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Präsenzformate lassen sich nicht 1:1 digital nachbilden

Was hybride Formate erfolgreich macht

Prof. Dr. Lena Christiaans - Kommunikation & Eventmanagement, IST-Hochschule für Management Quelle: IST-Hochschule für Management Prof. Dr. Lena Christiaans Professorin Kommunikation & Eventmanagement IST-Hochschule für Management 25.04.2022
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Digitale und hybride Formate sind für die Eventbranche nichts Neues", erklärt Prof. Dr. Lena Christiaans - Kommunikation & Eventmanagement, IST-Hochschule für Management. Allerdings seien ihre Entwicklung und Verbreitung  durch die Corona-Pandemie stark beschleunigt worden.Doch es gibt auch andere Entwicklungen, die für hybride Formate sprechen.







In einer Umfrage gaben knapp drei Viertel der befragten Industrieunternehmen an, schon einmal an einer virtuellen Messe oder einem vergleichbaren virtuellen Event teilgenommen zu haben. Wie haben sich digitale (und hybride) Formate für Messen, Tagungen usw. aus Ihrer Sicht am Markt etabliert und diesen verändert?
Digitale und hybride Formate sind für die Eventbranche nichts Neues. Ihre Entwicklung und Verbreitung wurden durch die Corona-Pandemie nur stark beschleunigt. Während der Hochphasen der Pandemie waren digitale Formate zeitweise die einzige Möglichkeit, Messen und Events überhaupt stattfinden zu lassen. Aber auch unabhängig von Corona haben gesellschaftliche Entwicklungen, wie der gestiegene Wert von Nachhaltigkeit, der Trend zu Convenience, ein zunehmendes Preis- und Kostenbewusstsein oder auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle, dazu geführt, dass sich digitale und hybride Formate im Markt etabliert haben. Eine pauschale Aussage ist allerdings schwierig. Denn es muss differenziert werden zwischen den unterschiedlichen Eventformaten und ihren Zielen innerhalb des Kommunikationsmix von Unternehmen sowie auf Teilnehmerseite. Während sich z.B. Formate mit dem Ziel der reinen Informationsvermittlung problemlos digital umsetzen lassen, wird es schwieriger, sobald es um Ziele wie Aufbau von Nähe zur Marke und Vertrauensbildung geht. Dazu sind eine direkte Interaktion und eine multisensuale Vermittlung der Marke notwendig, die sich de facto nur in Präsenz vollumfänglich erreichen lassen. Ziele der Teilnehmenden umfassen das Networking und Knüpfen neuer Kontakte sowie den informellen Austausch. Auch diese lassen sich digital nicht in vergleichbarem Umfang abbilden wie in Präsenz. Daher sind Messen und andere analoge Veranstaltungen weiterhin nachgefragt. Hybride Formate bieten ergänzend eine gute Möglichkeit, die Reichweite der Veranstaltungen zu erhöhen. Es können neue Zielgruppen erschlossen werden, die z.B. aufgrund einer weiten Anreise sonst nicht an der Veranstaltung teilgenommen hätten. Gleichzeitig verstärkt sich somit der Wettbewerb innerhalb der Veranstaltungsbranche, da ein potenzieller Messebesucher bei digitaler Teilnahme eine größere, nicht lokal begrenzte Auswahl von Veranstaltungen hat.

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Allerdings befinden Besucher von virtuellen Messen, dass die virtuellen Formate nicht „sehr gut" umgesetzt werden. Wie müssen solche Events organisiert werden, damit die Besucher zufrieden sind?
Grundsätzlich gilt, dass sich Präsenzformate nicht 1:1 digital nachbilden lassen. Digitale und hybride Formate erfordern einen anderen Aufbau, eine andere Dramaturgie und Inszenierung. Unzufriedenheit der Besucher kann aus drei unterschiedlichen Gesichtspunkten entstehen, die Veranstalter berücksichtigen sollten. Zunächst müssen die technischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche virtuelle Messe stimmen, d.h. die gewählte virtuelle Messeplattform sollte eine gute User-Experience bieten. 3D-Welten und Avatare gehören mittlerweile ebenso wie Interaktionsfunktionen zum Standard. Allerdings sollte die Plattform auch nicht zu viele Funktionen bereitstellen, da eine zu hohe Komplexität bei den Besuchern auf Ablehnung stoßen kann. Ein weiterer Gesichtspunkt liegt in den Inhalten der Veranstaltung – aus Sicht der Zielgruppen sollten diese immer relevant sein und einen Mehrwert schaffen. Das klingt trivial, ist aber tatsächlich nicht immer der Fall, wenn eine möglichst spektakuläre Umsetzung auf Kosten der eigentlichen Inhalte erfolgt. Der dritte Gesichtspunkt umfasst die Art der Vermittlung: Die Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmenden ist bei digitalen Formaten deutlich kürzer und die Teilnehmenden werden vor dem Bildschirm leichter abgelenkt. Fachvorträge müssen daher kürzer und abwechslungsreicher gestaltet werden. Auch eine mitreißende Moderation bzw. Führung durch die Veranstaltung trägt dazu bei, die Besucher zu begeistern. Gleichzeitig ist eine Einbindung der Teilnehmenden durch Dialogfunktionen und Gamification-Elemente essenziell. Bei hybriden Formaten ist ein reines Streaming nicht ausreichend – die Emotionen und der Erlebnischarakter der Live-Veranstaltung müssen transportiert werden und das gelingt nur durch Interaktion. Eine Herausforderung bildet nach wie vor die Vernetzung der virtuellen Besucher bzw. bei hybriden Veranstaltungen auch die Vernetzung zwischen physischen und virtuellen Besuchern. Matchmaking funktioniert immer noch am besten in Präsenz und in dieser Hinsicht sollte auch ein gewisses Erwartungsmanagement betrieben werden.

