Die europäischen Gentechnik-Regeln sollen breit diskutiert werden – wie schätzen Sie die EU-Regeln ganz grundsätzlich im weltweiten Vergleich ein?
Ganz grundsätzlich muss man dazu sagen, insbesondere für meinen Bereich: Wer Ernten stabil halten will, wer den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurückfahren möchte, und wer wiederum Klimastabilität von Pflanzen ohne mehr Verbrauch von Ressourcen wie Wasser erwartet, der kann diese Techniken nicht einfach abtun.
Was die Regeln betrifft: Die europäischen Gentechnikregeln sehen zurecht ein strenges Zulassungsverfahren mit einer intensiven Risikoprüfung vor. Mit diesem vorsorgenden Ansatz sind wir bisher gut gefahren. Aber die Regelungen müssen auch im Lichte neuester Erkenntnisse kontinuierlich überprüft werden. Die Biotechnologie ist in den vergangenen Jahren mit riesigen Schritten vorangegangen. Mithilfe präziser neuer molekularbiologischer Techniken (NMT) ist es zum Beispiel möglich, kleine Änderungen im Genom herbeizuführen, wie sie auch zufällig in der Natur erfolgen könnten. Auch solche Veränderungen fallen nun unter das Gentechnikrecht. Dabei hatte der Gesetzgeber seinerzeit die klassische Gentechnik vor Augen, bei der ganze Gene über verschiedene Arten hinweg übertragen werden. Wie auch die Europäische Kommission habe ich Zweifel, ob diese rund zwanzig Jahre alte Rechtsetzung den modernen Techniken noch in allen Fällen gerecht wird. Es geht ja auch darum, Innovationen nicht im Weg zu stehen. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass NMT in anderen Teilen der Erde gar nicht reguliert sind.
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Sogenannte „Neue genomische Techniken“ erlauben schwächere und gezieltere Eingriffe. Wie sollte das Regelwerk auf diese NGT eingehen?
Die Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens für neue molekularbiologische Techniken ist längst überfällig. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass die EU-Kommission mit ihrer Studie zum Status von NMT dafür den Weg bereitet hat. Denn auf europäischer Ebene müssen wir gemeinsam Regelungen schaffen, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Schritt halten und eine differenzierte Risikobewertung ermöglichen. Ich hatte mich immer für eine angemessene, am Vorsorgeprinzip orientierte Nutzung dieser Techniken in Europa ausgesprochen. Dafür bereitet die angesprochene Studie jetzt den Weg. Denn die Genschere CRISPR/Cas und andere innovative NMT haben großes Potential: Angesichts des Klimawandels, von Dürren, Wassermangel und neuen Schädlingen ist für mich klar: Wir müssen die Chancen dieser Techniken verantwortungsvoll nutzen, um den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zu reduzieren, die Landwirtschaft in Europa und weltweit nachhaltiger zu gestalten sowie gleichzeitig auch in Zukunft genügend Lebensmittel für die Menschen zu produzieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Debatte sind die Kennzeichnungspflichten. Welchen Anpassungsbedarf sehen Sie diesbezüglich?
Es geht um Wahlfreiheit und Transparenz. Nur so können die Verbraucherinnen und Verbrauchern eine informierte Kaufentscheidung treffen. Sie müssen auch in Zukunft klar erkennen können, wo Gentechnik drin ist. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass die EU-Kommission diese Frage in ihrem Konsultationsprozess zu den neuen Techniken mit in den Blick nimmt.
Wenn es neue Gentechnik-Regeln geben sollte – was müssten diese aus Ihrer Sicht unbedingt enthalten und was keinesfalls?
Wir müssen hier vom Ende her denken: Für mich ist eine differenzierte Herangehensweise entscheidend, die sich stärker an den konkreten Eigenschaften des Produktes, als an der Technik orientiert, die bei der Erzeugung eingesetzt wird. Wir müssen uns deshalb im Einzelfall ansehen, was eine mit neuen Techniken veränderte Pflanze für Auswirkungen zum Beispiel auf die Umwelt hat. Die klassische Pflanzenzucht hat ja auch schon immer das Erbgut von Nutzpflanzen angepasst. Mit den neuen Techniken kann hier aber zielgenauer und schneller gearbeitet werden. Wichtig ist, dem Vorsorgeprinzip Rechnung zu tragen. Gleichzeitig sollte den dringend benötigten Innovationen in der Züchtung keine Steine in den Weg gelegt werden.