Neue Technologien in der Ernährungs-Industrie, digitale Tools zur Unterstützung der Verbraucher - die Digitalisierung verändert die Esskultur. Wie nah sind wir dem Smart Food heute schon?
Handyapplikationen oder Gadgets oder IoT-fähige Küchengeräte werden unser Verhalten beim Kaufen und Zubereiten sicherlich noch beeinflussen, bis heute aber bleiben sie noch hinter den Erwartungen zurück, beispielsweise wenn es um die Bestimmung von Haltbarkeit oder enthaltene Nährstoffe geht. Und doch hat beispielsweise das Internet mit seinen sozialen Netzwerken auf das, was wir essen, bereits erheblichen Einfluss genommen. Wir identifizieren und inszenieren uns auf Instagram mithilfe der Fotos unseres Essens, ja wir positionieren uns mitunter auf die Weise auch sozial und politisch. Die Entwicklungsabteilungen von Lebensmittelunternehmen haben so ein neues Zielkriterium für ihre Produkte: die „Insta-Fähigkeit“. Aber was ist dann Smart Food? Wenn wir von Smart Food sprechen, dann meinen wir mit „smart“ die nicht zuletzt den Herstellerprozess. Immer neue und individuellere Produkte und immer kürzere Produktlebenszyklen verlangen eine hochflexible Produktion. Das können personenbezogenen Nährstoffkonfigurationen oder plötzlich im Netz „gehypte“ oder „gedisste“ Produkte sein, die schnelle Reaktionen verlangen. Ebenso die Lieferketten- und Rohstoffproblematik, wo sich die Herstellerverfahren fast täglich auf neue Rohstoffe und Qualitäten einstellen müssen. Kurz: die Lebensmittelproduktion braucht KI-unterstützte autonom-adaptive Anlagen, die selbst in der Lage sind, auf die sich ständig ändernden Randbedingungen zu reagieren. Das ist dann Smart Food Technology.
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Insekten, Algen, Pilz-Kulturen - welche Ersatz-Ressourcen sind aus Ihrer Sicht besonders für eine nachhaltige Nahrungs-Mittel-Erzeugung geeignet?
Wir brauchen sie alle: die Insekten, die Algen, die Pilze, vielleicht auch „Clean Meat“ (Laborfleisch), die wir unter dem Begriff Novel and Future Food (NFF) subsumieren. Wir brauchen sie, um die gewaltigen Herausforderungen der Ernährung und des Klimawandels auch nur halbwegs lösen zu können. Aber das alleine wird nicht reichen. Um bis 2050 fast 60 % mehr Lebensmittel zu erzeugen, die wir in Anbetracht der wachsenden Weltbevölkerung und es wachsenden Wohlstands in vielen Ländern brauchen, und das ohne unsere Klimaziele aufzugeben, müssen wir vor allem eines tun: die Agrarflächen effizienter nutzen. Entscheidend wird sein, weniger tierische Lebensmittel und wesentlich mehr pflanzliche zu essen. Noch weit vor den NFF sehe ich den nächsten 3 Dekaden daher Plant Based Food (PBF) als den eigentlichen Schlüssel. Immer wieder wird gerne Hoffnung auf „Urban Farming“ oder „Clean Meat“ gesetzt, die weit übertrieben ist. Diese Verfahren müssen erst einmal hinsichtlich ihrer Öko-Indikatoren untersucht werden. Denn schließlich ist zu bedenken: wer Fleisch im Bioreaktor produziert, braucht dafür Nährstoffe. Und die wachsen noch immer auf dem Acker.
Wie können sich New- und Smart-Food-Trends auf das Verhältnis von lokal produzierten und global importierten Lebensmitteln auswirken?
Viele Verbraucher argumentieren bei ihrer Entscheidung bezüglich regionaler oder importierter Lebensmittel mit der Umwelt. Was viele nicht wissen ist, dass der Transport per Schiff beispielsweise kaum eine Rolle beim CO2-Fußabdruck spielt. Und die Tomate aus dem beheizten deutschen Gewächshaus schneidet schlechter ab als die importierte. Wenn aber für eine Rinderweide oder den Sojaanbau brasilianischer Regenwald abgebrannt wird, ist der Klimaschaden deutlich größer als bei der Kuh um die Ecke. Wer hat beim Einkauf dabei schon den Durchblick? Smarte Technologien und das Internet of Things werden uns hoffentlich bald schon helfen, dass wir direkt am Point of Sale, sei es im Supermarkt oder im Restaurant, mehr Informationen auch über die Ökobilanz der Lebensmittel bekommen. Längst schon ist Lebensmittelqualität nicht mehr nur das, was wir chemisch messen können oder was wir sehen, riechen und schmecken. Die Qualität eines Lebensmittels hat heute auch eine ethische Dimension: Aspekte wie Umweltauswirkungen, Fairtrade, Förderung der regionalen Wirtschaft oder Kinderarbeit. Aber halbwegs bewusst-rational entscheiden können wir vielleicht erst dann, wenn wir an der Ladentheke auf unserem Smartphone die entsprechenden Informationen darüber abrufen können. Und dann wird sich zeigen, ob es regional oder global sein soll.
Wie gehen immer effizientere Produktion und das Bedürfnis nach bewussten und gesundem Genuss von Lebensmittel zusammen?
Wenn wir mal ehrlich sind: kein Mensch will Smarte Lebensmittel! Seit dem wir unter „smart“ modernste IT-Technologien verstehen, darf gerne alles smart sein: das Smartphone, das Smarthome, Smartbanking,… aber unser Essen? „Smart“ steht in klarer Opposition zu „Natürlichkeit“ und „Essen wie bei Oma“. Es sind aber eben die Prozesse zur Herstellung der Lebensmittel, die mit „smart“ gemeint sein sollten. Und dann wird auch ein Schuh daraus. Herstellprozesse können mit IT-Unterstützung auch hinsichtlich der Ressourcenverbräuche und nicht zuletzt der Reduktion des CO2-Fußabdrucks verbessert werden. Richtig eingesetzt können sie die nutritiven Eigenschaften besser erhalten und in diesem Sinne auch die Natürlichkeit der Produkte. Und dann können wir mit Fug und Recht die so hergestellten Lebensmittel auch selbst als „smarte Lebensmittel“ bezeichnen. Das zu erforschen und in die Lebensmittelwirtschaft und die Gesellschaft zu kommunizieren, hat sich die Partnerschaft smartFoodTechnologyOWL zur Aufgabe gemacht.