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Mobile Arbeit braucht starkes Management

Was nach der Pandemie vom Homeoffice-Trend bleibt

Uwe Schimunek, Freier Journalist Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 15.12.2020

Mit der Pandemie hat sich der Trend zum Homeoffice drastisch verstärkt. Was vor der Corona-Krise auf erhebliche Skepsis bei Teilen des Managements und der Belegschaft gestoßen war, funktioniert nun erstaunlich reibungslos. Und viele Unternehmen wollen Homeoffice dauerhaft stärker etablieren.

Prof. Dr. Florian Kunze von der Universität Konstanz hat zu dem Phänomen geforscht und er konstatiert in der Fachdebatte auf meinungsbarometer.info eine „Homeoffice Euphorie“ sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den Betrieben. Bei einer Befragung seines Hauses unter Beschäftigten zu verschiedenen Zeitpunkten bekundeten fast durchgehend 80 Prozent der teilnehmenden Personen, dass sie im Homeoffice engagiert und produktiv arbeiten. Eine deutliche Mehrheit möchte obendrein zumindest einige Tage pro Woche auch über die Corona-Zeit hinaus mobil arbeiten.

„Dieses hohe Engagement der Mitarbeitenden ist natürlich auch sehr vorteilhaft für die Unternehmen, für die es jetzt darum geht, mittelfristig die richtigen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und effiziente Transformation vom klassischen Präsenzarbeitsplatz hin zu neuen flexibleren Arbeitsarrangements zu schaffen“, erklärt der Forscher.

Auch Prof. Wolfgang Prinz vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT berichtet von ganz ähnlichen Studienergebnissen - und kommt zu dem Schluss: „Homeoffice kann also zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und gleichzeitig zu einer Effizienzsteigerung führen.“ Viele würden zwar den sozialen Austausch beim Mittagessen oder an der Kaffeemaschine vermissen, jedoch nur wenige den täglichen Weg zur Arbeit. Das zeige, dass eine gezielte Nutzung von Homeoffice oder besser mobilem Arbeiten Vorteile für beide Seiten bringen könne.

Marc S. Tenbieg vom Deutschen Mittelstands-Bund (DMB) hat in Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern viele Gemeinsamkeiten bei den zuletzt gesammelten Erfahrungen festgestellt. So „hat sich branchenübergreifend die Einstellung zum Thema Homeoffice erheblich verbessert“. Selbst bei Arbeitgebern, die zunächst einen gewissen Kontrollverlust durch das Homeoffice befürchteten, sei durch die engagierte und disziplinierte Arbeit der Beschäftigten während des Lockdowns ein deutlicher Sinneswandel eingetreten. Viele Unternehmer hätten gemerkt, dass Mitarbeiter mindestens genauso produktiv sind und sich sehr wohl schnell neu organisieren konnten.

So kommt auch Dr. Ole Wintermann von der Bertelsmann Stiftung zu dem Schluss, dass mobiles Arbeiten für alle Beteiligten in der Summe mehr Vor- als Nachteile hat. Der Arbeitgeber könne mit weniger Büroräumen kalkulieren, seine Betriebskosten sinken entsprechend. Bei systematischer Unterstützung durch zeitgemäße IT und kollegialem Lernen werde die Produktivität im Schnitt und auf Dauer erhöht. „Auch unsere eigenen Studien haben gezeigt, dass die Beschäftigten tendenziell sehr viel offener dem digitalen Arbeiten gegenüber eingestellt sind als es Arbeitgeber gemeinhin annehmen.“ Die Hälfte der Beschäftigten sehe zeitliche und örtliche Flexibilität als Voraussetzung für eine Verbesserung der Lebensqualität an, da die Vereinbarkeit des eigenen Lebens mit den Anforderungen des Jobs besser miteinander in Einklang gebracht werden können.

Bei den Untersuchungen sei indes auch klargeworden, dass sich nicht alle Arten von Arbeit gleich gut für Homeoffice eignen. „Besonders bei Teamarbeiten, die eine hohe Interdependenz - d.h. wechselseitige Abhängigkeit bei der Aufgabenerstellung - haben, ist eine reine mobile Zusammenarbeit schwierig“, erklärt Prof. Dr. Florian Kunze. Das betreffe auch Teamarbeit, die Innovation als Ziel hat. Die Forschung zeigt, dass die eigene individuelle Leistung besser beurteilt wird als die Teamarbeit, wobei beides nach Auskunft von Prof. Wolfgang Prinz im Verlauf der letzten Wochen und Monate eine positive Tendenz aufweist. „Für das Management bedeutet dies, dass neben der Führung der einzelnen Mitarbeiter die Kommunikation in und mit dem Team eine größere Bedeutung bekommt.“

Für den Zukunftsforscher Michael Carl ist Führung im dezentralen Team für viele Führungskräfte eine vergleichsweise neue Anforderung. „Für das Management liegt hier vor allem eine Lernaufgabe: Den eigenen Leuten zuhören, Erfahrungen sammeln, die Charakteristik und DNA der eigenen Organisation nüchtern betrachten und auswerten.“ Für ihn ist die Reaktion auf die Krise auch eine Frage der Unternehmenskultur – und entscheidend für die nächste Zeit. „Wir wissen schon von der demografischen Krise, von der Klimakrise und die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt werden für uns ebenso krisenhaft sein.“ Insofern sei diese Krise für das Management vor allem eines: „Ein Lernfeld“.

Aus Sicht der Arbeitnehmer pocht Michael Huber von der Gewerkschaft der Privatangestellten Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) in Österreich auf die Freiwilligkeit bei mobiler Arbeit, die es auch weiterhin zu bewahren gelte. Er plädiert für den richtig Mix aus Telearbeit und Anwesenheiten im Betrieb. „Für das Management bedeutet das, dass der zeitliche Anteil an der Wochenarbeitszeit, an denen sich die Beschäftigten in Telearbeit befinden, klar geregelt sein muss.“ Seine Gewerkschaft rät zu einer maximalen Telearbeitsquote von 50%.

Auch für Dr. Yvonne Lott von der Hans-Böckler-Stiftung kommt es auf das richtige Maß von Homeoffice-Tagen pro Woche an. „Die ausschließliche Arbeit von zu Hause kann zur professionellen Isolation und Einsamkeit führen.“ Nicht jeder Austausch im Team könne virtuell geschehen, der persönliche Kontakt sei wenigstens ab und zu wichtig. Wie viele Tage Homeoffice letztlich sinnvoll sind, könnte das Management gemeinsam mit den Mitarbeitenden erproben.

Beispielhaft tut dies etwa das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation, das seine Homeoffice-Aktivitäten etwa mit einer anonymen Befragung der Beschäftigten begleitet. "Wir achten ... darauf, dass die vor Corona etablierten regelmäßigen Austauschtermine zumindest erhalten bleiben, wenn nicht sogar vermehrt werden“, erklärt Geschäftsführer Dr. Herbert Vogler. Solche Termine sollten nicht ausschließlich per Video stattfinden. Man versuche, einen Team-Tag pro Woche zu etablieren – so es die Pandemie-Lage zulässt. „An diesem Tag sollen möglichst alle Mitarbeiter im Büro sein und viele Meetings stattfinden.“

 

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