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Interview14.06.2023

Doppelte Benachteiligung beim geplanten Recht auf Reparatur

Warum die vorgesehenen EU-Regeln nachgebessert werden sollten

Prof. Mag. Dr. Susanne Augenhofer - Professorin am Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der  Universität Innsbruck Quelle: Universität Innsbruck/ privat Prof. Dr. Susanne Augenhofer Professorin Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Aus Sicht von Prof. Dr. Susanne Augenhofer von der Uni Innsbruck ist ein Recht auf Reparatur, wie es die EU plant, sehr wichtig. An den vorliegenden Vorschlägen hat sie allerdings viel zu kritisieren und kommt zu dem Schluss: "Ganz gestrichen sollten keine Vorschriften des Entwurfes – verbessert aber alle!" 





Die EU-Kommission will ein Recht auf Reparatur von Waren über den Gewährleistungszeitraum Garantie-Zeitraum hinaus einführen. Wie wichtig ist ein solches Recht aus Ihrer Sicht ganz grundsätzlich?
Grundsätzlich halte ich ein solches Recht für sehr wichtig: Während es früher für viele Produktkategorien eine funktionierende Reparaturkultur gab, ist diese in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend zurückgegangen. Das gilt insbesondere für elektronische Produkte. Für manche Geräte wie Smartphons oder Tablets hat sich eine gar nicht erst umfänglich etabliert. Aktuell haben Verbraucher:innen nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist keinen Anspruch gegen den Verkäufer oder Hersteller, mangelhafte Waren reparieren zu lassen. Das gleiche gilt, wenn der Defekt gar nicht in den Anwendungsbereich des Gewährleistungsrecht fällt, z.B. weil der Defekt von den Verbraucher:innen selbst verursacht wurde. Der konkrete Vorschlag im RL-Entwurf wird jedoch in der Praxis nur wenig am status quo ändern: er umfasst nur wenige Produktgruppen, primär große Elektrogeräte, die Verbraucher:innen ohnehin nicht besonders häufig bzw. nur einmal im Familienverbund (z.B. Waschmaschinen oder Geschirrspüler oder Schweißmaschinen) kaufen und die daher nicht die größten Auswirkungen auf die Umwelt haben.

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Reparaturen sollen nur verpflichtend sein, wenn der Ersatz nicht teurer ist. Wie bewerten Sie diese Einschränkung?
Nach geltendem Recht dürfen Verbraucher:innen zwischen Reparatur und Ersatz wählen, wenn eine Ware mangelhaft ist. Der Verkäufer kann jedoch den gewählten Rechtsbehelf verweigern, wenn dieser unverhältnismäßig hohe Kosten hervorruft. Nach dem Vorschlag soll nunmehr nur ein Anspruch auf Reparatur bestehen, es sei denn der Austausch ist günstiger. Es wird also kein „Recht auf Reparatur“ eingeführt, sondern vielmehr – aus Verbraucher:innen-Sicht – eine Pflicht zur Reparatur.

Die neue Einschränkung ist m.E. kritisch zu bewerten, da Verbraucher:innen die bislang bestehende Wahlmöglichkeit genommen wird und die Entscheidung darüber, ob ein Austausch zulässig ist, nunmehr alleine beim Verkäufer liegt. Für Verbraucher:innen wird es in der Praxis unmöglich sein zu überprüfen, ob die Kosten für die Reparatur tatsächlich höher sind als der Austausch. Der Verkäufer selbst wird – wie bereits jetzt in der Praxis zu beobachten – kein Interesse an einer Reparatur haben, da er in der modernen arbeitsteiligen Welt meist nicht der Hersteller der Sache ist. Dementsprechend ist er oft nicht in der Lage, die Reparatur durchzuführen. Der Vorschlag berücksichtigt auch nicht die Kosten, die bei einer Reparatur für die Umwelt entstehen können, etwa, wenn der Hersteller in China sitzt und das Gut für die Reparatur dorthin zurückgeschickt werden muss. Ein weiterer Punkt, den der Vorschlag im Moment leider nicht berücksichtigt, ist die Dauer der Reparatur und dass Verbraucher:innen während dieser das Produkt nicht benutzen können. Man denke nur an eine Waschmaschine und welche Wäscheberge sich bei einer Familie anhäufen werden, wenn diese während einer vierwöchigen Reparatur nicht zur Verfügung steht. Hier sollte die Europäische Kommission unbedingt nachbessern und eine maximale Reparaturdauer einführen sowie die Pflicht ein Ersatzgerät für Geräte, bei denen eine länger Reparaturfrist besteht, einzuführen.

Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet soll Reparaturen vor Ort vermitteln. Was halten Sie von diesem Instrument?
Die Idee, durch eine solche Plattform Verbraucher:innen niederschwellig Zugang zu Reparaturmöglichkeiten zu geben, ist grundsätzlich begrüßenswert. Praktisch ist der Vorschlag jedoch sehr bürokratisch, sieht er doch vor, dass die Mitgliedstaaten diese Plattformen bespielen sollen, und zwar tatsächlich für jeden Mitliedstaaten eine. Das erscheint wenig hilfreich, wenn Verbraucher:innen grenzüberschreitend gekauft haben.

Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einer endgültigen Richtlinie stehen - und was keinesfalls?
Der vorliegende Richtlinienentwurf geht von der richtigen und wichtigen Überlegung aus, dass das Privatrecht zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. Allerdings greift der Entwurf nur punktuell in ein komplexes Rechtsgebiet ein und lässt eine Abstimmung mit etwas dem Kartellrecht oder Urheberrecht vermissen. Zudem sind die gemachten Vorschläge im Moment bedauerlicherweise so ausgestaltet, dass sie meiner Meinung nach wenig positive Auswirkungen in der Praxis haben werden, z.B. weil das Recht auf Reparatur außerhalb der Gewährleistungsfrist nur wenige Produktgruppen betrifft. Dies sollte unbedingt geändert werden und weitere Produktgruppen, wie etwa Kleidung oder Möbel, aufgenommen werden. Hier ist in der Praxis zu beobachten, dass eine Reparatur sehr wohl möglich ist und von manchen Marken auch als Teil der Marketingstrategie schon jetzt angeboten wird.

Schließlich führt der Vorschlag zu einer doppelten Benachteiligung von Verbraucher:innen: Sie verlieren – innerhalb des Gewährleistungsrechts – ihr Wahlrecht zwischen Austausch und Reparatur, ohne dass – wie bereits erwähnt – sichergestellt wird, dass die Reparatur nicht zu lange dauert bzw. sie ein Leihgerät für die Zeit der Reparatur erhalten. Zudem ist zu erwarten, dass Verkäufer und Hersteller die Reparatur bei der Preiskalkulation mitberücksichtigen werden. Das kann dazu führen, dass sich ärmere Verbraucher:innen in Zukunft gewisse Güter nicht mehr leisten können werden.

Unbedingt in die Richtlinie aufgenommen werden sollte ein Direktanspruch gegen den Hersteller auch vor Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist. Hersteller sind am besten in der Lage, Reparaturen durchzuführen und zudem die cheapest cost avoider, d.h. sie sind in der Lage, weniger mangelanfällige Waren zu produzieren. Zudem käme es Verbraucher:innen zu Gute, wenn sie einen zusätzlichen Ansprechpartner – neben dem Verkäufer, mit dem sie eine Vertragsbeziehung haben – hätten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer vielleicht in der Zwischenzeit insolvent gegangen ist oder Verbraucher:innen nicht in ihrem Heimatland die Ware gekauft haben. Große Hersteller haben anders als oft Verkäufer in den meisten Mitgliedstaaten einen Sitz.

Zwei weitere Punkte sind essentiell, um dem Vorschlag Wirksamkeit zu verleihen: Refurbished goods (im deutschen Vorschlag wenig marketingwirksam „überholte“ Produkte genannt), also Waren, die vom Unternehmer überprüft und dann wieder in den Verkehr gebracht werden, sollten Verbraucher:innen als Alternative zu einer Reparatur bzw. Austausch angeboten werden. Eine solche Regelung verhindert, dass Produkte vorschnell entsorgt werden, hätten aber für Verbraucher:innen den Vorteil, dass sie nicht auf eine Reparatur warten müssen. Würde ab Austausch mit einer „überholten“ Sache die Gewährleistungsfrist neu zu laufen beginnen, würde man bei Verbraucher:innen zudem einen Anreiz setzen, freiwillig die umweltschonendere Variante – im Vergleich zum Austausch – zu wählen.

Schließlich sollte in der Richtlinie noch sichergestellt werden, dass eine Reparatur durch Dritte oder auch Verbraucher selbst (z.b. in sogenannten Reparatur-Cafés) technisch möglich ist. Ein Zugang zu Ersatzteilen oder Betriebsanleitungen ist jedoch de lege lata nur für wenige Produkte vorgesehen.

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