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Wie bekommen wir mehr Nachrichtenkompetenz im Netz

Wie Nutzer besser mit digitalen Informationen umgehen können

Uwe Schimunek, Freier Journalist Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 07.09.2022

Eine Studie der Stiftung Neue Verantwortung kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die digitale Nachrichtenkompetenz mit dem Alter sinkt. Dabei habe die Nachrichten- und Informationskompetenz der Bevölkerung in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und sei zu einem kritischen Faktor für Demokratien geworden. Deswegen „müssen wir Medienbildung stets entlang der gesamten Bildungskette denken. Dabei müssen wir alle erwachsenen Menschen mitnehmen und sie im Umgang mit digitalen Medien befähigen“, sagt Dr. Friederike von Gross, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in der Fachdebatte auf Meinungsbarometer.info. Dabei gelte es stets soziale, politische, ethische und kulturelle Aspekte einzubeziehen. Sie hält insbesondere Methodenvielfalt für unbedingt sinnvoll. Reine Informationsvermittlung – z.B. über Flyer, Broschüren oder statische Webangebote – sei alleine nicht zielführend. Eine aktive, reflektierende Auseinandersetzung finde so in der Regel selten satt. Gebe es jedoch einen spielerischen, interaktiven und handlungsorientierten Umgang mit Fragen der Nachrichten- und Medienkompetenz, führe dies zu einem besseren Verständnis und dazu, dass Medien auch aktiv zur Gestaltung der eigenen Lebenswelt genutzt werden können.

Dennis Walter, Direktor des österreichischen Bundesinstitutes für Erwachsenenbildung (bifeb) findet den Befund der Studie „Quelle:Internet“? dahingehend spannend, dass der Erwerb von Medienkompetenz – immer noch – häufig ausschließlich im Kontext von schulischer Bildung diskutiert und verhandelt werde. „Derlei Forschungsergebnisse untermauern jedoch den Stellenwert einer qualitativ hochwertigen und staatlich geförderten Bildung über die gesamte Lebensspanne hinweg, womit insbesondere die „vierte Säule“ des Bildungssystems – die Erwachsenenbildung – angesprochen ist.“ Dazu passe, dass digitale und technologiebasierte Kompetenzen zu den acht Schlüsselkompetenzen des europäischen Kompetenzrahmens für Lebenslangen Lernen der Europäischen Kommission gehören. Dezidierte Weiterbildungsangebote für Erwachsene zur Verbesserung der eigenen Medienkompetenzen – darunter fällt auch die digitale Nachrichtenkompetenz – wie auch im weiteren Sinne der politischen Bildung seien ein wichtiger Pfeiler für unsere demokratische und auf wissenschaftlicher Ratio basierende Wissensgesellschaft.

Prof. Dr. phil. Thomas Merz, Prorektor Forschung und Wissensmanagement an der Pädagogischen Hochschule Thurgau sieht eine der zentralen Herausforderungen der Medienentwicklung in der immer raschere Veränderung. "Während die Gesellschaft beim Buchdruck noch Jahrhunderte Zeit hatte, um einen konstruktiven Umgang mit dem geschriebenen Wort hatte, erfolgen die Veränderungen und Weiterentwicklungen heute sehr viel schneller. Wir werden uns daher im Verlauf des Lebens immer weniger auf die Schule bzw. das in der Schule Gelernte verlassen können." Bereits Ende des 20. Jahrhunderts sei daher das Postulat lebenslangen Lernens propagiert worden. Mit fortschreitender Entwicklung werde dies immer wichtiger. Das bedeutet aus Sicht des Forschers, dass verstärkt auch Erwachsene in jedem Alter in ihrer stetigen Weiterbildung gefordert sind.

Für Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) und Medienkompetenzbeauftragter der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten ist die Förderung der Nachrichten- und Informationskompetenz ein Bestandteil der Medienkompetenzförderung. Diese solle entlang der gesamten Bildungskette, also in der Kita, in der Schule, der Jugendarbeit und der Jugendhilfe, der Erwachsenenbildung sowie der Familien- und Seniorenarbeit, Medienbildungsmaßnamen angeboten werden. Hierbei seien viele Fachleute in den Ländern, aber auch bundesweit aktiv. „Die Landesmedienanstalten binden sich mit ihren Angeboten aktiv in die Netzwerke ein.“ Im Fazit wurden und werden aus seiner Sicht viele Weichen gestellt, wobei die adäquate Umsetzung der Maßnahmen eine ständige Herausforderung darstelle. Hauptaufgabe sei es, mit den Maßnahmen in die Fläche zu gelangen.

