Die EU will einen Europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile eines solchen?
Das wichtigste Ziel ist die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten. Wenn sie im Urlaub oder im grenzüberschreitenden Alltag spüren, dass ihre Gesundheitsversorgung sich verbessert, dann waren wir erfolgreich. Einerseits werden die Patientinnen und Patienten das erleben, wenn sie außerhalb ihres eigenen Gesundheitssystems versorgt werden. In Zukunft werden sie und die sie versorgenden Gesundheitsexpertinnen und –experten auf alle relevanten Gesundheitsdaten grenzüberschreitend zugreifen können. Das wird bald so normal sein, wie, dass ich im Ausland mit meiner Bankkarte zahlen kann.
Darüber hinaus müssen wir es schaffen, unsere europaweiten Daten für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung zu nutzen. Dafür benötigen wir eine hohe Datenqualität und die Daten müssen zusammengebracht werden sowie gut vergleichbar sein. Dann werden wir durch den Vergleich mehr über die Gesundheitsversorgung lernen. Politische Entscheidungen im Gesundheitsbereich werden besser, neue Gesundheitsdienstleistungen können entwickelt werden und die Qualität der Versorgung nimmt zu. Wir müssen aber klare Regeln, wer mit den gesammelten Gesundheitsdaten was tun darf. Wenn Unternehmen die Daten für die Entwicklung neuer Angebote nutzen und dabei Gewinne erwirtschaften, sollte die Allgemeinheit davon finanziell profitieren. Sie hat die Daten ja zur Verfügung gestellt.
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Welche technischen Hürden sind für einen gemeinsamen Gesundheitsdatenraum zu
überwinden?
Es ist eine immense Herausforderung, die technischen Systeme von 27 EU-Mitgliedstaaten zusammenzubringen. Die Länder sind unterschiedlich weit entwickelt, wenn es um elektronische Gesundheitsdaten und ihre Nutzung geht. Manche sind hier schon längst im 21. Jahrhundert angekommen. Andere beginnen gerade erst mit Entwicklungen. Deutschland steckt irgendwo dazwischen.
Der Bundesgesundheitsminister hat zurecht das Ziel ausgegeben, dass alle Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten, es sei denn, sie widersprechen. So kann sich die ePA in Deutschland flächendeckend etablieren. Wichtig ist, dass die ePA auch regelmäßig von Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken und anderen Leistungserbringern befüllt wird.
Für die Versicherten müssen die ePA und ihre Anwendungen gut zu verstehen und einfach zu bedienen sein. Für diesen Teil der Herausforderung ist jedes Land natürlich selbst zuständig. Nur wenn das gelingt, können die Daten europaweit ausgetauscht werden. Dabei müssen die nationalen Systeme und ihre technischen Gegebenheiten respektiert werden. Die neuen europäischen Regeln, die gerade in Brüssel entstehen, müssen die Arbeiten in den Mitgliedstaaten unterstützen und stärken.
Welche Herausforderungen sehen Sie insbesondere in Sachen Datenschutz und IT-Sicherheit?
Aus Sicht der Patientinnen und Patienten ist es eine zentrale Datenschutzherausforderung, dass sie weiter Herr ihrer Daten bleiben müssen. Für die Gesundheitsversorgung muss ich grenzüberschreitend entscheiden können, welche Daten ein Gesundheitsdienstleister von mir sehen darf. Bei der Nutzung meiner Daten für wissenschaftliche Zwecke oder für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Produkten darf ein Rückschluss auf meine Person nicht möglich sein. Eine sichere europaweite Dateninfrastruktur ist dafür die Voraussetzung.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt in einem endgültigen Regelwerk stehen - und was auf keinen Fall?
Die Mitgliedstaaten müssen die Vorgaben für den Europäischen Gesundheitsdatenraum umsetzen. Es ist wichtig, dass sie verbindlich mit einbezogen werden, wenn dazu die technischen Details in Brüssel festgelegt werden. Dafür muss das verbindliche Prüfungsverfahren aus Artikel 5 der Verordnung (EU) 182/2011 verwendet werden, nicht das unverbindliche Beratungsverfahren nach Artikel 4, wie es bisher in den Entwürfen vorgesehen ist. Das klingt nach Verwaltungsdetails, ist aber elementar, damit die Systeme der Mitgliedstaaten im Europäischen Gesundheitsdatenraum tatsächlich gut zueinander passen.
Wichtig ist auch, dass die bereits in den Mitgliedstaaten zugelassenen ePAs, die in Deutschland zum Beispiel von den Krankenkassen angeboten werden, nach Einführung der neuen Verordnung weiter betrieben werden dürfen. Hier sollte die Europäische Union die etablierte Zusammenarbeit zwischen den Versicherten und den Krankenkassen stärken und auf dem aufsetzen, was wir schon erreicht haben. Der Wechsel auf internationale Anbieter ist hier unnötig und sollte vermieden werden. Dafür muss die vorgeschlagene Verordnung noch ergänzt werden.