Technik für hochwertige virtuelle oder hybride Events erfordert große Investitionen. Wie sollte die Politik die gebeutelte Branche unterstützen?  
Auch zu dieser Frage lässt sich keine pauschale Antwort geben, denn die unterschiedlichen Veranstaltungsteilmärkte und Akteure der Branche sind ja nicht im selben Ausmaß durch die Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie beeinträchtigt worden. Wenn wir die wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen herausgreifen, ist es vielen Akteuren (z.B. Eventagenturen und Veranstaltern) gelungen, ihre Geschäftsmodelle und Leistungen schnell an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die Digitalisierung bietet hier viel Potenzial, und Investitionen in diesem Bereich wurden ja bereits gefördert. In anderen Fällen waren und sind die Überbrückungshilfen aber notwendig, um die Existenz von Unternehmen zu sichern. Das ist insbesondere im Hinblick auf die große Rolle der Veranstaltungsbranche für die deutsche Wirtschaft wichtig. Die Veranstaltungswirtschaft belegte 2019 Platz 6 der umsatzstärksten Branchen in Deutschland (Quelle: R.I.F.E.L). Diesen Status kann die Branche hoffentlich bald wieder ohne staatliche Hilfen erreichen. Dazu ist in erster Linie eine möglichst hohe Planungssicherheit für alle Akteure erforderlich.

Welche Potenziale sehen Sie noch für virtuelle und hybride Events nach einem möglichen Ende der Pandemie?
Virtuelle und hybride Events werden uns auch in Zukunft begleiten, denn sie bieten sowohl für Unternehmen als auch für Teilnehmende viele Vorteile. Die Teilnahme wird deutlich flexibler, die Reichweite steigt, Anreisezeit und -kosten entfallen, die Auswahlmöglichkeiten werden größer, die Erfolgsmessung wird leichter. Unternehmen hinterfragen seit der Corona-Pandemie noch stärker den Return on Investment (ROI) von Veranstaltungen und beziehen zudem Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Entscheidungen ein. Je nach Zielsetzung der Veranstaltung überwiegen die Vorteile digitaler Formate gegenüber Präsenzveranstaltungen, auch wenn letztere wie oben dargestellt weiterhin gebraucht werden. Hybride Formate vereinen die Vorteile von Präsenzveranstaltungen und virtuellen Events und werden daher auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Zudem können digitale Formate die Live-Veranstaltungen sinnvoll ergänzen, vor allem in der Vorbereitung und Nachbereitung. Studien zeigen, dass sich Teilnehmende im Vorfeld zunehmend in die Gestaltung von Events einbringen möchten, z.B. durch Vorschlagen von Referenten oder Abstimmungen zu Programmpunkten, Locations, Catering etc. Auch die Vorfreude auf ein Event lässt sich steigern durch die Bespielung von Social-Media-Kanälen und Online-Plattformen, um einen Austausch bereits vor der eigentlichen Veranstaltung anzuregen. Mit Follow-ups nach der Veranstaltung lässt sich der Wissenstransfer vertiefen, z.B. in Form von Zusammenfassungen der Veranstaltungsinhalte, Bereitstellung von weiterführenden Informationen oder kleineren interaktiven Workshops. Daher wird aus Veranstaltersicht der Aufbau einer virtuellen Event-Community mit einem ganzjährigen Begleitprogramm rund um ein Event immer wichtiger: Gerade im Hinblick auf den intensiveren Wettbewerb (s.o.) ist Loyalität bzw. Wiederteilnahme ein kritischer Erfolgsfaktor, der sich mit einer interaktiven Event-Community und dauerhaften Eventschleifen besser erreichen lässt. Voraussetzungen für den Erfolg von Event-Communities sind wiederum eine passende technische Infrastruktur mit entsprechenden Funktionalitäten und vor allem auch ein gutes, kontinuierliches Community Management.

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