Es gilt als neuer Trend in der Arbeitswelt: Workation. Viele Menschen haben bereits Erfahrungen mit diesem Mix Arbeit und Urlaub gemacht - etwa die Hälfte aller Menschen, deren Job das grundsätzlich erlaubt, laut einer aktuellen PwC-Untersuchung.
Prof. Dr. Florian Kunze berichtet Universität Konstanz allerdings von der Konstanzer Homeoffice Studie, einer regelmäßigen Befragung von 700 Erwerbspersonen. Hier beantworten 94 Prozent der Befragten, dass sie mobil ausschließlich von zu Hause und nicht an dritten Orten oder sogar im Ausland arbeiten. Dennoch: „Individuell betrachtet kann Workation für den einzelnen Mitarbeitenden durchaus Vorzüge in Bezug auf die individuelle Flexibilität und Autonomie bringen und sich demnach auch positiv auf das Wohlbefinden und die Produktivität auswirken.“ Zusätzlich könne durch die Kombination von Arbeit und Urlaub auch Stress reduziert und damit die Gesundheit der Mitarbeitenden gefördert werden. Andererseits bestehe auch die Gefahr, dass es zu einer starken Entgrenzung von Arbeit und Freizeit kommt und damit eher (psychische) Belastungen statt Entspannung für den Mitarbeitenden im Ausland entstehen.
Dr. Rüdiger Klatt, Institutsleiter am Forschungsinstitut für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention (FIAP), verweist zudem darauf, dass gut qualifizierte Beschäftigte in digitalen Arbeitsformen mit vielen Freiheitsgraden die Möglichkeit von Workation eher nutzen können. „Weniger gut qualifizierte Mitarbeiter werden benachteiligt, ‚Interaktionarbeiter‘ (z.B. in der Pflege) werden nahezu komplett ausgeschlossen.“ Er befürchtet nach dem ‚digital divide‘ nun den ‚remote work divide‘. „Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen in diesen Arbeitsfeldern daher durch die Unternehmen und Verbände die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung verbessert werden.“ Außerdem gelte es, in diesen Sektoren die Digitalisierungspotenziale auszugeschöpfen. Sie bilden die Voraussetzung dafür, den Anschluss an eine ortsunabhängigere Arbeitwelt nicht zu verlieren.
Für Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverbandes „Der Mittelstand. BVMW“ trägt Workation zur Weiterbildung und Horizonterweiterung der Angestellten bei, weshalb es allen Beschäftigten ermöglicht werden sollte. „Die Unternehmen sind bestrebt, dieses neue Arbeitsmodell umzusetzen, allerdings ist es für die meisten gerade nach der herausfordernden Corona-Pandemie finanziell nicht stemmbar. Deshalb ist staatliche Unterstützung notwendig.“ Denkbar wären aus seiner Sicht spezielle Förderprogramme, die von staatlicher Seite beispielsweise durch Zuschüsse für Reise- und Unterbringungskosten unterstützt werden. Auch Weiterbildungsangebote im Bereich digitaler Kompetenzen könnten dazu beitragen, dass Arbeitnehmer aller Einkommensgruppen von dieser Entwicklung profitieren.
Alexander Albert, Geschäftsführer des Vernabdes BCD Travel Germany, verweist auf die rechtlichen Probleme beim mobilen Arbeiten im Ausland. „Die Vereinfachung der Richtlinien für die Arbeitsbedingungen während einer Workation, insbesondere in Bezug auf Steuern, Sozialversicherung, Betriebsstättengründung und Arbeitsrecht, könnte mögliche rechtliche Probleme minimieren und eine bessere Balance zwischen Flexibilität und Compliance schaffen.“ Er plädiert daher für internationale Abkommen über grenzüberschreitende Workation, diese könnten die Zusammenarbeit zwischen Ländern bei der Regulierung und Besteuerung solcher Arbeitsmodelle erleichtern.
Rechtliche Probleme sieht Renate Anderl, Präsidentin Arbeiterkammer Wien/ Bundesarbeitskammer – denn: „Die Kombination von Arbeit und Urlaub ist durch das österreichische Urlaubsgesetz nicht gedeckt, auch europarechtliche Bedenken sind in höchstem Maße angebracht.“ Der Urlaub diene schlichtweg der Erholung, in dem ein durchgehender Freizeitblock zur Verfügung stehen müsse. Vor der Einführung neuer Arbeitsmodelle – und Workation wäre etwas völlig Neues – müsse das Wohl der Beschäftigten einbezogen werden – etwa in Fragen von Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz oder Arbeitspsychologie.
Auch Gewerkschafter Martin Müller vom ÖGB sieht Probleme in der mangelnden Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Was dürfe als Arbeitszeit gezählt werden?, und wieviel werde Urlaub verbraucht? „Greifen Urlaub und Arbeit zudem immer mehr ineinander kann sich die psychische Belastung bis hin zu einem Burn-out steigern. Aus unserer Sicht überwiegen ganz deutlich die Nachteile solcher Modelle.“ Er verweist auf Studien die zeigen, dass eine klare Trennung von Arbeitszeit und Freizeit dazu beitragen kann, dass sich Arbeitnehmer besser erholen und somit auch langfristig motivierter und leistungsfähiger bleiben. Zudem sei es wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Freizeit nutzen, um neue Energie und Inspiration zu sammeln, um dann wieder mit voller Kraft in den Arbeitsalltag zu starten.
Andererseits nennt für Dr. Jana-Denise Weber, Director bei PricewaterhouseCoopers, eine weitere Zahlen aus der eingangs erwähnten Studie - danach haben 81 % der Beschäftigten zwischen 18 und 39 Jahren angegeben, dass die Erlaubnis von Workation wichtig oder sehr wichtig bei der Wahl des Arbeitgebers ist. Auch in den Altersgruppen darüber sei es für die Mehrheit wichtig oder sehr wichtig. „Insofern sollten sich alle Unternehmen früher oder später mit den Vor- und Nachteilen auseinandersetzen, um im “War for talents” keine Nachteile zu erleiden, sondern ein solches Angebot gezielt zu nutzen, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und bestehende Mitarbeitende zu halten.“ Das gelte zumindest für solche Unternehmen, bei denen ein signifikanter Anteil der Belegschaft grundsätzlich mobil arbeiten kann.