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Tempolimits oder Vorrangzonen bringen keine Vorteile

Was Mobil im Deutschland durch Regeln nach dem Vorbild der Stadt Brüssel befürchtet

Dr. Michael Haberland, Präsident Mobil in Deutschland e.V. Quelle: Mobil in Deutschland e.V. Dr. Michael Haberland Präsident Mobil in Deutschland e.V. 15.06.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
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"Eine Vorrangzone für Radfahrer und Fußgänger in den deutschen Innenstädten einzurichten wäre vielleicht aus ökologischer Sicht wünschenswert - jedoch rein wirtschaftlich gesehen ein Desaster", sagt Dr. Michael Haberland, Präsident Mobil in Deutschland e.V. Die deutschen Innenstädte könnten veröden, ältere, kranke oder körperlich beeinträchtigte Menschen oder Familien mit Kindern  in ihrer Mobilität beschnitten und abgehängt werden. Denn letztlich befürchtet er, geht es "um die Verbannung des Autos und um die Umerziehung der Menschen".







Die Stadt Brüssel hat in der Innenstadt eine Vorrangzone für Radfahrer und Fußgänger eingerichtet - mit Tempo 20 und Bewegungsfreiheit für Fußgänger und Radfahrer. Kann das Modell als Vorbild für den Innenstadt-Verkehr auch anderswo dienen?
Eine Vorrangzone für Radfahrer und Fußgänger in den deutschen Innenstädten einzurichten wäre vielleicht aus ökologischer Sicht wünschenswert - jedoch rein wirtschaftlich gesehen ein Desaster. Sowohl der Einzelhandel als auch die Gastronomie leben in den zentralen Stadteilen von kaufbegeisterten Kunden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn diese auch ihren Weg dorthin finden und das auch möglichst einfach und unkompliziert. Wenn es den Menschen unnötig erschwert wird, die Innenstadt zu erreichen, können dort auch keine Umsätze mehr erzielt werden. Denn Radfahrer generieren deutlich weniger Umsätze als Menschen, die mit dem Auto unterwegs sind. Ein Auto bietet beispielsweise viel Stauraum für die Einkäufe. Viele Menschen aus dem Umland oder Tagestouristen planen lange im Voraus einen ganzen Shopping-Tag in der nächsten Großstadt und man verbringt dabei den ganzen Tag in der Stadt. Doch schon heute wird den Autofahrern das Leben nicht einfach gemacht. Die lange Parkplatzsuche, die aufgrund des beschränkten Raumes und wenigen Parkplätzen unnötig verlängert wird, oder soweit in die Randbezirke der Städte reicht, dass man nicht mehr um die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln herumkommt, wird viele langfristig von einem Besuch einer Großstadt abhalten. Was nicht nur ein extremer Zeitaufwand ist, sondern auch doppelte Kosten mit sich bringt. Es ist ein einziger Teufelskreis. Wenn die Umsätze ausbleiben, bringt dies massive Folgen mit sich. Langfristig werden die deutschen Innenstädte an Attraktivität verlieren und sogar veröden.

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Zunächst soll es mit dem Modell leichter werden, die Abstandsregeln in der Corona-Krise einzuhalten. Was spricht über die Krise hinaus für eine solche Vorrangzone - und was dagegen?
Vorrangzonen für nur einen bestimmten Teil der Verkehrsteilnehmer einzurichten, in diesem Fall für Radfahrer und Fußgänger, bedeutet immer, dass der Verkehrsraum der anderen Verkehrsteilnehmer minimiert oder sogar ganz verschwinden wird. Dies ist eine einfache mathematische Gleichung, die vielen deutschen Autofahrern bitter aufstößt. Denn schon heute wird der Platz für den Hauptverkehrsträger in Deutschland, das Auto, konsequent verringert. Die Konsequenzen sieht man täglich: Zäher Stop & Go Verkehr, dauernde Staus und zunehmende Aggressionen im Straßenverkehr. Dass Fahrräder das Verkehrsaufkommen in Städten bewältigen könnten, ist ein grünes Wunschdenken, welches im Chaos enden wird. Zudem entsteht durch die Verbannung der Autos aus den Innenstädten ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in den Rand- und Wohngebieten. Das will niemand.

Meiner Meinung nach, ist die Brüsseler Vorrangzone genau der falsche Weg, um gegen die immer noch anhaltende Pandemie anzukämpfen. Viele Menschen werden dadurch gezwungen auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweichen, in denen sie dann dicht an dicht in den engen Kabinen stehen und panisch versuchen niemandem zu nahe zu kommen. Auch für die, die zum Fahrrad greifen werden, gestaltet sich der Weg in die Innenstadt nicht gerade leichter. Eine Vielzahl an Menschen, die ohne Mundschutz an den Ampeln auf ein grünes Licht warten oder ihr Rad an viel zu vollen Fahrradständern anschließen. Die Corona-Pandemie ist ohnehin nicht der wahre Grund für diese Vorrangzone, sondern die Beschleunigung der sogenannten „Verkehrswende“, bei der ein Auto gar keine Daseinsberechtigung mehr besitzt.

Nach einer Testphase soll im gesamten Stadtgebiet nur noch Tempo 30 gelten. Wie bewerten Sie das?
Auch das ist wieder ein Modell, welches dem Zeitgeist geschuldet ist. Tempo 30 wird in den Städten einführt, um es anschließend auf Tempo 20 reduzieren zu können. Heißt übersetzt: „Alle Autos raus aus den Städten“. Das Auto ist nicht mehr geduldet. Dem werden wir in Deutschland hoffentlich so nicht folgen. Der Einkaufsverkehr würde sich dann auf die großen Gewerbegebiete außerhalb der Städte verlagern, wo man schnell mit dem Auto vorfahren kann und seine Einkäufe einfach in den Kofferraum packen kann. Mal sehen, wie viele da mitziehen werden.

Welche Vor- und Nachteile haben Tempolimits und Vorrangzonen für einen vernetzten digitalen Mix der individuellen Verkehrsmittel der Zukunft?
Tempolimits oder Vorrangzonen bringen in meinen Augen keine Vorteile mit sich, sondern nur Nachteile. Die deutschen Innenstädte werden durch diese Regelungen veröden und der Einzelhandel sich nur noch schwer halten können. Ältere, kranke oder körperlich beeinträchtigte Menschen oder Familien mit Kindern werden quasi in ihrer Mobilität beschnitten und abgehängt. Einfach so vor der Tür ins Auto steigen, vor einem Geschäft zu parken, um einzukaufen, die Kinder inkl. Kinderwagen im Auto transportieren und die Wocheneinkäufe erledigen – all das wird in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sein. Eine Diskriminierung von Familien und Älteren. Es geht nur noch um die Verbannung des Autos und um die Umerziehung der Menschen. Dafür sind wir nicht zu haben.

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