Barbara Schleihagen, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbandes verweist darauf, dass die Studie anregt, die Angebote von Volkshochschulen und Bibliotheken in Richtung digitaler Nachrichten und Informationskompetenz auszubauen. „Seit Jahren erweitern Bibliotheken ihre digitalen Bestände, um einen umfassenden Zugang zu Informationen unabhängig vom Medienformat zu bieten. Zugleich bauen sie ihre Schulungsangebote aus, um auch die Nutzung digitaler Medien zu unterstützen und die Infomationskompetenz zu stärken.“ Bibliotheken richten sich nach ihren Angaben auch gezielt an die Älteren. Sie nennt in diesem Zusammenhang etwa die Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes „Digital-Kompass“ mit der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und Deutschland sicher im Netz e.V.. „Bibliotheken gehören hier zu den mehr als 100 Standorten, in denen Internetlotsen ältere Menschen dabei unterstützen, digitale Angebote selbst auszuprobieren.“

Prof. Dr. Stefan Aufenanger von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sieht in Sachen kritischen Umgang mit den verschiedenen Quellen im Netz den Umgang mit Informationen in den verschiedenen Medien – egal ob Zeitschriften, Fernsehen oder in den sozialen Medien – als eine wichtige pädagogische Aufgabe, die am besten in Form von praktischen Projekten vermittelt werden kann. „So ist etwa ein Vergleich verschiedener Quellen einer Nachricht ein wichtiger Zugang. In der Vermittlung solcher Kompetenzen muss es darum gehen, die Seriosität von Quellen beurteilen zu können.“ Dies bedeute etwa, mehr dazu zu wissen, wie Nachrichten produziert werden und welche Produktionsbedingungen dabei herrschen. Auf der anderen Seite sollten aus seiner Sicht Medien aber auch Verantwortung zeigen, indem die Angaben zu den Quellen transparent und nachvollziehbar gemacht werden.

Katrin Andres von der SAPIA GmbH – eine führende Institution für Medienpsychologie der Zentralschweiz – sieht beim Themen-Komplex der Desinformation und schwer erkennbarer Werbung, dass zielgruppengerechte Strategien zur Prüfung von Medialen Inhalten entwickelt werden müssen. Diese Kompetenzen sollten Zielgruppen-gerecht aufbereitet und vermittelt werden. Auch hier werde es entsprechend keine einfachen Rezepte geben, die flächendeckend angewandt werden können. „Vielmehr ist der Erfolg von Initiativen zur Förderung von Medienkompetenz umso erfolgsversprechender, je passgenauer die Inhalte und die Kommunikation auf einzelne Gruppen zugeschnitten werden.“

Medienkompetenz - und damit verbunden auch politische Bildung im umfassenden Sinn – begreift Daniel Frei, Präsident des Verbandes Elternbildung CH, als lebenslanges Lernen begriffen werden und als Schlüsselkompetenzen in einer modernen, demokratischen, marktwirtschaftlich organisierten Informationsgesellschaft. Es reiche nicht mehr, diese als Nebenprodukt der klassischen Ausbildung und Bildung zu betrachten, sondern sie brauchen einen eigenen Stellenwert. „Der Staat steht diesbezüglich besonders in der Verantwortung, weil es letztlich um ein öffentliches Interesse geht. Er kann und soll aber nicht alles selber machen; es braucht ebenso private Akteure, die sich einbringen, bspw. Bildungsorganisationen, Präventionsstellen, Erwachsenenbildung, Elternbildung usw.“

Helmut Klaßen, Bundesvorsitzender des Bundesarbeitskreises Lehrerbildung fordert von der Politik und insbesondere Bildungspolitik endlich zu verstehen, dass es nicht genüge, über einen DigitalPakt Infrastruktur in Schule zu installieren, „sondern dass es eine Förderung von zeitlichen Ressourcen bedarf, um sich mit der digitalen Welt sinnvoll und konstruktiv auseinandersetzen zu können.“ Die KMK -Empfehlung zum „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ sei hier ein sehr guter Ansatz. Leider seien das nur Empfehlungen, welche aufgrund von Sparmaßnahmen kaum Umsetzung finden würden. „Solange Politik und Gesellschaft nicht bereit sind, in die wertvolle Ressource „Bildung“ deutliche stärker monetär in Personalentwicklung zu investieren, müssen wir nicht über Qualität sprechen.“

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