Nichts ist so analog wie der menschliche Körper. Doch wenn es darum geht, denselben fit zu halten, ist vieles im Wandel - die professionelle Fitness-Branche transformiert sich, im Privaten boomen Fitness-Apps für’s Smartphone. Prof. Dr. Tobias Giegerich von der EHiP (Europäische Hochschule für Innovation und Perspektive) verweist in unserer Fachdebatte darauf, dass die Fitnessbranche immer wieder einen Wandel durchlaufen und sich fortwährend an die gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen angepasst hat. „Die aktuell vermehrte Nachfrage nach und das Bestehen von hybriden Trainingsangeboten spiegeln dabei zum einen den Wunsch der Trainierenden nach mehr Flexibilität, zum anderen aber auch die neuen technischen Möglichkeiten wider, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung, auch für die Fitnessbranche, ergeben haben.“ Durch die Kombination aus Online-Angeboten und traditionellem Studio-Training bekommen die Menschen aus seiner Sicht eine größere Flexibilität und Zugänglichkeit zum Training, können sowohl zu Hause als auch im Fitnessstudio individuelle Trainingspläne abarbeiten und sind dadurch ein Stück weit nicht mehr zwingend an eine bestimmte Örtlichkeit oder einen festen Zeitplan gebunden.
Thorsten Rebek vom Deutschen Industrieverband für Fitness und Gesundheit sieht bei den Studios eine Verschiebung in Richtung ganzheitlicher Gesundheitsanbieter. Die Industrie stelle den Betreibern die hierfür nötigen Konzepte und Lösungen zur Verfügung. „Der Fokus liegt hierbei auf neuen Technologien wie KI, die bereits in Trainingsgeräten zum Einsatz kommen und einen hybriden Trainingsansatz unterstützen.“ Die Branche richte ihr Handeln dahingehend aus, für die Gesellschaft Angebote zu schaffen, die sie gesünder und fitter machen. Gerade die Verbreitung von Apps stelle eine große Chance dar, um mehr Menschen zu erreichen und zu einem gesundheitsorientierten Training und Lebensweise zu motivieren.
Johannes Walter Gründer & CEO beim Sore Health Club in Hamburg sieht in der Unterstützung durch Fitness-Apps ebenfalls ein großes Plus. Die können aus seiner Sicht den administrativen Aufwand senken und die Motivation sowohl bei den Trainern als auch bei den Kunden erhöhen. Er verweist auf eine Studie des Journal of Medical Internet Research, nach der die Kombination aus digitalem Feedback und regelmäßiger physischer Betreuung zu besseren Trainingsergebnissen und höherer Zufriedenheit führt. Allerdings sieht er auch Herausforderungen. „Es besteht die Gefahr, dass das Training ohne ausreichende Korrekturen erfolgt, was zu Verletzungen führen kann, die bei einer adäquaten persönlichen Betreuung vermieden werden könnten. Deshalb ist es wichtig, dass digitale Tools Fachpersonal nicht ersetzen, sondern ergänzen, um sicherzustellen, dass die Kunden korrekt und sicher trainieren.“
Stephan Müller vom Bundesverband Personal Training nimmt etwa den demografischen Wandel in den Blick. Der bringt aus Sicht einen absoluten Boom für die Branche. „Vor allem ältere Menschen wünschen sich, dass sich jemand persönlich um sie kümmert. Die Jüngeren schauen sich eher einfach ein Youtube-Video an – bei den Älteren merken wir, dass sie das Persönliche sehr schätzen. Dafür sind sie auch bereit etwas zu bezahlen.“
Einen Blick auf soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok sowie Influencerinnen und Influencer wirft Prof. Dr. Michael Tiemann von der SRH Hochschule für Gesundheit. Wegen ihrer hohen Reichweite haben diese einen offensichtlichen Einfluss auf den Fitness-Markt. Auf die allgemeine Gesundheit, die sogenannte Public Health, ist der Einfluss aber aus seiner Sicht eher gering und ambivalent. Man wisse wir aus der Verhaltenspsychologie, dass Personen ein Modell bzw. Vorbild für andere Menschen darstellen, wenn sie Ähnlichkeiten im Hinblick auf wichtige Merkmale wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und körperliche Fitness aufweisen. Junge, schlanke, gut trainierte Influencerinnen und Influencer könnten also ein Modell für ähnliche, bereits aktive Personen sein, aber kaum für die vielen inaktiven, untrainierten und gesundheitlich belasteten Menschen sein. Zum anderen verweist er auf Studien und Publikationen unter anderem über mangelnde Qualität, fehlende Qualitätskontrollen, Fehlinformationen sowie unzureichende Individualisierungen der präsentierten Inhalte. „Möglichen positiven Effekten für bestimmte Zielgruppen stehen damit potenzielle Gesundheitsgefährdungen durch unreflektiertes Nachahmen unsachgemäßer Übungen und Empfehlungen gegenüber.“
Valerie Bures-Bönström von der Pixformance Sports GmbH blickt auf den Trend in den USA. Der zeige, dass auch hier in Deutschland das Thema der ganzheitlichen Gesundheit viel stärker in den Vordergrund rücken werde und müsse. „Das liegt letztendlich daran, dass Fitness immer noch getrieben wird von der Motivation, sich in seinem Körper wohlzufühlen und auch abzunehmen.“ Gerade das Gewicht hänge aber nicht allein vom Sport ab, sondern etwa auch von der Ernährung und der mentalen Gesundheit. Deswegen sieht sie die neuesten Trends ganzheitlicher. „Das wird auch die technologische Entwicklung prägen. Um genau diese holistische Sichtweise wird es zunehmend im Fitnessbereich gehen.“
Aus Österreich berichtet Christian Hörl vom Fachverband Freizeit- und Sportbetriebe Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) von spürbaren Erholungseffekte in der Fitness- und Gesundheitsbranche. Es zeige sich eindeutig, dass das Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft über die letzten Jahre gestiegen ist und auch zukünftig weiter steigt. „Die Bedeutung von digitalen Trainingsangeboten für Studiobetreiber hat während der Corona-Pandemie und insbesondere in den Schließungszeiträumen zugenommen. In den letzten zwei Jahren jedoch hat dieser Bereich deutlich an Relevanz verloren.“ Fitnessanlagen haben nach seinen Erfahrungen vielfach digitale Trainings- und Zusatzangebote im Dienstleistungsportfolio etabliert, die aber vor allem eine Ergänzung darstellen. Das Training in der Fitnessanlage ersetzen sie für Hörl aber nicht.