Whistleblower sollen sich künftig sowohl an eine interne oder externe Meldestelle wenden dürfen. Wie wichtig ist die Wahlfreiheit aus Ihrer Sicht?
Die Wahlfreiheit des Whistleblowers zwischen interner und externer Meldung war das politisch am heftigsten umkämpfte Thema im Vorfeld der EU-Gesetzgebung zum Hinweisgeberschutz. Die EU-Kommission hatte noch eine Stufenfolge – zuerst intern, dann extern – vorgesehen, um die Belange des Unternehmens und der von der Meldung betroffenen Personen besser zu schützen. Gerechtfertigt wird die Wahlfreiheit mit möglicherweise verbleibenden Ängsten von Hinweisgebern. Auch wenn sie gesetzlich geschützt seien, könnten sie bei interner Meldung Vergeltungsmaßnahmen des eigenen Unternehmens bzw. von Vorgesetzten und Kollegen fürchten. Zugleich wird auf empirische Belege verwiesen, nach denen ohnehin die überwältigende Mehrheit zunächst intern melden würde. Dieser Befund spricht nach meiner Ansicht indes eher dafür, dass die nunmehr vorgesehene Wahlfreiheit – gerade auch im Hinblick auf die schützenswerten Gegeninteressen – verzichtbar gewesen wäre. Immerhin schafft sie Anreize, die internen Meldesysteme möglichst attraktiv auszugestalten, damit Hinweisgeber nicht sogleich extern melden.
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Langfristig sollen alle Unternehmen und Verwaltungen mit mehr als 50 Beschäftigten eine interne Meldestelle haben. Wie bewerten Sie diese Grenze – auch hinsichtlich der Aufwände, die auf die kleineren Beschäftigungsgeber zukommen?
Für kleinere Beschäftigungsgeber bedeutet die Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle eine vergleichsweise hohe Belastung. Allerdings dürfen sich private Beschäftigungsgeber mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 50 und 249 zusammentun und eine gemeinsame Meldestelle einrichten und betreiben. Dies erscheint aus gegenwärtiger Sicht ein gangbarer Weg, um die mit der Regelung verbundenen Kosten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich in der praktischen Umsetzung Probleme zeigen, die kleine Unternehmen gleichwohl zur kostspieligen Errichtung und Unterhaltung eigener Meldestellen bewegen. Dann sollte der EU-Gesetzgeber ernsthaft erwägen, die Beschäftigtenzahl für die Anwendung der Einrichtungs- und Betriebspflicht von Meldestellen heraufzusetzen.
Geschützt sollen auch unzutreffende Meldungen sein, nicht aber vorsätzliche falsche. Wie bewerten Sie diese geplante Regelung?
Diese Regelung stellt einen angemessenen Schutz des Hinweisgebers dar. Er soll nicht mit dem Risiko belastet werden, dass sich sein begründeter Verdacht eines Rechtsverstoßes im Nachhinein als unzutreffend erweist. Schon bei grober Fahrlässigkeit haftet der Hinweisgeber indes auf Schadensersatz. Gibt er wissentlich unzutreffende Informationen an die Öffentlichkeit droht ihm sogar ein Bußgeld. Auch das ist angemessen. Mit Blick auf die von der Meldung betroffenen Personen muss ein gewisses Maß an Sorgfalt vom Hinweisgeber verlangt werden. Wissentlich falsche Meldungen sind überhaupt nicht schutzwürdig. Sie schaden nicht nur den zu Unrecht Verdächtigten und dem betroffenen Unternehmen, sondern verschwenden im Rahmen der Bearbeitung solcher missbräuchlicher Meldungen auch wertvolle Ressourcen von Unternehmen und Behörden.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einem endgültigen Hinweisgeberschutzgesetz stehen – und was keinesfalls?
Die neue Hinweisgeberschutzregulierung will ein Umfeld fördern, in dem mehr potenzielle Hinweisgeber tatsächlich Meldung machen. Hierfür sieht sie allerdings allein den Schutz vor drohenden Vergeltungsmaßnahmen vor. Dagegen wurde die Chance verpasst, die Meldebereitschaft auch durch Belohnungsregeln zu fördern. Wir sehen in den USA, wo solche finanziellen Anreize schon seit langer Zeit gewährt werden, dass dieses Instrument sehr gut funktioniert. Bei klugem Einsatz von Sicherungsmechanismen kann man auch die befürchtete Flut missbräuchlicher Meldungen relativ sicher verhindern. Ich hoffe, dass eine solche Ergänzung des Reglements um finanzielle Anreize bei der nächsten Reform des Hinweisgeberrechts ernsthaft angegangen wird.
Unbedingt zu vermeiden sind zwei Dinge: Zum einen sollte dem Ruf nach Ausweitung des Hinweisgeberschutzes auch auf die Meldung von bloßem „Fehlverhalten“, das nicht rechtswidrig ist, aber dessen Meldung gleichwohl „im öffentlichen Interesse“ liege, nicht nachgegeben werden. Wann ein rechtmäßiges (!) Verhalten „gegen das öffentliche Interesse“ verstößt, „anstößig“ oder „unethisch“ ist, liegt allzu häufig im Auge des Betrachters. Die Rückbindung an das „öffentliche Interesse“ kann nicht verhindern, dass hier möglicherweise politischem Aktivismus die Tür zum Hinweisgeberschutz geöffnet würde. Hinweisgeberschutz sollte vielmehr bleiben, was es ist: Ein Mittel zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung durch Aufdeckung von Rechtsverstößen! Für alles andere reicht der Schutz, den die Meinungsäußerungsfreiheit gewährt, völlig aus.
Zum anderen sollten die hohen Hürden, die das neue Hinweisgeberschutzgesetz für einen direkten Gang an die Öffentlichkeit – also an den internen und externen Meldestellen vorbei – vorsieht, keinesfalls aufgeweicht werden. Das Gesetz ist dem Hinweisgeber im Rahmen der Abwägung zwischen den Belangen des Hinweisgebers einerseits und denen der von der Meldung betroffenen Personen andererseits schon sehr weit entgegengekommen. Eine noch stärkere Ausweitung des Schutzes zu Lasten der verdächtigten Personen und der betroffenen Unternehmen dürfte diesen kaum noch zuzumuten sein. Es stellte sich dann ernsthaft die Frage nach einem unverhältnismäßigen Eingriff in deren Grundrechte.