicht leistbar. Insbesondere, wenn wir unseren Blick auf unser wichtigstes Kapital lenken: unsere Mitarbeitenden. Es wäre wünschenswert, sich nicht von Woche zu Woche mit Aussagen, wie „wir wissen leider noch nicht, wann es wieder los geht" hangeln zu müssen. Als Unternehmer haben wir Verantwortung für unsere Mitarbeitenden übernommen und auch dafür, dass das Unternehmen wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich ist. Das können wir nur leisten, wenn wir selbstbestimmt handeln können und nicht weiter bevormundet werden.