Whistleblower sollen sich künftig sowohl an interne oder externe Meldestelle werden dürfen. Wie wichtig ist die Wahlfreiheit aus Ihrer Sicht?
Die Wahlfreiheit ist aus praktischer Sicht für den redlichen Hinweisgeber kaum relevant. Sowohl meine Erfahrung als externer Ombudsmann, als auch wissenschaftliche Studien zeigen, dass es dem Hinweisgeber darum geht, dass die von ihm gemeldeten Missstände abgestellt werden. Langwierige Verfahren über ferne Behörden helfen da nicht. Dafür ist der richtige Weg eine Meldung bei der Ombudsstelle des betroffenen Unternehmens. Angesichts der Überlastungen bei Behörden ist nicht zu erwarten, dass diese eine ordnungsgemäße Bearbeitung von Meldungen gewährleisten können. Dies hat das Desaster bei der FIU beeindruckend unter Beweis gestellt. Somit wird die Meldung bei der externen Meldestelle für den unredlichem Hinweisgeber zu einem Freifahrtschein, um sich nach zu erwartender Nichtbearbeitung an die Öffentlichkeit zu wenden
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Langfristig sollen alle Unternehmen und Verwaltungen mit mehr als 50 Beschäftigten eine interne Meldestelle haben. Wie bewerten Sie diese Grenze - auch hinsichtlich der Aufwände, die auf die kleineren Beschäftigungsgeber zukommen?
Diese Grenze ist recht niedrig gesetzt und nicht hilfreich. Zum einen gibt es Unternehmen – etwa aus dem Finanzbereich – die mit weniger als 50 Mitarbeitern Umsätze im hohen 3-stelligen Millionenbereich oder gar Milliarden generieren, womit natürlich ein hohes Compliancerisiko einhergeht. Zum anderen gibt es viele mittelständische Unternehmen mit einigen 100 Mitarbeitern, von denen nur geringe Risiken ausgehen. Gleichwohl ist es schwierig, eine sinnvolle Grenze zu ziehen, meines Erachtens sollte diese bei 100 bis 200 Mitarbeitern liegen.
Geschützt sollen auch unzutreffende Meldungen sein, nicht aber vorsätzlich falsche. Wie bewerten Sie diese geplante Regelung?
In einem Rechtsstaat muss es selbstverständlich sein, dass vorsätzlich falsche Meldungen keinem Schutz unterliegen. Leider ist die derzeitige Regelung im Hinblick auf fahrlässig falsche Meldungen unzulänglich und verkehrt die Schutzmaßnahmen. Der Gesetzgeber hat völlig außer Acht gelassen, dass auch fahrlässig falsche Meldungen für ein betroffenes Unternehmen verheerende Auswirkungen haben können. Angesichts der massiven globalen Shitstorms können nur wenige leichtfertig dahingesagte Äußerungen ein Unternehmen an den Rand des Ruins bringen. Gerade mittelständische Unternehmen können sich dagegen kaum zur Wehr setzen. Hier sind die Täter-Opferrelationen völlig verschoben. Hilfreich wäre es, auch dem Hinweisgeber eine Prüfpflicht im Hinblick auf seine Meldungen aufzuerlegen. Sofern sich dies an seinen Fähigkeiten und Kompetenzen und der Art und Weise des gemeldeten Verdachtes orientiert, ist dies durchaus zumutbar.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einem endgültigen Hinweisgeberschutzgesetz stehen - und was keinesfalls?
Ich halte den Schutz für redliche Hinweisgeber für besonders wichtig. Gut funktionierende Hinweisgebersysteme sind für Unternehmen, gerade Mittelstand wichtig und werden von diesen auch positiv wahrgenommen. Umso bedauerlicher ist, dass das Gesetz einen sachgerechten Schutz der Hinweisgeber gerade verhindert. Zugleich fehlt es auch an einen sachgerechten Schutzkonzept für Unternehmen vor Falschmeldungen.
Ein großes Problem ist der maßlose Anwendungsbereich für alle straf- und bußgeldbewehrten Verstöße, dies muss massiv reduziert werden. Mit der derzeitigen Regelung wird ein Monster geschaffen, sogar das Parken eines Mitarbeiters im Halteverbot als Ordnungswidrigkeit würde in den Anwendungsbereich fallen.
Dies wird noch stärker ausgeweitet durch die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinschG-E wonach nicht nur rechtswidrige, sondern auch “missbräuchliche Praktiken“, also Handlungen, die in formaler Hinsicht nicht rechtswidrig sind, aber dem Ziel oder dem Zweck einer Regelungen zuwiderlaufen in den Anwendungsbereich fallen sollen. Hierbei handelt es sich um einen völlig unbestimmten Rechtsbegriff, der Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Ausgesprochen irritierend ist die Regelung in § 11 zur Dokumentationspflicht der Hinweise. Dies hat keinerlei positiven praktischen Effekt und gefährdet die Anonymität des Hinweisgebers. Es drängt sich der Verdacht auf, dass damit parallelen oder nachlaufenden behördlichen Ermittlungen die Arbeit erleichtert werden soll.
Die Dokumentationspflicht steht auch im Widerspruch zur Löschpflicht nach zwei Jahren. Kommt es zu einem Prozess mit einem Hinweisgeber ist das Unternehmen im Prozess zu Unrecht benachteiligt, wenn es auf länger zurückliegende Dokumente nicht zurückgreifen kann. Auch aus Sicht der Compliancepraxis ist eine solche Pflicht negativ zu bewerten. Denn es kommt gelegentlich vor, dass zu einem konkreten Sachverhalt über einen längeren Zeitraum verschiedene Meldungen eingehen, die nicht immer ausreichend substantiiert sind und erst das nach mehreren Meldungen eine Aufklärung des Sachverhaltes und Abstellung kritischer Verhaltensweisen möglich wird.
Es hätte auch nahe gelegen, dass der Gesetzgeber angesichts verschiedener Regelungen zu Hinweisgeberstellen in anderen Gesetzen (LksG, ArbSchG, GeschG, GwG, KWG, WpHG, VAG, BörsG, WPO, KAGB) eine einheitliche Regelung schafft. Leider wurde dies unterlassen.