Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Neue Medikamente durch internationalen Datenaustausch

Über Daten-Silos, Standards für Quellen und Verschreibungen auf Papier

Fiona Maini - Principal Global Compliance and Strategy Manager, Medidata Quelle: Medidata Fiona Maini Principal Global Compliance and Strategy Manager Medidata 12.05.2023
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Die Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, EHDS) bringt sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesundheitsbranche eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich", ist Fiona Maini von Medidata überzeugt. Das Unternehmen entwickelt und vermarktet Software als Dienstleistung für klinische Studien.







Die EU will einen Europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile eines solchen?
Die Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, EHDS) bringt sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesundheitsbranche eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich.

Der größte Vorteil für den Einzelnen besteht darin, einen einfachen Zugang zu den individuellen Gesundheitsdaten zu bekommen. Diese Daten können dann zwischen den Gesundheitssystemen der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Wenn Sie zum Beispiel innerhalb der EU reisen, können so medizinische Fachkräfte eines jeden Landes schnell und einfach auf Ihre Gesundheitsdaten zugreifen. Das ist besonders wichtig, falls ein medizinischer Notfall vorliegt oder man einen Einblick in Ihre Verschreibungsdaten braucht, wenn Sie unterwegs neue Medikamente benötigen.

Für die Industrie im Allgemeinen würde das neue System die Nutzung von Daten für medizinische Erkenntnisse erleichtern und Forschern Zugang zu einem viel größeren Daten-Pool verschaffen. Dies würde noch mehr Möglichkeiten für bedeutende Entdeckungen eröffnen, die die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigen könnten. Derzeit liegen die meisten Gesundheitsdaten in Silos vor, und viele Daten werden in verschiedenen klinischen Studien mehrfach erfasst, was ihr Potenzial schmälert und zu Ineffizienzen führt. Der EHDS würde so auch die Zusammenarbeit innerhalb der Industrie für klinische Studien fördern, was zu mehr Innovation und schlussendlich zu besseren Ergebnissen für die Patienten führen könnte. Ein weiterer Vorteil des damit einhergehenden zeitnahen und sicheren Datenaustauschs besteht darin, dass die Gesundheitsorgane Trends und Krankheitsausbrüche überwachen und so schneller und wirksamer auf Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit reagieren könnten.

JETZT HERUNTERLADEN

DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE

DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT

alle Debattenbeiträge ungekürzt im Original
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
MEHR ERFAHREN


Wie schätzen Sie die unterschiedlichen Voraussetzungen in den verschiedenen europäischen Ländern / GB ein?
Einige EU-Mitgliedstaaten haben beim Austausch und der Nutzung von Gesundheitsdaten bereits erhebliche Fortschritte gemacht, diesen Prozess zu vereinfachen. Andere Länder sind noch dabei, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen, wie zum Beispiel Patientenübersichten zu erstellen und Dienstleistungen für E-Rezepte einzurichten. Elf Mitgliedsländer sind immer noch auf Papierausdrucke für Verschreibungen angewiesen. Außerdem gibt es derzeit nur eine begrenzte Anzahl von Ländern, die die grenzüberschreitende Übermittlung von Gesundheitsdaten zulassen, was natürlich ein Schlüsselelement des EHDS ist.

Wenn wir also darüber sprechen, wie gut einzelne Länder auf den EHDS vorbereitet sind, dann sind einige schon weiter damit vorangeschritten, eine solche einheitliche Datenplattform in ihr Gesundheitssystem einzubinden als andere. So verfügt beispielsweise Großbritannien (obwohl es nicht mehr zur EU gehört) mit dem National Health System (NHS) bereits über einen riesigen einheitlichen Datenspeicher. Einige andere Länder haben Behörden für den Zugang zu Gesundheitsdaten eingerichtet, wie Findata in Frankreich und die Forschungsdatenzentren in Deutschland. Folglich wären diese Länder in der Lage, eine andere Plattform schneller zu integrieren als Länder mit uneinheitlichen Systemen oder ohne eine einheitliche nationale Gesundheitsdatenbank.

