Die europäischen Gentechnik-Regeln sollen breit diskutiert werden – wie schätzen Sie die EU-Regeln ganz grundsätzlich im weltweiten Vergleich ein?
Die Richtlinie 2001/18/EC basiert auf dem Wissensstand der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Im internationalen Vergleich entspricht die europäische Gesetzgebung nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Die EU-Regelungen sind also wissenschaftlich und technisch seit langem überholt, während viele Länder außerhalb der EU ihre gesetzlichen Regelungen an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst haben.
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Sogenannte neue gentechnische Verfahren (NGT) erlauben schwächere und gezieltere Eingriffe. Wie sollte ein eventuelles neues Regelwerk auf diese NGT eingehen?
Die Group of Scientific Advisors der EU (SAM HLG) kam in der Studie zu dem Schluss, dass die Sicherheit nur von Fall zu Fall beurteilt werden könne und von den Eigenschaften des Produkts, seinem Verwendungszweck und der aufnehmenden Umwelt abhängt. Wir setzen uns dafür ein, dass zukünftige Gesetzgebungen auf der streng wissenschaftlich begründeten Risikobewertung der Produkte und nicht der Herstellungsmethode basieren. Dazu gehört das Vorsorgeprinzip, das ein richtiger Ansatz zum Umgang mit Risiken und zu Recht eine Leitlinie der Europäischen Verträge ist. Der Umgang mit Chancen muss im Vorsorgeprinzip aber auch einfließen.
Wenn es neue Gentechnik-Regeln geben sollte – was müssten diese aus Ihrer Sicht unbedingt enthalten und was keinesfalls?
Entscheidend ist, dass die EU-Gesetzgebung dem aktuellen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gerecht wird. Wir teilen die Einschätzung aus der jüngsten Kommissionsstudie, dass sich das Innovationstempo im globalen Biotechnologiesektor nicht verlangsamen wird. Daher muss die Gesetzgebung sachdienlich bleiben und mit den aktuellen Erkenntnissen Schritt halten. Eine zukünftige Gesetzgebung sollte also auch zukunftsfest sein.
Wenn die EU moderne Techniken auf dem gleichen Niveau wie andere Regionen nutzen will, mit dem Ziel, neue, wettbewerbsfähige und innovative Lösungen auf den Markt zu bringen, dann ist eine wissenschaftlich fundierte, verhältnismäßige und planbare Regulierung für aktuelle und zukünftige biotechnologische Innovationen dringend erforderlich.
In besagter Kommissionsstudie wird darauf hingewiesen, dass es nicht gerechtfertigt ist, für Produkte mit ähnlichem Risikoniveau unterschiedliche Stufen der behördlichen Prüfung anzuwenden. Das gilt beispielsweise für konventionell gezüchtete und aus bestimmten NGTs gewonnene Pflanzen. Sicherheitsbewertungen sind zentral, sollten aber nicht ausschließlich von der jeweils verwendeten Technik, sondern der spezifischen Art der Anwendung und den Eigenschaften des resultierenden Produkts abhängen. Zwei Aspekte sprechen dafür, in Zukunft die resultierenden Produkte bei der Regulierung zu berücksichtigen. Erstens, weil es keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf Risiken genetischer Änderungen zwischen NGTs, Kreuzungszüchtung, Selektion und natürlicher genetischer Mutation gibt. Zweitens, dass es natürlicherweise nicht möglich ist zwischen gezielter Änderung durch Gene Editing, Änderung nach Kreuzungszüchtung, Selektion und natürlicher Mutation zu unterscheiden, zumindest sofern keine Fremd-DNA eingefügt wurde.