Die EU-Kommission will ein Recht auf Reparatur von Waren über den Garantie-Zeitraum hinaus einführen. Wie wichtig ist ein solches Recht aus Ihrer Sicht ganz grundsätzlich?
Reparatur ist die Königsdisziplin der Kreislaufwirtschaft! Jede Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten ist ressourcen- und klimarelevant.
• 52,7% der Gesamtumweltbelastung im Leben von Haushaltsgeräten entstehen durch die Produktion und Distribution (Steiner et.al. 2005: Timely Replacement of White Goods)
• 50% der globalen Kohlenstoff-Emissionen entstehen durch den Abbau und die Weiterverarbeitung natürlicher Ressourcen (UN Environment 2020: Global Resources Outlook 2019)
• Würden die EU-Privathaushalte allein ihre Waschmaschinen, Staubsauger, Laptops und Smartphones nur ein Jahr länger nutzen, würde das 4 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalenten einsparen. Das wäre gleichbedeutend mit 2 Mio. weniger Autos auf Europas Straßen (EEB 2019: Cool Products don´t cost the earth)!
Fakt ist, dass die Ziele der Kreislaufwirtschaft nur über langlebige, reparaturfreundlich konstruierte Produkte und deren längere Nutzung durch Wartung und Reparatur erreicht werden können. Deshalb brauchen wir wenige, langlebige, leicht reparierbare Produkte, die durch jahrzehntelange Nutzung ihren ökologischen Rucksack auf viele Jahre verteilen.
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Reparaturen sollen nur verpflichtend sein, wenn der Ersatz nicht teurer ist. Wie bewerten Sie diese Einschränkung?
Kurzsichtig: So lange das bestehende Marktversagen (durch die Externalisierung von Kosten bei Ressourcenabbau und Produktion sprechen die Preise für Neuprodukte weder die ökologische, noch die soziale Wahrheit) nicht behoben und das technische Produktdesign weit entfernt ist von reparaturfreundlicher Konstruktion, eröffnet diese Einschränkung ein riesiges Schlupfloch.
Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet soll Reparaturen vor Ort vermitteln. Was halten Sie von diesem Instrument?
Wenig: Nach 24 Jahren Erfahrung mit dem Reparaturnetzwerk Wien (www.reparaturnetzwerk.at) schlagen wir stattdessen nationale Reparaturnetzwerke nach dieser Wiener Erfolgsgeschichte vor, die den Anforderungen des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren … COM(2023) 155 final genügt und darüber hinaus einen Mehrwert schafft. Beispielsweise durch ein Qualitätsmanagement-System, dem sich die Mitgliedsbetriebe unterwerfen müssen.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einer endgültigen Richtlinie stehen – und was keinesfalls?
Unbedingt: Um dem erwähnten Marktversagen zu begegnen, brauchen wir als ersten Schritt eine EU-weite Reparaturförderung wie in Österreich (siehe www.reparaturbonus.at). Zur Finanzierung der EU und Staatshaushalten brauchen wir als zweiten Schritt eine sozial ausgewogene, echte ökologische Steuerreform, die über CO2e-Bepreisung hinausgeht: Kritische, nichtregenerative Rohstoffe gehören besteuert, Arbeit entlastet!
Keinesfalls: Trotz Digitalisierungs-Euphorie darf es keine weitere Über-Ausstattung von Waschmaschinen & Co. mit billig produzierten elektronischen Bauteilen geben. Eine WLAN-fähige Waschmaschine, … (IoT) muss zum NoGo erklärt werden. Es sei denn, die Begründungen zur Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in diesem Richtlinienvorschlag der Kommission sind nur ein Vorwand um das Recht auf Reparatur zu oligopolisieren. „Mit der Weiterentwicklung der digitalen Technologien und weil zunehmend mehr Waren digitale Funktionen aufweisen, die einen Fernzugriff ermöglichen, dürften sich Reparaturdienstleistungen, die aus der Ferne und grenzüberschreitend durchgeführt werden, in Zukunft noch stärker entwickeln.“ – Zitat aus dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren …COM(2023) 155 final. Die Praxis in unabhängigen Reparatur-KMUs zeigt, dass gerade die erwähnte Über-Ausstattung von Waschmaschinen & Co. mit billig produzierten elektronischen Bauteilen zu unnötigen Ausfällen führt. Eine wirtschaftliche Reparatur von elektronischen Bauteilen ist häufig nicht möglich, der Tausch elektronischer Bauteilgruppen ist durch die aktuelle Ersatzteil-Politik erst recht nicht.