Whistleblower sollen sich künftig sowohl an interne oder externe Meldestellen wenden dürfen. Wie wichtig ist die Wahlfreiheit aus Ihrer Sicht?
Wir halten die Wahlfreiheit für sehr wichtig, da es völlig von den einzelnen Betrieben abhängig ist, wie effektiv der interne Meldekanal gegen die gemeldeten Verstöße vorgeht. Zudem ist Schutz je nach den Umständen nur extern zu erhalten. Es sind auch Fälle denkbar, in denen eine interne Meldung sinnlos ist (bspw. wenn die in der Meldestelle Beschäftigten am Verstoß beteiligt sind), hier muss eine externe Meldung möglich und Schutz gewährleistet sein.
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Langfristig sollen alle Unternehmen und Verwaltungen mit mehr als 50 Beschäftigten eine interne Meldestelle haben. Wie bewerten Sie diese Grenze - auch hinsichtlich der Aufwände, die auf die kleineren Beschäftigungsgeber zukommen?
Die Aufwände lohnen sich langfristig u.E. auch für kleinere Unternehmen, da so Verstöße früher erkannt und verhindert werden können, wodurch Bußgelder und Reputationsschäden vermieden werden, die bei kleineren Unternehmen proportional größeren Schaden anrichten können. Außerdem sind die Abhängigkeit vom Arbeitgeber und die damit einhergehenden Hemmungen Verstöße extern zu melden bei kleineren Unternehmen gegebenenfalls sogar größer, weshalb ein effektiver interner Meldekanal auch das Schutzniveau für die Hinweisgeber erhöht.
Geschützt sollen auch unzutreffende Meldungen sein, nicht aber vorsätzlich falsche. Wie bewerten Sie diese geplante Regelung?
Dies halten wir für richtig, da Hinweisgeber in den meisten Fällen keine ausreichenden Recherchemöglichkeiten haben, um den Rechtverstoß zweifelsfrei zu belegen und sich zudem in weitere Gefahr bringen könnten. Guter Glaube und Willen zur Einhaltung der Rechtsordnung muss daher für die Schutzwürdigkeit ausreichen. Vorsätzlich falsche Meldungen zum Schaden des Unternehmens sind dagegen nicht schutzwürdig, da sie weder zum Erhalt der Rechtsordnung beitragen noch dies überhaupt gewollt ist.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einem endgültigen Hinweisgeberschutzgesetz stehen - und was keinesfalls?
Keinesfalls sollten die Regelungen erhalten werden, welche zur sekundären Bearbeitung anonymer Meldungen verpflichten. Dies kann dazu führen, dass anonyme Meldungen zu schwerwiegenden Rechtsverstößen erst mit extremer Verzögerung bearbeitet werden und diese Rechtsverstöße folglich länger aufrechterhalten werden als notwendig. Vor dem Sinn und Zweck des Gesetzes erscheint diese Regelung daher sinnwidrig, insbesondere da bei schwerwiegenderen Verstößen aufgrund der höheren Risiken für den Hinweisgeber eine anonyme Meldung wahrscheinlicher ist.
Auch die Beschränkung des Anwendungsbereich bei Verschlusssachen jeglicher Art und Informationen nationaler Sicherheit ist aus unserer Sicht verkürzt. Selbstverständlich sind aufgrund der Implikationen hier höhere Anforderungen zu stellen, eine absolute Herausnahme führt hier jedoch zu einer völligen Schutzlosigkeit. Dies ist insbesondere aufgrund der doch recht willkürlichen Möglichkeiten zur Einstufung als Verschlusssache und der Unbestimmtheit des Rechtbegriffs „nationale Sicherheit“ kaum zu rechtfertigen. Gerade in diesen Bereichen kann es zu erheblichen Grundrechtseingriffen kommen, die so niemals geschützt offengelegt werden können. Eine genauere Abwägung wäre hier wünschenswert.
Hinzugefügt werden sollte darüber hinaus die Möglichkeit nicht bloß Rechtsverstöße zu melden, sondern auch Missstände, d.h. Zustände, in denen Rechtslücken bestehen und/oder Grundrechte gefährdet sind. Weiterhin sollten wie beispielsweise in den USA Belohnungen für Hinweisgeber unter bestimmten Umständen möglich sein, die aus den Bußgeldern prozentual berechnet werden oder von den Unternehmen selbst kommen könnten.