E-Scooter, E-Bords oder One-Wheeler, demnächst auch Kinderwagen mit Elektromotoren – immer mehr kleine E-Fahrzeuge sind unterwegs. Welchen Beitrag kann Mikromobilität bei der Lösung der Verkehrsprobleme lösen?
Grundsätzlich bieten die angesprochenen Fahrzeuge die Chance, Mobilität anders zu erleben als mit dem Auto. Viele der neuen Gerätschaften machen einfach Spaß. Für Touristen ergeben sich zudem neue Möglichkeiten, das Reiseziel komfortabel zu erkunden, ohne lange Fußmärsche. Tatsächlich verursachen Elektrokleinstfahrzeuge (EKF) aber auch zunehmend Probleme. Unsere Infrastruktur ist für sie oft nicht geeignet. Hinzu kommt Fehlverhalten der Fahrzeugnutzer, sei es durch Unkenntnis der Regeln oder durch Vorsatz, Stichwort Alkohol. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Elektroantriebe nahezu geräuschlos arbeiten. Das kann zu Schrecksituationen mit Fußgängern führen. Inwieweit EKF tatsächlich etwas zur Lösung von Verkehrsproblemen beitragen können, wird sich zeigen. Eine reine Spaßnutzung, wie wir sie vielfach beobachten können, hilft hier jedenfalls nicht weiter. Wenn es gelingt, EKF sinnvoll in bestehende Verkehrssysteme zu integrieren, könnte dies hingegen schon eine Verbesserung bewirken. E-Scooter beispielsweise könnten bei der Anbindung von Bahnstationen am Stadtrand helfen.
Wie muss die Verkehrsinfrastruktur an die Vielfalt der neuen Fahrzeuge angepasst werden?
Unsere Verkehrsinfrastruktur steht ganz allgemein unter großem Druck, weil wir einen stark wachsenden Mobilitätsbedarf haben. Unsere Verkehrsflächen und -kapazitäten wachsen nicht in gleicher Geschwindigkeit. In den Städten ist der Platz ohnehin endlich. Hinzu kommt, dass sich der Verkehr in seiner Zusammensetzung, dem so genannten Modal Split, stark verändert. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs in den Städten wird zurückgehen, umweltfreundliche Verkehrsmittel wie das Fahrrad werden dagegen wichtiger. Unsere Infrastruktur war dafür aber nicht geplant. Wir sehen vielerorts ja noch Straßen, die nach der Idee der „autogerechten Stadt“ gebaut wurden. Das war ein Konzept aus den 60er Jahren. Fakt ist: Wir müssen die Nutzung unserer Verkehrsflächen neu verhandeln und sehr weitgehend an die veränderten Ansprüche anpassen. Gegenwärtig gibt es hauptsächlich die Kategorien Straße, Radweg, Bürgersteig, Schiene. Es fällt mitunter schwer, neue Verkehrsmittel wie E-Scooter oder auch Cargo-Pedelecs auf Anhieb in eine dieser Schubladen einzusortieren. Die können ja nicht alle auf dem bestehenden Radweg fahren. Grundsätzlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir dem Auto Platz wegnehmen müssen. Das ist bereits in vielen Städten zu beobachten: Eine Fahrspur für Autos wird umgewandelt in eine Radspur, auf der dann genug Platz entsteht, um zum Beispiel auch neuartige Elektrokleinstfahrzeuge aufzunehmen. Genaugenommen gehören übrigens auch viele dieser Fahrzeuge, die in der Öffentlichkeit als umweltfreundliche Auto-Alternative gelten, zum motorisierten Individualverkehr. Ein E-Scooter hat schließlich auch einen Antrieb – und er darf, anders als ein Auto, nur eine Person transportieren.
Die technische Entwicklung geht immer schneller und neue Fahrzeuge kommen immer schneller auf den Markt – wie sollte die kleinteilige Mikromobilität sinnvoll umfassend reguliert werden?
Kleinteilige Mikromobilität klingt eigenartig. Die Aussage, dass neue Fahrzeuge immer schneller auf den Markt kommen, verwundert ebenfalls. Das deutsche Zulassungswesen ist ja nicht gerade bekannt für seine Flexibilität und Schnelligkeit. Wenn man alleine betrachtet, wie lange es gedauert hat, in Deutschland E-Scooter zuzulassen, bekommt man einen guten Eindruck von der Geschwindigkeit, mit der unsere Behörden „regulieren“. Die Diskussion erinnert rückblickend ein wenig an den bekannten Werbespot eines Spülmittelherstellers: Während wir in Villabajo noch über die Höchstgeschwindigkeit und das Mindestalter diskutierten, haben sie in Villariba schon die Unfallopfer gepflegt, Verbote erlassen und die Roller aus den Flüssen gezogen. Aber auch eine Menge positive Erfahrungen gesammelt. Prinzipiell ist das existierende Regelwerk, die Straßenverkehrsordnung, tauglicher als man denkt für die Herausforderungen durch neue Fahrzeugtypen. Viele Probleme betreffen weniger den fließenden Verkehr als den ruhenden: Wo stehen Fahrzeuge aus Free-Floating-Konzepten, wo können wir feste Stationen für Sharing-Anbieter installieren? Ein guter Ansatz sind Mobilstationen in den Wohnquartieren, wie sie in Köln eingerichtet wurden. Diese bieten jeweils Platz für vier Fahrzeuge von Cambio Car-Sharing, ein Lastenleihrad des Anbieters Donk-EE, etwa zehn Leihfahrräder sowie zehn Privaträder. Die Stationen sind rund um die Uhr geöffnet. Die Angebote können über Apps oder die Internetseiten der entsprechenden Anbieter gebucht werden. Wir halten dieses Konzept für gut geeignet, den Flächenverbrauch durch parkende Fahrzeuge mit einem attraktiven Alternativangebot zu reduzieren und mehr Verkehrsflächen für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung zu stellen.
Welche Rolle können Apps oder andere digitale Lösungen für eine Lenkung der elektrischen Mikromobilität spielen?
Die Digitalisierung eröffnet für den gesamten Verkehrssektor enorme Chancen und natürlich auch im Bereich der Mikromobilität. Schon heute nutzen zahlreiche Anbieter Apps, um ihre Mobilitätsangebote zu vernetzen: Mietwagenvermittler kombinieren Autos mit Pedelec- und E-Scooter-Flotten, öffentliche Verkehrsbetriebe bieten Leihfahrräder an. Eine große Herausforderung besteht aktuell darin, die Bezahlschranken zwischen verschiedenen Anbietern zu überwinden. Auch der ACV arbeitet daran, Mobilität vermitteln zu können, unabhängig vom Verkehrsmittel. Was die Lenkungsmöglichkeiten betrifft, so kommt vor allem der Standortbestimmung eine große Bedeutung zu. Wir kennen das von den E-Scootern: Bestimmte Bereiche können für die Nutzung gesperrt werden, etwa Fußgängerzonen. Das Abstellen lässt sich ebenfalls regulieren, um ein Park-Chaos zu vermeiden.
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