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Homeoffice für mehr soziale Gerechtigkeit

Wie die neue Offenheit beim Homeoffice anderen Beschäftigten zugutekommen kann

Dr. Yvonne Lott - Leiterin des Referats Geschlechterforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung Quelle: HBS/ Baatz Dr. Yvonne Lott Referatsleiterin Geschlechterforschung WSI der Hans-Böckler-Stiftung 02.11.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Sinnvoll ist ein guter Mix aus Arbeit im Büro und Arbeit zu Hause – falls Beschäftigte auch zu Hause arbeiten wollen", erklärt Forscherin Dr. Yvonne Lott von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Denn diese Freiwilligkeit sei entscheidend dafür, dass Homeoffice die Produktivität verbessert. Sie plädiert aus verschiedenen Gründen auf einen gesetzlichen Homeoffice-Anspruch.







Nach aktuellen Erhebungen wollen viele Unternehmen und die Mitarbeiter das zur Corona-Krise eingeführte Homeoffice dauerhaft stärker etablieren – was sind die wichtigsten Vorteile davon?
Die stärkere Verbreitung ist zu begrüßen. Vor der Covid-19 Pandemie war Homeoffice nur einem ausgewählten Kreis von Beschäftigten gestattet, vor allem Personen in höheren beruflichen Positionen. Auch Frauen war Homeoffice bislang häufiger verwehrt als Männern. Eine stärkere Etablierung von Homeoffice kommt also hoffentlich auch bisher ausgeschlossen Beschäftigtengruppen zugute - und würde damit die soziale Gleichheit fördern.  

Zudem kann Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, etwa indem Pendelzeiten eingespart werden. Eine Lehre aus der Krise ist allerdings, dass Homeoffice kein Ersatz für institutionelle Kinderbetreuung ist. Denn Beschäftigte können Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit nicht gleichzeitig stemmen. Diese extreme Doppelbelastung haben vor allem die Mütter in der Krise geschultert. Sie mussten häufiger als die Väter ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Kita- und Schulschließungen aufzufangen. Eine solche Verstärkung sozialer Ungleichheit muss zukünftig vermieden werden.    

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Untersuchungen zeigen, dass individuelle Arbeit im Homeoffice besser als Teamarbeit funktioniert. Was bedeutet das für das Management?
Sinnvoll ist ein guter Mix aus Arbeit im Büro und Arbeit zu Hause – falls Beschäftigte auch zu Hause arbeiten wollen. Die Freiwilligkeit ist entscheidend dafür, dass Homeoffice die Produktivität verbessert. Auch kommt es auf das richtige Maß von Homeoffice-Tagen pro Woche an. Die ausschließliche Arbeit von zu Hause kann zur professionellen Isolation und Einsamkeit führen. Nicht jeder Austausch im Team kann virtuell geschehen, der persönliche Kontakt ist wenigstens ab und zu wichtig. Wie viele Tage Homeoffice letztlich sinnvoll sind, könnte das Management gemeinsam mit den Mitarbeitenden erproben. Vielleicht kann die Arbeitswoche in Meeting-Tage bzw. Tage für persönlichen Austausch im Team und Tage für individuelle Arbeit aufgeteilt werden. Das hätte auch den Vorteil, dass Beschäftigte bei individueller Arbeit seltener unterbrochen werden, was Stress verringert und die Produktivität erhöht.   

Inwieweit lassen sich Büroflächen und Dienstreisen durch Homeoffice-, Hybrid-Modelle und Online-Meetings einsparen?
Sollten mehr Beschäftigte regelmäßig im Homeoffice arbeiten, braucht es an der ein oder anderen Stelle sicher weniger Büroflächen. Aber Vorsicht! Die Freiwilligkeit ist entscheidend dafür, dass Produktivität und Arbeitszufriedenheit im Homeoffice nicht abnehmen. Haben Beschäftigte das Gefühl, sie müssen zu Hause arbeiten, kann das schnell zu Frust und zu einer geringeren Arbeitsleistung führen. Hinzu kommt, dass nicht alle Personen die Voraussetzungen haben, konzentriert und ungestört von zu Hause arbeiten zu können. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, muss also stets flankiert werden durch die Option, im Büro zu arbeiten. Beschäftigte sollten sich in ihrer Arbeitszeit keine Gedanken machen müssen, ob und wo sie im Büro arbeiten, sondern sich auf die Arbeitsinhalten konzentrieren können.

Die Politik diskutiert auch ein Recht auf Homeoffice. Was sagen Sie dazu?
Ein Recht auf Homeoffice ist notwendig. Ein rechtlicher Anspruch auf Homeoffice stärkt soziale Gleichheit. Bisher wird Beschäftigten auf mittleren bzw. unteren Positionen und Frauen Homeoffice häufiger verwehrt. Das Recht auf Homeoffice macht aus einem Privileg ein verbrieftes Recht für alle. Das hat einen weiteren Vorteil: In Unternehmen, in denen Homeoffice ein Privileg ist, haben Beschäftigte schnell das Gefühl, mit Homeoffice ein Geschenk zu erhalten und etwas zurück geben zu müssen. Dieser soziale Tausch des Gebens und Nehmens erhöht das Risiko, dass Beschäftigte im Homeoffice länger arbeiten und auch noch spät abends Emails beantworten. Ist Homeoffice ein Recht, das Beschäftigte in Anspruch nehmen, verliert dieser soziale Tausch an Bedeutung. Ein verbrieftes Recht fördert die Legitimität von Homeoffice und schwächt die Präsenzkultur, die die Nutzung von Homeoffice oft verhindert und Karrierenachteile für Beschäftigte im Homeoffice bedeuten kann. All diejenigen, deren Tätigkeit nicht von zu Hause erledigt werden kann, könnten Alternativen angeboten werden, etwa flexible Arbeitszeiten.

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