Welche technischen Hürden sind für einen gemeinsamen Gesundheitsdatenraum zu überwinden?
Die größte Herausforderung bei der Datenverwaltung besteht in der Integration einer großen Anzahl von Datenquellen aus unterschiedlichen Gesundheitssystemen. Zudem ist eine Standardisierung der Sprache für alle diese Quellen notwendig, um sicherzustellen, dass sie auf die gleiche Weise interpretiert und analysiert werden können. Darüber hinaus müssten Länder, die noch sehr von Gesundheitsakten in Papierform abhängen, erhebliche Digitalisierungsanstrengungen unternehmen, um auf den EHDS zugreifen zu können.

Welche Herausforderungen sehen Sie insbesondere in Sachen Datenschutz und IT-Sicherheit?
Natürlich muss sichergestellt werden, dass die Patientendaten gemäß den bestehenden Vorschriften wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geschützt werden, um eine sichere Speicherung zu gewährleisten. Da es sich bei Gesundheitsdaten um hochsensible Daten handelt, muss es ein äußerst zuverlässiges System zur Anonymisierung von Patientendaten geben, bevor diese für sekundäre Zwecke, wie zur klinischen Forschung, weitergegeben werden. All dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit führenden Vertretern des Datenschutzes und der Cybersicherheit in ganz Europa.

Aus der Sicht der Patienten ist es wichtig, dass die Datenschutzprozesse transparent sind. Die Bürger müssen also wissen, wie ihre Daten verwendet werden, wer Zugang zu ihnen hat und zu welchem Zweck. Wenn die Menschen darauf vertrauen, dass ihre Daten sicher, ethisch korrekt und gesetzeskonform verarbeitet werden, sind sie eher bereit, sich an dieser Art von Datenaustausch zu beteiligen.

Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt in einem endgültigen Regelwerk stehen - und was auf keinen Fall?
Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit dem EHDS stellt, ist, zu welchem Zeitpunkt Daten aus klinischen Studien und der Forschung in das System integriert werden und wie viele Daten einbezogen werden sollten. Ebenso bleibt abzuwarten, ob die Daten sowohl in die einzelnen landesinternen beziehungsweise länderspezifischen Systeme als auch in das EHDS hochgeladen werden sollen, was sehr arbeitsintensiv wäre, oder ob die Daten aus diesen individuellen Systemen automatisch in das EHDS übernommen werden können. Hierfür müssten stabile Mechanismen vorhanden sein, die es ermöglichen, fehlerhafte Daten zu entfernen und Daten bei Bedarf zu ändern.

Um auf die potenziellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Datensicherheit und dem Datenschutz zurückzukommen: hier müssten ebenfalls detaillierte Rahmenregelungen etabliert werden. Diese sollten zum Beispiel klären, wie Anträge auf Zugang zu den im EHDS gespeicherten Daten bewertet werden und welche spezifischen Anforderungen Dateninhaber und Nutzer erfüllen müssen, bevor sie Zugang zu diesen Daten erhalten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der EHDS mit anderen Rechtsvorschriften wie der DSGVO, der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) und der KI-Verordnung in Einklang gebracht wird, um EU-weit Konsistenz zu gewährleisten.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Lukas Stärker
Kammeramtsdirektor
Österreichische Ärztekammer

Dr. Lukas Stärker - Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer
Gesundheit | Daten-Wirtschaft

Viele Hürden aber auch Chancen beim ■ ■ ■

Was bei den endgültigen Regeln besonders wichtig ist

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Lukas Stärker
Kammeramtsdirektor
Österreichische Ärztekammer

WERBUNG

EMPFEHLUNGEN FÜR ENTSCHEIDER

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Ulf Schinke
Referatsleiter Selbstverwaltung, Internationales, DVKA
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)

Ulf Schinke - Referatsleiter Selbstverwaltung, Internationales, DVKA beim Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)
Gesundheit | Daten-Wirtschaft

Welche Teufel in den ■ ■ ■

Wie die Versicherten aus Sicht der Ersatzkassen ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Ulf Schinke
Referatsleiter Selbstverwaltung, Internationales, DVKA
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Mag. Philipp Lindinger
Geschäftsführer
AUSTROMED Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen

Mag. Philipp Lindinger - Geschäftsführer, AUSTROMED Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen
Gesundheit | Daten-Wirtschaft

Eine neue Ära des Austauschs von ■ ■ ■

Was der EU-Gesundheitsdatenraum bringen kann - ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Mag. Philipp Lindinger
Geschäftsführer
AUSTROMED Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.