Nach dem aktuellen Waldzustandsbericht sind vier von fünf Bäumen bundesweit krank. Wie sehen Sie die Entwicklung der hiesigen Wälder in den letzten Jahren?
Der Zustand vieler Wälder ist für uns als Waldbesitzende und Forstexperten seit einigen Jahren besorgniserregend und es wird immer dramatischer. Die klimabedingten Schäden durch Witterungsextreme und Schädlinge sind massiv. Dazu muss man sich nicht mal in umfangreiche Fachberichte einlesen, sondern es genügt mit offenen Augen durch unsere Wälder zu laufen, die immerhin ein Drittel der Bundesrepublik bedecken. Auf über einer halben Millionen Hektar sind Bäume abgestorben. Das Thünen-Institut geht davon aus, dass rund drei Millionen Hektar Wald durch den Klimawandel besonders bedroht sind und ‚klimafit‘ umgebaut werden müssen. Hinzu kommen in jüngster Zeit wieder Waldbrände aufgrund von Dürre und oftmals Unachtsamkeit der Waldbesucher. Die Branddimensionen, die wir sonst nur aus Südeuropa und Kalifornien kennen, werden auch bei uns zur ernstzunehmenden Bedrohung werden – für das Ökosystem Wald und die Menschen. Allerdings blickt unsere Branche auch optimistisch in die Zukunft. Unsere Wälder leiden zwar unter dem Klimawandel, doch sind sie auch unsere größten Verbündeten. Klimaschutz, Bewahrung der biologischen Vielfalt, Freizeitnutzung und Erholung sowie Bereitstellung des Rohstoffs Holz als nachwachsender Baustoff und erneuerbare Energie bedingen gesunde Wälder. Diese Wälder entwickeln wir gerade durch aktives forstliches Handeln.
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Der Wald steht durch den Klima-Wandel unter Druck und ist zugleich ein wichtiger Faktor im Kampf um die Begrenzung der Erderwärmung - welche Herausforderungen sehen Sie auf die hiesige Forstwirtschaft zukommen?
Unser Waldbesitzer und Forstleute befinden sich in einem komplexen Spannungsfeld aus fachlich notwendigen Herausforderungen und gesellschaftlichen Vorstellungen. Beides ist nicht immer deckungsgleich. Im Wald stehen wir vor einer Herkulesaufgabe. Die Rasanz des Klimawandels macht ein rasches und aktives Bewirtschaften notwendig. Waldneugestaltung, Waldumbau und Waldpflege sind die zentralen Aufgaben in den nächsten Jahrzehnten, wenn wir unsere Wälder mit ihren Ökosystemleistungen erhalten und für nachfolgende Generationen stärken wollen. Das Thünen-Institut beziffert die Kosten hierfür auf bis zu 43 Milliarden Euro. Gleichzeitig haben die Forstbetriebe allein in den Jahren 2018 bis 2021 Substanzverluste von 15 Milliarden Euro erlitten.
Waldbauern und Forstleute stehen engagiert bereit, die Wälder der Zukunft zu entwickeln und in ihr Eigentum zu investieren. Hierfür braucht es jedoch verlässliche forstpolitische Rahmenbedingen, denn nachhaltige Forstwirtschaft wirkt nicht in kurzen Zeiträumen, sondern umfasst Generationen. Zu diesen verlässlichen Rahmenbedingungen gehören evidenzbasierte Entscheidungsgrundlagen, Gestaltungsspielräume vor Ort, ausreichend qualifizierte Fachkräfte sowie gezielte finanzielle Anreize. Insbesondere Letzteres bereitet uns bundespolitisch derzeit Sorgen. Mit der forstlichen Förderung durch die GAK (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) haben wir flächendeckend ein bewährtes Instrument zwischen Bund und Ländern, das vor allem der großen Zahl an kleinem, strukturschwachem Waldbesitz passgenau zugutekommt. Doch droht in den derzeitigen Haushaltsverhandlungen des Bundes ab 2024 eine Finanzierungslücke oder sogar ein Ende der Förderung. Die damit verbundene Verzögerung der Wiederbewaldung und des Waldumbaus wäre aus unserer Sicht auch gesellschaftlich unverantwortbar.
Holz ist auch ein nachhaltiger Rohstoff. Welche Rolle kann der Wald für die wirtschaftliche Transformation spielen?
Holz ist nicht nur ein nachhaltiger Rohstoff, sondern Holz, das hierzulande unter den weltweit höchsten Kriterien produziert wird, ist der nachhaltige Rohstoff schlechthin. Unsere Forstwirtschaft leistet mit der Bereitstellung von klimafreundlichem, natürlich nachwachsendem Holz einen wichtigen Anteil an der Dynamik des Bioökonomiestandortes Deutschland. Die holzverarbeitenden Unternehmen hierzulande sind ungemein innovativ.
Die Holzbauoffensive der Bundesregierung lässt darauf hoffen, dass der Holzbau weiter an Fahrt aufnimmt. Grundlage hierfür ist jedoch, dass auch genug Holz, das in unseren Wäldern wächst, nachhaltig bereitgestellt wird. In Deutschland haben wir gesetzlich verankert einen ausgewogenen Dreiklang aus Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen der Wälder. Über 83 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger profitieren von unseren multifunktional bewirtschafteten Wäldern und ihren vielfältigen Ökosystemleistungen. Dieser Dreiklang muss auch in Zukunft erhalten bleiben, denn ohne die wirtschaftliche Perspektive der Holznutzung können Waldbesitzer ihre Forstbetriebe nicht mehr zukunftsfest entwickeln und die Bioökonomie stärken. Damit leiden auch die Bemühungen um Klimaschutz.
Wissenschaftler wollen den Wald mit digitaler Sensorik resilienter machen - wie kann moderne Technik dem Wald aus Ihrer Sicht helfen?
Die Digitalisierung hat schon seit geraumer Zeit Einzug in den forstlichen Arbeitsalltag gehalten und ist als wesentliche Stütze nicht mehr wegzudenken. So sind beispielsweise digitale Boden- und Geländekarten, die zukünftige Nährstoff- und Wasserversorgung bei Klimaveränderungen modellieren, eine wichtige Entscheidungshilfe, welcher Mischwald örtlich angepflanzt wird. Aspekte des Naturschutzes werden ebenso berücksichtigt wie Belange des Boden- und Arbeitsschutzes. Digitaler Schnittstellen entlang des Clusters Forst und Holz (vom Baum zum Brett) sorgen für eine stetige Optimierung der Wertschöpfungskette. Ein großes Potential besteht beispielsweise auch in der Prävention und Bekämpfung von Waldbränden, auf deren Zunahme wir uns einstellen müssen. Australien und Südkorea arbeiten hier bereits mit umfangreichen KI-gestützten Systemen. Unsere Forstwissenschaft genießt international ein hohes Ansehen. Nicht zuletzt wirken deutsche Forstwissenschaftler auch weltweit erfolgreich in Entwicklungsprojekten. Daher ist national wie international für zukunftsfähige Wälder und Forstwirtschaft auch eine umfassende und praxisnahe Forschung durch unsere renommierten Einrichtungen, Universitäten und Hochschulen wichtige Voraussetzung. Die Digitalisierung wird hierbei eine wichtige Rolle einnehmen.