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Wann betriebliches Gesundheitsmanagement funktioniert

Und wie man Digitalarbeit beschäftigtenfreundlich organisieren kann

Hinrich Gehrken, Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität Quelle: Klaus Peter Wittemann/kpw-photo Hinrich Gehrken Wissenschaftlicher Mitarbeiter Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) 18.10.2021
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsinhalten und Arbeitsabläufen spielt für das Wohlbefinden in der Arbeit eine zentrale Rolle", sagt Hinrich Gehrken vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI). Digitalarbeit kann zu Stress oder Burnout führen. Es gibt aber auch vielfältige Lösungsansätze.







Welche gesundheitlichen Gefahren birgt ein Übermaß an Digitalarbeit?
Zunächst einmal muss man präzisieren, was genau mit Digitalarbeit gemeint ist. Digitalisierung ist vielgestaltig und je nach Branche und Arbeitsorganisation finden sich verschiedenste Einsatzfelder für digitale Technologien. Versteht man unter Digitalarbeit die regelmäßige Arbeit am Computer, also die stete Anwendung bzw. Nutzung von Programmen, digitalen Tools und Dokumenten und übt diese Tätigkeit womöglich durchgängig im Homeoffice aus, dann können Stress oder Burnout die Folge sein. Besonders dann, wenn die Grenzen von Arbeit und Privatleben permanent verwischt werden und Erholzeiten unter den Tisch fallen (always on). Weiterhin ist in den meisten Tätigkeitsfeldern ein kontinuierlicher Anstieg der Leistungsanforderungen festzustellen. Dies allein wirkt häufig schon als Stressor und in diesem Zusammenhang ist die eingesetzte digitale Technik daraufhin zu prüfen, ob sie der Zielerreichung dienlich ist oder nicht. Leider ist langsame, anfällige Technik oder schlecht gestaltete Technik, die zu Unterbrechungen führt und Zusatzaufwände erfordert, im betrieblichen Alltag häufig anzutreffen. Außerdem wissen wir aus unserer Forschung, dass Stress zwar zu den größten Belastungsfaktoren gehört, dass aber auch körperliche Belastungen, ergonomische Mängel und ungünstige Arbeitszeiten nach wie vor eine große Rolle spielen.

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Wie gehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der digitalen Arbeitswelt mit potenziellen gesundheitlichen Risiken um, wie kann man ihnen vorbeugen, Resilienz aufbauen?
Der Umgang der Beschäftigten mit Belastungen ist sehr unterschiedlich und hängt teilweise auch von individuellen Bewältigungsstrategien und personenabhängigen Ressourcen und Fähigkeiten ab. Manche nehmen Belastungen als gegeben hin oder sehen diese bei gutem Verdienst als bis zu einem gewissen Grade vernachlässigbar an, andere wiederum beschweren sich und versuchen aktiv ihre Situation zu verändern. Unsere Forschung zeigt, dass sich diejenigen Beschäftigten weniger belastet fühlen, die in stabile Teamstrukturen eingebunden sind und Kolleginnen und Kollegen haben, mit denen sie sich austauschen und wechselseitig unterstützen können. Das Team oder die Arbeitsgruppen sind in vielen Fällen überhaupt erst die Voraussetzung, um die teilweise erheblichen Belastungen im Arbeitsalltag kompensieren zu können, sich aber auch gemeinsam gegenüber direkten und höheren Vorgesetzten artikulieren zu können. Betriebliche Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung sollten daher nicht nur am Verhalten von Individuen ansetzen, sondern auch die Teamentwicklung und erweiterte Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten zum Ziel haben. Damit zusammenhängend bedarf es außerdem einer wertschätzenden Führung, die die Entwicklung von Teams und Arbeitsgruppen fördert und den Beschäftigten Spielräume lässt, ihre eigenen Arbeitsprozesse und Arbeitsplätze mitzugestalten – auch und besonders im Hinblick auf die eingesetzte Technik.

Welche Rolle spielen dabei die Gestaltung des Arbeitsplatzes bzw. die Formatierung der Arbeitsinhalte?
Die Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsinhalten und Arbeitsabläufen spielt für das Wohlbefinden in der Arbeit eine zentrale Rolle. Auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung verursachen z.B. räumlich-bauliche Gegebenheiten, physisch-ergonomische Bedingungen sowie schlechte Luft- und Lichtverhältnisse oder Lärm nach wie vor erhebliche Belastungen. Und auch einseitig belastende Bewegungen oder Körperhaltungen sind keineswegs verschwunden. Bei stark digitalisierter Arbeit kommen dann softwareergonomische Aspekte und die Funktionalität digitaler Arbeitsabläufe sowie die nutzungsfreundliche Gestaltung von Programmen und Dokumenten noch hinzu. Für sämtliche Einflussgrößen gilt, dass Mitgestaltung durch die Beschäftigten selbst und prozessnahe Vorgesetzte ein wichtiger Ansatzpunkt für den Abbau und die Vermeidung von Arbeitsbelastungen und gesundheitlichen Risiken sind.

Ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement ein passendes Werkzeug, um diesbezüglich eine hohe Kompetenz bei allen Beschäftigten eines Unternehmens zu erlangen?
Betriebliches Gesundheitsmanagement, funktioniert immer dann am besten, wenn es mit eigenen Ressourcen ausgestattet ist, funktions- und hierarchieübergreifend in betriebliche Prozesse eingebunden wird und im Tagesgeschäft nicht nebenbei erledigt werden muss. BGM muss sich der schwierigen Aufgabe annehmen, einerseits „groß“ zu denken, also Organisations- und Techniknutzungsprozesse mitzugestalten, anderseits muss es auch „im Kleinen“ in der Lage sein, auf die teilweise komplexen persönlichen Problemkonstellationen der Beschäftigten eingehen zu können, wozu beispielsweise Sucht- oder Sozialberatung und ggf. Wiedereingliederungsmanagement zählen. Ein gutes BGM ist für Beschäftigte leicht zu erreichen und sollte vom Angebot her so organisiert sein, dass es beispielsweise auch von Schichtarbeitenden wahrgenommen werden kann. Um die Beschäftigten zu erreichen, könnten ergänzend auch digitale Medien ein sinnvolles Instrument sein. Vor allem aber sollte BGM offen für die Bedürfnisse und Wünsche der Beschäftigten sein und das Gespräch mit ihnen suchen.

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