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Interview10.06.2024

Über die ambivalente Rolle von Influencern für die Gesundheit

Und welche anderen Trends es auf dem Fitnessmarkt gibt

Prof. Dr. Michael Tiemann - Professor für Sport- und Gesundheitswissenschaften, Studiengangsleiter Gesundheits- und Sozialmanagement, M.A., SRH Hochschule für Gesundheit Quelle: SRH/Petra Leitte Prof. Dr. Michael Tiemann Professor für Sport- und Gesundheitswissenschaften SRH Hochschule für Gesundheit
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die Fitness-Branche ist per se sehr dynamisch und innovativ und befindet sich schon allein deshalb (fast) immer im Wandel", betont der Sport- und Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Michael Tiemann. Er benennt große Chancen für die Branche - und einige Herausforderungen.





Die Fitness-Branche ist im Wandel - mehr Menschen halten sich fit, hybride Angebote werden vermehrt nachgefragt. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie grundsätzlich für die Branche?
Die Fitness-Branche ist per se sehr dynamisch und innovativ und befindet sich schon allein deshalb (fast) immer im Wandel. Verstärkt wird dies durch gesellschaftliche, gesundheitliche und andere Entwicklungen, auf die die Branche reagieren muss, um weiterhin erfolgreich zu sein. Ebenso wie in anderen Branchen bringen Veränderung und Wandel auch für den Fitness-Markt erhebliche Herausforderungen, aber auch Chancen und neue Möglichkeiten mit sich. Eine große Herausforderung stellt(e) die Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie dar, wobei sich der Fitness-Markt inzwischen wieder stabilisiert hat und die Mitgliedschaften und Umsätze laut der aktuellen Deloitte-Studie fast wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht haben. Aktuelle und künftige Herausforderungen beziehungsweise Chancen sehe ich vor allem in der Erschließung neuer, bislang wenig erreichter Zielgruppen sowie entsprechenden Erweiterungen des Angebotsportfolios. Großes Potenzial besitzen dabei insbesondere spezielle Angebote für ältere Generationen („Best Ager“), die in Fitness-Studios bislang unterrepräsentiert sind. Ebenfalls große Wachstumspotenziale bieten die stärkere Nutzung von digitalen Angeboten, deren Nachfrage durch die Corona-Pandemie zusätzlich beschleunigt wurde, sowie deren Kombination mit Präsenz-Angeboten (Hybridmodelle). Neben diesen vorrangig auf Einzelkunden ausgerichteten Angeboten stellen weitergehend auch der betriebliche Gesundheitsmarkt und die Kooperation mit Unternehmen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld dar. Des Weiteren zeichnet sich ab, dass auch Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit zunehmend wichtiger werden und Fitnessanbieter, die nachhaltig agieren und sich sozial engagieren, Wettbewerbsvorteile besitzen.

Fitness-Apps erleben geradezu einen Boom. Wie kann das die Branche verändern?
Fitness-Apps haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und zählen wie digitale Fitness-Angebote insgesamt zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Digitale Anwendungen entsprechen dem Wunsch vieler Menschen nach individualisierten Fitnessprogrammen und personalisierten Trainingsplänen sowie großer Flexibilität in Bezug auf Ort und Zeit der Trainingsdurchführung. Fitness-Apps adressieren zum einen ganz gezielt Personen, die nicht in einem Fitness-Studio trainieren und/oder sich nicht einer Gruppe anschließen können oder möchten. Zum anderen werden Fitness-Apps jedoch auch von Fitnesszentren und -studios genutzt und zunehmend hybride Fitnessmodelle angeboten, die Präsenz- und Online-Angebote miteinander kombinieren. Auf diese Weise kommen Studios den Bedürfnissen vieler Kundinnen und Kunden nach und können zudem ein breiteres Publikum ansprechen. Insgesamt stellen Fitness-Apps ein wichtiges Segment der Fitness-Branche dar, das relevanten Marktprognosen zufolge in den nächsten Jahren weiter wachsen wird, wobei vor allem mit einer weiteren Spezialisierung und Ausdifferenzierung zu rechnen ist.

Wie beeinflussen soziale Medien und Influencer den Markt?
Es ist offensichtlich, dass soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok sowie Influencerinnen und Influencer eine große Reichweite und Einfluss auf den Fitness-Markt haben. Als Sport- und Gesundheitswissenschaftler möchte ich insbesondere die Auswirkungen auf die körperlich-sportliche Aktivität der Bevölkerung und die Förderung der Gesundheit (Public Health) in den Blick nehmen. Aus meiner Sicht ist der diesbezügliche Einfluss der sozialen Medien sowie der Influencerinnen und Influencer gering und als ambivalent zu bewerten. Warum? Zum einen wissen wir aus der Verhaltenspsychologie, dass Personen ein Modell bzw. Vorbild (hier für körperlich-sportliches Verhalten) für andere Menschen darstellen, wenn sie Ähnlichkeiten im Hinblick auf wichtige Merkmale wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und körperliche Fitness aufweisen. Junge, schlanke, gut trainierte Influencerinnen und Influencer können also ein Modell für ähnliche (bereits aktive) Personen, aber kaum für die vielen inaktiven, untrainierten und gesundheitlich belasteten Menschen sein. Zum anderen wird in Studien und Publikationen unter anderem über mangelnde Qualität, fehlende Qualitätskontrollen, Fehlinformationen sowie unzureichende Individualisierungen der präsentierten Inhalte berichtet. Möglichen positiven Effekten für bestimmte Zielgruppen stehen damit potenzielle Gesundheitsgefährdungen durch unreflektiertes Nachahmen unsachgemäßer Übungen und Empfehlungen gegenüber.

Welche Auswirkungen erwarten Sie durch den demografischen Wandel auf die Branche?
Die steigende Lebenserwartung sowie die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen hat bereits heute und insbesondere in den kommenden Jahren und Jahrzehnten erhebliche Auswirkungen auf die Fitnessbranche. Der demografische Wandel stellt die Branche dabei vor Herausforderungen, bietet nach meiner Überzeugung aber auch große Chancen für die Erschließung neuer, in Fitnesszentren und
-studios bislang unterrepräsentierter älterer Personengruppen sowie für die Entwicklung innovativer Angebote. Das große Potenzial zeigt sich allein darin, dass nach Angaben des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) zurzeit (2022) nur gut 8 Prozent der Älteren über 60 Jahre Mitglied in einer Fitnessanlage sind. Damit die Generation der Best Ager aber tatsächlich erreicht wird und den Weg in die Fitness-Studios findet, bedarf es meines Erachtens insbesondere neuer, niedrigschwelliger, zielgruppenadäquater Zugangswege, spezifischer, maßgeschneiderter Angebote, ein den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechendes Ambiente in den Fitnessanlagen sowie qualifizierter, speziell geschulter Fachkräfte. Dabei wird es für die Fitness-Branche auch darauf ankommen, ihre besonderen Stärken hervorzuheben und sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern gesundheitsförderlicher Bewegungs- und Fitnessprogramme für Ältere zu behaupten.

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