Die Zahl der E-Autos in Deutschland soll in den kommenden Jahren stark steigen, doch viele Experten befürchten, dass die Stromnetze nicht hinreichend darauf vorbereitet sind – wie sehen Sie das?
Hinsichtlich des Markthochlaufs der Elektromobilität kann - Stand heute - keine einzelne robuste Zahl genannt werden, da es aufgrund der unklaren Entwicklung des Verkehrssektors noch kein allgemein anerkanntes Szenario gibt (s. Metastudie von FNN/VDE und BDEW zur Netzintegration Elektromobilität). Der Markthochlauf von Elektromobilität ist für Verteilnetzbetreiber in Deutschland allerdings schon heute Realität, mit konkreten Auswirkungen auf die Netzplanung.
Klar ist, Sektorenkopplung kann ohne aktives Mitwirken der Verteilnetzbetreiber nicht gelingen. Auswirkungen auf die Stromnetze errechnen wir anhand von Szenarien und leiten daraus Maßnahmen ab, die die Netzstabilität weiterhin jederzeit gewährleisten.
Die Anforderungen an die Niederspannungsstromnetze sind im Wesentlichen abhängig von der Anzahl und dem Leistungsbedarf zukünftig gleichzeitig stattfindender Ladevorgänge an heimischen Ladepunkten. Eine marktseitige Beeinflussung von Ladevorgängen durch Aggregatoren, „Schwarmbildung“ z.B. auch durch Fahrzeughersteller wird diese Gleichzeitigkeiten nochmals signifikant erhöhen und damit weiteren Netzausbaubedarf erfordern.
Netzbetriebsmittel haben üblicherweise kalkulatorische und technische Nutzungsdauern von über 30 Jahren. Langfristig effizient wirkende Umbaumaßnahmen, die ganze Sektoren betreffen, benötigen eine transparente und umfangreich abgestimmte Rahmensetzung, die für alle Stakeholder Planungssicherheit schafft. Erste Weichen wurden hierfür zum Beispiel durch die neue Meldepflicht für Ladepunkte gestellt. Denn eins steht fest: Wir können Ladepunkte für unsere Netzdimensionierung nur berücksichtigen, wenn wir von ihnen Kenntnis erlangen. Daher kommt der Anmeldung der Ladepunkte durch die Netzkunden und Elektro-Installateure besondere Bedeutung zu. Wir sind froh, dass diese Notwendigkeit nun auch Einzug in die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) gefunden hat.
Intelligente Ladestationen könnten die Last zeitlich verteilen, würden aber den Ladevorgang verlängern – welchen Beitrag können derartige Systeme für eine sichere Stromversorgung leisten?
Der netzdienliche Einsatz intelligenter Ladestationen soll nur in Fällen Anwendung finden, in denen die durchschnittliche Parkzeit die erforderliche Ladezeit in der Regel deutlich übersteigt – ob zu Hause oder am Arbeitsplatz, ohne nennenswerte Komforteinbußen für die Kunden.
Intelligente Ladestationen können den für einen Massenmarkt notwendigen Netzausbau signifikant reduzieren. Zudem können durch intelligente Lösungen Erneuerbare Energien besser integriert und die Sektoren Wärme, Mobilität und Energie kosteneffizient gekoppelt werden.
Natürlich bewirkt mehr Intelligenz im Netz auch mehr Möglichkeiten zur Echtzeitanalyse der Netzstabilität und ermöglicht somit vorausschauendes Engpassmanagement im Sinne der weiterhin hohen Stromversorgungssicherheit.
Insbesondere in einzelnen Regionen mit einem hohen Anteil an Familien mit mittlerem oder hohem Einkommen könnte es zu einem vergleichsweise schnellen Anstieg der E-Mobilität kommen – wie müssten diese Gebiete unterstützt werden?
Den von EWE NETZ bis 2030 angenommenen Hochlaufzahlen für Elektromobilität, sowie einer weiteren Verstromung im Wärmesektor und eines weiteren Zubaus Erneuerbarer Energien, begegnen wir mit einem kostenoptimierten Konzept aus Netzverstärkungen und intelligenten Lösungen (z.B. regelbare Ortsnetztrafos und Anbindungen digitaler Heimenergiemanagement-Lösungen unserer Kunden).
Entlang der Fernverkehrsstrecken wächst mit zunehmender E-Mobilität der Bedarf an Kapazitäten. Was ist aus Ihrer Sicht diesbezüglich zu tun?
Netzanschlüsse für Schnellladestationen sind bzgl. ihrer Leistung mit Weitsicht und mit einer zum Markthochlauf und der damit einhergehenden Nachfrage skalierbaren Technologie (z.B. auch mit der Verwendung von Vorladespeicher) zu konzipieren.