Familienunternehmer sind beliebte Arbeitgeber, es fehlt ihnen in der Wahrnehmung nach aktuellen Daten aber an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Wie sehen Sie die Lage der Familienunternehmer hierzulande?
Wenn wir „hinter“ die abstrakten Daten schauen, hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Familienunternehmen stark mit zwei konkreten Faktoren zusammen:
Der erste Faktor ist die Kapazität, sich im Wettbewerb durchzusetzen. Ganz praktisch ausgedrückt scheitert es oft an der Frage, wie viele Menschen im Unternehmen die Möglichkeit haben, durch die Welt zu reisen.
Beispiel: Ein Kunde von mir ist in Westeuropa mit Bau-Zuliefer-Produkten in der vierten Generation erfolgreich. Vor einigen Jahren wurden auch Großprojekte in Dubai und Saudi-Arabien beliefert. Das ist wirtschaftlich gescheitert, weil man keine ausreichenden personellen Möglichkeiten hatte, die Projekte vor Ort selbst zu managen. Es fehlte die Zeit, sich mit den „kulturellen“ Bedürfnissen der eingesetzten Sub-Unternehmer und Kunden auseinanderzusetzen. Die Produkte waren top, die personellen Möglichkeiten der Beziehungspflege vor Ort leider nicht.
Der zweite Faktor ist die Einzigartigkeit des eigenen Produkts.
Auch hier ein Kunden-Beispiel: Ein Familien-Unternehmen aus der Lebensmittel-Industrie. Einer der Gesellschafter nimmt sich persönlich Zeit, um regelmäßig Kunden in Amerika und Asien zu besuchen. Das Produkt hat neben erstklassiger Qualität ein extrem gutes Ansehen. Dadurch reicht es, durch konsequente Beziehungspflege die Bestell- und Lieferketten im Flow zu halten.
Was können Familienunternehmer selbst leisten, um eine gute und attraktive Arbeitgebermarke mit ihrem Unternehmen zu kreieren?
Ein Unternehmen muss zwei Dinge erkennbar machen: Erstens für welche Werte, und zweitens für welche Mission es steht, also welches „Wofür“ es verfolgt. Auf dem Arbeitnehmer-Markt können sich die Menschen den Arbeitgeber aussuchen, der den eigenen Werten und Zukunftsvorstellungen entspricht. Durch eine große Schnittmenge dieser beiden Faktoren zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer/in entstehen Identifikation und Motivation.
Beispiel: Mein Sohn hatte für den Start seines dualen Studiums zwei Optionen: einen Konzern mit 30.000 Mitarbeitenden – und ein Familien-Unternehmen mit 700 Menschen.
Er hat sich für das Familien-Unternehmen entschieden.
Der Konzern konnte mit seinen Massen-Prozessen nicht klar machen, für welche spezifischen Werte er steht. Meinem Sohn sind z. B. Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit extrem wichtig. Das konnte das Unternehmen mit seinem intransparenten, bürokratischen Bewerbungsprozess nicht nachweisen.
Im 700-Menschen-Unternehmen gab es einen engen, persönlichen Kontakt, mit ausführlicher Werksführung und verbindlicher, aufmerksamer Kontaktpflege. Auch konnte überzeugend dargestellt werden, was das Unternehmen mit seinen Produkten „in dieser Welt“ erreichen möchte, welche Vision es hat.
In dieser Greifbarkeit und Eindeutigkeit von Werten und Mission liegt die Chance der Familien-Unternehmen. Die Aufgabe besteht darin, Werte und Mission präzise und klar zunächst für sich selbst herauszuarbeiten – und dann konsequent nach außen zu kommunizieren und zu leben.
Familienunternehmen sehen sich als besonders innovativ. Wie bewerten Sie diese Einschätzung?
Das ist mir zu pauschal. Ein Familienunternehmen ist ja nicht per se innovativ.
In Unternehmen, die von der Gründungs-Generation geführt werden, gibt es oft den Geist „Das haben wir schon immer so gemacht – das kann nicht ganz so schlecht sein.“ Was dabei oft übersehen wird, sind z. B. stagnierende Geschäftszahlen, weil das Geschäft nur noch von treuen (und aussterbenden) Stammkunden getragen wird, aber schon länger keine Neukunden mehr hinzukommen.
Echte Innovation entsteht aus zwei typischen Faktoren:
Erstens: die Kinder übernehmen das Unternehmen. Sie haben die geistige Freiheit und den frischen Elan, alles erst einmal in Frage zu stellen. Bewährtes kann bleiben, und gleichzeitig haben sie oft den Mut, völlig neue Prozesse oder Produkte auszuprobieren.
Zweitens: die aktuelle Inhaber-Generation verbreitet aufgrund persönlicher Stärke und Mut eine Kultur von Vertrauen, Freiheit und Gelassenheit. Z. B. dadurch, dass Fehler als Lernchance und nicht als Problem betrachtet werden. Oder dass in eine F&E-Abteilung investiert wird, die explizit über Vertrauen und Freiheiten verfügt, die ihr von der Geschäftsleitung geschenkt werden.
Sie haben sich mit Ihrem Buch „Mit Mut, Freude und Gelassenheit führen“ einen Namen gemacht. Können Sie einen Trend erkennen, ob Familienunternehmer das in der heutigen herausfordernden Zeit besonders beherzigen und wie gut können sich die Unternehmer selbst führen?
In dem Buch wird ausführlich hergeleitet, dass die Resilienz und der Erfolg eines Familien-Unternehmens entscheidend davon abhängen, ob und wie die Schlüsselperson(en), also Inhaber oder Geschäftsleitung, mit sich persönlich umgehen. Das gilt auch – und insbesondere – in Krisenzeiten.
Ich vertrete die These, dass nur Menschen, die sich selbst sehr gut wahrnehmen können, sich auch in ihrer Führungs-Rolle bewusst und hilfreich steuern können. Durch dieses gute Selbst-Bewusstsein – im eigentlichen Wortsinn – entstehen erfolgskritische Fähigkeiten, wie z. B. Mitgefühl, Vertrauen, Mut und Resonanz. Dadurch, dass sich diese Fähigkeiten auf sich selbst beziehen, können sie auch nach „außen“ wirken, gegenüber anderen Menschen. Führungsfähigkeit, Teamgeist und Kultur des Unternehmens werden dadurch entscheidend geprägt. Diese Fähigkeiten passen perfekt zum Thema aus Ihrer vorherigen Frage.
In der Tat kann ich den Trend erkennen, dass junge Familienunternehmer/innen damit inzwischen sehr bewusst umgehen. Meditation oder andere Formen des mentalen Trainings gehören da oft schon zum guten Ton. Mittlerweile entdecken das aber zunehmend auch Unternehmerinnen und Unternehmer aus meiner Genration für sich, also Ü50 – und sind dann verblüfft, was sie dadurch Gutes bei sich und im Unternehmen auslösen.