Die Zahl der E-Autos in Deutschland soll in den kommenden Jahren stark steigen, doch viele Experten befürchten, dass die Stromnetz nicht hinreichend darauf vorbereitet sind – wie sehen Sie das?
Durch den Ausbau der E-Mobilität ist mit einer deutlichen Zunahme der Netzanforderungen zu rechnen. Der Markthochlauf der Elektromobilität ist aber schwer einzuschätzen. Die Prognosen gehen von 5% bis mehr als 50% der Neuwagenverkäufe im Jahr 2025 aus.
Eine durchschnittliche Familie verbraucht etwa 3.000 kWh pro Jahr. Schafft sich diese nun ein Elektroauto an und fährt damit 12.500 km jährlich, was etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht, wird sich (bei einem realistischen Verbrauch von 18 Kilowattstunden pro 100 Kilometer) der Strombedarf dieses Haushalts fast verdoppeln. Der massenhafte Durchbruch der E-Mobilität wäre folglich eine große Herausforderung für das Stromnetz. Im Zentrum steht dabei das Verteilnetz. Hier finden die Ladevorgänge statt.
Doch selbst wenn man von 40 Millionen E-Fahrzeugen in Deutschland ausgeht (dies ist fast der gesamte aktuelle PKW-Bestand in D von rund 46 Mio.), läge der Mehrbedarf an Strom nur bei 16 % (+ ca. 90 TWh pro Jahr) im Vergleich zum aktuellen Jahresstromverbrauch (ca. 550 TWh). Diese zusätzliche Strommenge könnten die vorhandenen Netze technisch verkraften.
Der insgesamt größere Strombedarf durch E-Mobilität ist kein grundsätzliches Problem, wenn sich ihre Lastspitzen nicht mit den vorhandenen Lastspitzen überlagern. Smarte Lösungen können zur Entlastung der Verteilnetze beitragen und für den Kunden besonders wirtschaftlich sein, wenn lokal erzeugter PV-Strom zum Laden von Elektroautos genutzt wird und damit der Eigennutzungsanteil von PV-Strom erhöht wird. Zudem ist der Ausbau der E-Mobilität beherrschbar, da nicht alles auf einmal, sondern schrittweise passieren wird.
Intelligente Ladestationen könnten die Last zeitlich verteilen, würden aber den Ladevorgang verlängern – welchen Beitrag können derartige Systeme für eine sichere Stromversorgung leisten?
Man könnte das Problem des erhöhten Strombedarfs durch klassischen zusätzlichen Netzausbau beheben. Das ist aber volkswirtschaftlich ineffizient. Nicht der schlichte Ausbau der Verteilnetze ist die Lösung, sondern: Verteilnetze müssen intelligenter werden. Wir brauchen eine intelligente Orchestrierung der Stromflüsse. Die Ladevorgänge dauern in der Regel deutlich kürzer, als die Autos an den Ladepunkten stehen. Hier ist der Puffer für eine intelligente Steuerung. Ein wichtiger Schlüssel ist die Vermeidung von Gleichzeitigkeit, etwa durch eine Ampelschaltung für die Ladepunkte, die die Ladesäulen nacheinander freischaltet. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens Consentec lässt sich die Anzahl von Ladevorgängen, die auf Basis des bestehenden Verteilnetzes durchgeführt werden können, durch intelligente Steuerung auf das Zehnfache erhöhen.
Ein weiterer Schritt von Smart Charging wäre es, die Leistungsabgabe so zu regulieren, dass bei Engpässen alle Nutzer etwas weniger Energie bekommen, bzw. bei alle etwas mehr. In diesem Sinne bietet E-Mobilität sogar die Chance, das Netz der Zukunft zu stützen, indem die Akkus als Pufferspeicher für eine fluktuierende Einspeisung einbezogen werden. Die dafür erforderlichen Mechanismen zur Kommunikation mit dem Elektrofahrzeug sind bereits international genormt und stehen zur Verfügung (ISO 15118).
Das Smart Charging optimieren wir bei innogy mit dem Einbau einer sogenannten gridBox. Die Box dient als intelligenter Energiemanager, der die Nutzung von selbsterzeugtem Strom optimiert und maximiert. Sie überwacht vollautomatisiert den Energiefluss im Haus und schafft es mit diversen smarten und sinnvollen Ansteuerungen den Autarkiegrad zu maximieren. Zum Einsatz kommt sie bereits in unserem Hotel- und Kongresszentrum in Wanderath in der Eifel. Hier steuert die Box mehrere Ladesäulen sowie eine Photovoltaikanlage.
Insbesondere in einzelnen Regionen mit einem hohen Anteil an Familien mit mittlerem oder hohem Einkommen könnte es zu einem vergleichsweise schnellen Anstieg der E-Mobilität kommen – wie müssten diese Gebiete unterstützt werden?
Wenn wir die Energiewende und insbesondere die Verkehrswende vorantreiben wollen, so darf das keine Diskussion zwischen „armen“ und „reichen“ Regionen werden. Vielmehr müssen wir diese nationale Aufgabe gemeinsam anpacken. Auch hier wird die intelligente Steuerung der Lastflüsse von entscheidender Bedeutung sein.
Um entsprechende Bedarfe je Region im Voraus berechnen zu können, haben wir bei innogy ein Tool aufgesetzt. e-prognosis gibt Auskunft darüber, mit welcher Nachfrage nach Elektromobilität und Anzahl an Ladepunkten Netzbetreiber im jeweiligen Versorgungsgebiet rechnen müssen. Das Tool basiert unter anderem auf Marktforschungs-, Gewerbe- und Infrastrukturdaten. Es enthält Szenarien für die Zukunft von E-Mobilität, die auf Grundlage einer Studie von Fraunhofer-ISI entwickelt wurden.
Ein großer Beitrag hierzu könnte auch von den Stromverteilnetzbetreibern geleistet werden, wenn sich der Bund und die Bundesnetzagentur klar zur Mobilitätswende bekennen und die entstehenden Infrastrukturkosten vorbehaltlos als notwendige Kosten für ein stabiles Stromnetz anerkennt.
Entlang der Fernverkehrstrecken wächst mit zunehmender E-Mobilität der Bedarf an Kapazitäten. Was ist aus Ihrer Sicht diesbezüglich zu tun?
Dieser Frage haben wir uns bei innogy schon gestellt und eine Kooperation mit Tank & Rast aufgebaut. An bundesweit über 100 Standorten des Raststättenbetreibers installierte innogy die passende Ladeinfrastruktur. Elektroauto-Fahrer können somit auch auf der Langstrecke die Vorteile der Elektromobilität vollständig und komfortabel nutzen.
Ein weiterer Ausbau der individuellen PKW-Mobilität ist möglich. Wir müssten dazu ca. 600 Tankstellen und Autohöfe jeweils mit 40-80 (Schnell-)Ladepunkten für E-Fahrzeuge ausstatten (Leistungsklasse 150-350kW). Damit wäre an den Autobahntankstellen über den Tag, trotz längerer Standzeiten der E-Fahrzeuge, unter Berücksichtigung der dramatisch höheren Effizienz von Elektromotoren im Vergleich zu Benzin und Diesel, dieselbe Menge nachladender Fahrzeuge und damit Reichweite wie bisher ermöglicht.