Nach dem aktuellen Waldzustandsbericht sind vier von fünf Bäumen bundesweit krank. Wie geht es dem Wald in Ihrem Bundesland?
Die Hitze und Trockenheit des vergangenen Sommers brachten für unsere niedersächsischen Wälder auch wieder keine Erholung. Den Klimastress sieht man leider sehr deutlich – ganz besonders im Harz. Stürme, Trockenheit und der Borkenkäfer haben große Teile der Fichtenwälder geschädigt oder sogar ganz vernichtet. Rund 70.000 Hektar Schadflächen, die wiederbewaldet werden müssen.
Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung in Niedersachsen zeigen 2018 bis 2022 die höchsten Anteile an stark geschädigten und abgestorbenen Bäumen – die Krise ist nicht überstanden.
Der Gesundheitszustand unserer Waldbäume spiegelt sich in den mittel- und langfristigen Durchschnittswerten für die Kronenverlichtung, für den Anteil starker Schäden und für die Absterberate wider. Im Jahr 2022 hat er sich noch einmal weiter verschlechtert.
Mit 22 Prozent bleibt die Kronenverlichtung auf dem hohen Niveau, das erstmals 2019 erreicht wurde. Der Anteil stark geschädigter Bäume ist 2022 weiterhin mehr als doppelt so hoch wie im langjährigen Mittel. Die Absterberate ist gegenüber dem Vorjahr nochmals angestiegen - insbesondere durch den hohen Anteil toter Fichten. Die Reihe alarmierender Kennzeichen und Kennzahlen reißt somit immer noch nicht ab. Im Gegenteil – sie setzt sich weiter fort.
Ich empfinde die Lage des niedersächsischen Waldes als wirklich dramatisch. Es muss uns allen um den Erhalt des Waldes in Niedersachsen mit all seinen wichtigen Funktionen gehen. Hier liegt noch sehr viel Arbeit vor den Forstleuten im Zusammenspiel mit der Natur.
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Der Wald steht insbesondere durch den Klima-Wandel unter Druck und ist zugleich ein wichtiger Faktor im Kampf um die Begrenzung der Erderwärmung - wie unterstützen Sie die hiesige Forstwirtschaft bei den entsprechenden Herausforderungen?
Unsere Wälder sind von herausragender Bedeutung für den Wasserhaushalt und sie sind natürliche Klimaschützer. Ich möchte die Waldfläche auch deshalb gerne weiter erhöhen. Mein Ziel sind klimarobustere und artenreiche Laub- und Laubmischwälder. Dazu werden wir die Forschung an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt stärken und den klimaangepassten Waldumbau sowie die forstliche Beratung in allen Besitzarten aktiv fördern. Allein im Jahr 2022 wurden 27,5 Mio. Euro Fördermittel für den Wald ausgezahlt, im Jahr 2023 stehen mehr als 30 Mio. Euro zur Verfügung.
Durch mein Haus wurde eine Koordinierungsgruppe eingerichtet, um die Auswirkungen der mittlerweile im fünften Jahr massiv laufenden klimabedingten Krise des Waldes systematisch aufzuarbeiten. Der Arbeit dieser Koordinierungsgruppe messe ich eine hohe Priorität bei. Das Land Niedersachsen beschleunigt damit die Klimaanpassung des Waldes zur Sicherung seiner Waldfunktionen und Steigerung der Ökosystemleistungen.
Der Absatz von Holz ist für die wirtschaftliche Existenz der Forstbetriebe immens wichtig. Die Wiederaufforstung und der Umbau der Wälder ist sehr teuer und wird – neben der Unterstützung durch die Förderung – ausschließlich durch die Waldbesitzenden getragen. Aus diesem Grund unterstütze ich das Bauen mit Holz durch die Übernahme der Schirmherrschaft für den niedersächsischen Holzbaupreis. Bauen mit Holz ist auch die klimafreundlichste Art des Bauen, wird doch der im Holz gespeicherte Kohlenstoff lange Zeit im Haus gespeichert und zudem werden dadurch andere energiereiche Baumaterialien ersetzt.
Holz ist auch ein nachhaltiger Rohstoff. Welche Rolle kann der Wald für die wirtschaftliche Transformation spielen?
Die Wälder Niedersachsens sind eine wichtige Ressource für die holzverarbeitende Industrie. Über alle Waldbesitzarten hinweg werden bei uns bisher jährlich rund 7,1 Mio. Kubikmeter Holz nachhaltig geerntet. Prognosen sind allerdings schwierig. Nachwachsende Rohstoffe wie Holz bieten beispielsweise im Bausektor ein großes Potential für den Klimaschutz, weil sie energieintensive Baustoffe ersetzen. Außerdem speichert Holz selbst nach der Verarbeitung noch Kohlenstoff, daher ist Bauen mit Holz ein wichtiger Baustein, um das Klima zu schützen. Wir können nachhaltig aber nur soviel ernten, wie nachwächst. Es gilt die Balance zwischen dem Schutz und der Nutzung der Wälder zu finden. Künftig werden für die Waldbesitzenden auch andere Verdienstmöglichkeiten rund um den Wald entstehen. Nicht zuletzt für Ökosystemdienstleistungen. Diese Landesregierung möchte zudem mit einer Holzbauoffensive die regionalen Holzwertschöpfungsketten unterstützen. Das Bauen mit Holz soll erleichtert und beworben werden. Dies erfolgt beispielsweise über den niedersächsischen Holzbaupreis. Die Forschung zur möglichen Verwendung und Verwertung von Laubholz in der Baubranche möchten wir ausbauen.
Wissenschaftler wollen den Wald mit digitaler Sensorik resilienter machen - wie kann moderne Technik dem Wald aus Ihrer Sicht helfen?
Grundsätzlich begrüße ich Kombinationen von bewährten Monitoringverfahren mit innovativen Methoden und digitalen Informationssystemen, um wissenschaftliche Erkenntnisse zum komplexen Ökosystem Wald und der Klimafolgenforschung zu gewinnen. Dazu gehört auch die Nutzung zeitlich hochauflösender Satellitendaten, sowie weiterer räumlich hochauflösender, fernerkundungsbasierter Sensoren. Unser Ziel ist, landesweite Daten zur Situation und zu den Funktionen des niedersächsischen Waldes den Bewirtschaftenden zur Verfügung zu stellen, um sich auch waldbaulich an den Klimawandel anpassen zu können. Mit unserer Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und dem Niedersächsischen Forstplanungsamt der Landesforsten haben wir die benötigte forstwissenschaftliche Kompetenz, um die Verfahren den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen anzupassen.
Um auf die weiter steigende Gefahr von Waldbränden vorbereitet zu sein, haben wir unser Waldbrandfrüherkennungssystems AWFS modernisiert. Die optischen Sensoren des Systems stellen eine flächendeckende Überwachung sicher und können selbst in 20 Kilometer Entfernung Rauchentwicklungen durch Entstehungsbrände erkennen und exakt verorten. Insgesamt sind 20 Kameras im Einsatz, die eine Fläche von rund einer Million Hektar – davon mehr als 400.000 Hektar Wald – beobachten. Ziel ist es, Waldbrände so früh wie möglich zu lokalisieren und erfolgreich zu bekämpfen.