Welche Digitalisierungsmaßnahmen könnten die weltweiten Lieferketten stabiler, resilienter machen?
Zur nachhaltigen Stabilisierung von Lieferketten muss sich das Supply Chain Management vor allem zum Ziel setzen, Adaptivität stärker als bislang zu berücksichtigen. Datenwertschöpfung leistet einen wichtigen Beitrag zu einer solchen Anpassungsfähigkeit, indem sie die Datenqualität erhöht und offene Systeme zum übergreifenden Datenaustausch ermöglicht. So schafft man mehr Transparenz und ermöglicht eine realistische Szenarien-Planung. Internationale Standards für die Vereinheitlichung von Daten und ein leichterer Datenaustausch sind dabei unerlässlich. Für stabile, transparente und widerstandsfähige weltweite Lieferketten brauchen wir zudem Real-Time-Visibility auf allen Ebenen, zum Beispiel für Container, Trailer, Trucks, Palletten und Kartons. Auch der Einsatz von 3D- und 4D-Druck sowie eine Vorab-Simulation mit digitalen Zwillingen tragen zu dazu bei.
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Muss das verantwortungsvolle Supply Chain Management künftig wieder verstärkt auf Lager statt auf Lieferung „just in time“ setzen?
Nur im begrenzten Maße, denn Flexibilität muss immer oberste Priorität haben. Die Lagerhaltung lindert zwar Schmerzen, aber Heilung bringt erst der richtige Mix aus Beschaffungs- und Digitalstrategie. Dazu gehören die Überprüfung der Wertschöpfungstiefe und des Offshorings, sowie der Sourcing-Strategien und auch die Optimierung von digitalen Grundlagen wie Datenqualität und -teilung. In der IT-Architektur ist Flexibilität wichtig für ein schnelles On- und Offboarding von Lieferanten, Partnern und anderen Stakeholdern. Ein gewisser Grad an Redundanz in der Lieferkette (zwei Lager, zwei Carrier, aber auch zwei Systeme für Datenteilung etc.) bietet taktischen Spielraum bei unvorhergesehenen Ereignissen. Für die kurzfristige Verbesserung und zur Übergangsgestaltung können temporäre, durchdachte Lagerbestandserhöhungen probate Mittel sein, verbunden mit einem Plan zur Reduzierung der Bestände. Das eingesetzte Kapital fehlt sonst meist an anderer Stelle.
Wie stehen Sie zum aktuellen globalen Trend, mit Produktion und Forschung direkt in die Zielländer zu gehen?
Dieser Trend wird bleiben. Es hängt allerdings stark vom jeweiligen Land, Wirtschaftssystem und der Branche ab, ob die Diversifizierung der Produktion zielführend ist. Sinnvoll ist eine solche Strategie, wenn dadurch Abhängigkeiten reduziert werden – auch wenn hierbei Skaleneffekte zentraler Produktion verloren gehen können. Ein erfolgreiches Beispiel für die Verlagerung in Zielländer ist die VW ID.4-Produktion in Chattanooga, die entscheidend zur Stärkung des US-Markts und zur Entlastung europäischer Werke beigetragen hat. Die lokale Ansiedlung von Forschung & Entwicklung kann andere positive Effekte habe, wie zum Beispiel einen effizienteren Umgang mit spezifischen Kundenanforderungen in unterschiedlichen Märkten („Produktlokalisierung“) oder eine größere Auswahl an potenziellen Mitarbeitern beim Recruiting auf hoch kompetitiven Arbeitsmärkten.
Mit Blick auf Klimawandel und CO2-Fußabdruck: Wie organisiert man einen möglichst energiearmen und sicheren Transport?
Der neutralste Transport ist immer der, der nicht stattfindet. Deshalb gilt es primär Transporte – egal ob voll oder leer – möglichst einzusparen. Diese Bemühung zeichnet sich bereits heute im Trend zu mehr regionaler Produktion und in der Umkehr des Trends zur Hyperglobalisierung ab. Ein weiteres Beispiel ist die „Uberisierung“ (Sharing Economy), bei der durch die geteilte Nutzung von Fahrzeugen und Kapazitäten Leerfahrten vermieden werden. Unternehmen müssen beim Transportmodalmix vermehrt auf zu CO2-effiziente Transportmittel setzen. Grundvoraussetzung hierfür ist zu wissen, was tatsächlich CO2- bzw. energiearm ist und was nicht. Hier hilft ein standardisiertes Reporting mit einheitlichen KPIs. Für solch ein ganzheitliches Berichtswesen muss die Datenteilung aktiviert werden.
Ein gutes Beispiel für energiearmen Transport ist der Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen mit Strom aus erneuerbaren Energien auf der letzten Meile, die wir von DHL kennen. Dieses Beispiel zeigt, dass neue Herausforderungen für Ladegut im Hub bereits heute gelöst werden können. Generell sollte der CO2-Verbrauch immer ausgewiesen und nicht nur die Preise, sondern auch die Aufmerksamkeit für das Thema erhöht werden.
Was muss in Ziel- und Exportländern – jenseits militärischer Absicherung von Handelswegen – getan werden, um die Lieferketten im Fluss zu halten?
Die Grundlage aller Maßnahmen ist der Auf- und Ausbau einer digitalen Infrastruktur. Einheitliche Regeln zum Datenschutz und die Etablierung internationaler Standards für Datenaustausch erleichtern die Datenteilung sowie Auflösung von Datensilos und tragen bei zum weiteren Abbau der (Papier-)Bürokratie. Für funktionierende Lieferketten müssen Unternehmen vermehrt alternative Beschaffungstaktiken entwickeln, die auf einer fundierten Szenarien-Planung basieren, und auch einen Schwerpunkt in puncto Rückführungslogistik für Waren, Behälter etc. setzen.