Nach aktuellen Erhebungen wollen viele Unternehmen und die Mitarbeiter das zur Corona-Krise eingeführte Homeoffice dauerhaft stärker etablieren – was sind die wichtigsten Vorteile davon?
Zunächst zur Erläuterung: Unter Homeoffice versteht man grundsätzlich eher die gesetzlich geregelte Telearbeit, die lediglich von zu Hause aus geleistet werden kann. Gleichzeitig wird der Begriff oftmals auch synonym für mobile Arbeit genutzt. Damit ist die Arbeit von jedem Ort aus gemeint, also auch in Coworking-Spaces, Cafés, Ferienwohnung – und natürlich auch von zu Hause aus. Ich möchte hier grundsätzlich das mobile Arbeiten in den Fokus nehmen, da es in der Umsetzung einfach zu handhaben ist und mehr Flexibilität zulässt.
Das mobile Arbeiten hat für alle Beteiligten in der Summe mehr Vor- als Nachteile. Der Arbeitgeber kann mit weniger Büroräumen kalkulieren, seine Betriebskosten sinken entsprechend. Studien haben gezeigt, dass mobiles Arbeiten – wenn es durch zeitgemäße IT und kollegiales Lernen systematisch unterstützt wird – die Produktivität im Schnitt und auf Dauer erhöht. Ablenkende Elemente fallen für die Mehrheit der Beschäftigten weg, immer vorausgesetzt, es handelt sich um freiwilliges mobiles Arbeiten. Von daher kann ich auch nicht nachvollziehen, wieso der neue Gesetzesentwurf zur mobilen Arbeit von Teilen der Wirtschaft so kritisch gesehen wird. Hinzu kommen die Vorteile für die Beschäftigten: Es fallen Pendelzeiten und finanzieller Pendelaufwand weg. Auch unsere eigenen Studien haben gezeigt, dass die Beschäftigten tendenziell sehr viel offener dem digitalen Arbeiten gegenüber eingestellt sind als es Arbeitgeber gemeinhin annehmen. Die Hälfte der Beschäftigten sieht zeitliche und örtliche Flexibilität als Voraussetzung für eine Verbesserung der Lebensqualität an (so das Ergebnis des auch von uns unterstützten D21 Digital Index), da die Vereinbarkeit des eigenen Lebens mit den Anforderungen des Jobs besser miteinander in Einklang gebracht werden können.
Untersuchungen zeigen, dass individuelle Arbeit im Homeoffice besser als Teamarbeit funktioniert. Was bedeutet das für das Management?
Ich würde so pauschal nicht gelten lassen, dass individuelle Arbeit grundsätzlich besser als Teamarbeit geeignet ist, um mobil zu arbeiten. Der Unterschied in der Produktivität beider Arbeitsmodi kann zum Beispiel der mangelnden Unterstützung des Übergangs in virtuelle Teamarbeit durch den Arbeitgeber geschuldet sein oder auch nicht optimale Technik. Mir kommt dieses Argument teils auch etwas (arbeits-) weltfremd vor. Große internationale aber auch KMU, die auf mehreren Kontinenten tätig sind, basieren in ihrer Tätigkeit schon seit etlichen Jahren größtenteils auf virtuelle Teams, deren Teammitglieder sich teils persönlich noch nie gesehen haben. Das ist dort bereits seit Jahren gelebte Arbeitsrealität. Ich habe den Eindruck, dass diese Bedenken gerade dort im Management vorgetragen werden, wo man bis zur Corona-Zeit selten mobil gearbeitet hat. Dass ein virtuelles Team effektiv arbeiten kann, ist unter anderem Aufgabe des Managements und liegt in dessen Verantwortungsbereich. Es muss eine entsprechende Unternehmenskultur vorliegen, in der Wertschätzung, Kommunikation auf Augenhöhe, Vertrauen und Transparenz der Kommunikation nicht nur von oben eingefordert, sondern von oben auch vorgelebt wird. Mein ganz persönlicher Eindruck ist, dass viele Unternehmensleitungen im Grunde genommen mit der Idee des „mündigen Arbeitnehmers“ fremdeln und nach Gründen suchen, mobiles Arbeiten ablehnen zu können.
Inwieweit lassen sich Büroflächen und Dienstreisen durch Homeoffice-, Hybrid-Modelle und Online-Meetings einsparen?
Es gibt erste Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Grundsätzlich sind sich diese Studien aber schon recht einig in der Einschätzung, dass mobiles Arbeiten massive Auswirkungen auf den Markt der Gewerbeimmobilien haben könnte. Bereits vor der Corona-Zeit gab es Disruptionen im Bereich der Geschäftsmodelle der Vermietung von Büro-Immobilien. Es scheint fast so, als sei den Investoren im Markt der Gewerbeimmobilien plötzlich bewusst geworden, dass Millionen Menschen weltweit täglich viele Kilometer fahren, nur um sich dann an einen Büro-PC zu setzen, den sie zu Hause auch stehen haben, so dass sie eigentlich gar nicht auf die Büroflächen im gegenwärtigen Ausmaß angewiesen sind. Diese Erkenntnis könnte unser gesamtes Verständnis von „Stadt“ herausfordern. Was geschieht weltweit mit den Großstädten, in deren Mitte Bürotürme von der ehemaligen Wichtigkeit von „Büros“ künden?
Für Dienstreisen gilt ähnliches. Für virtuell arbeitende Teams war es im Frühjahr diesen Jahres nichts neues, als plötzlich nahezu jeder zweite Beschäftigte in Deutschland zu seinen ersten Video-Meetings und zur Erkenntnis kam, dass zeitaufwändiges Reisen schlecht für die Umwelt und die Arbeitsproduktivität sind. Ich halte diese weitreichende Erkenntnis für alle Beteiligten für etwas sehr Wichtiges. Der Arbeitgeber kann auf diese Weise auch Kosten einsparen. Der Reisestress wird geringer, der Schaden für die Umwelt durch unnütze Mobilität wird geringer. Sicher kann nicht jede Form des persönlichen Austausches durch digitale Kommunikation ersetzt werden. Bevor wir jetzt aber schon wieder daran denken, was nicht geht, plädiere ich dafür, nochmal intensiv die Potenziale dieser für viele Menschen neuen Form des Arbeitens auszuloten. Es lohnt sich.
Die Politik diskutiert auch ein Recht auf mobile Arbeit. Was sagen Sie dazu?
Grundsätzlich können auch betriebliche Vereinbarungen getroffen werden, um Homeoffice und mobile Arbeit für Beschäftigte anzubieten. Aber auch hier haben die Zahlen des o.g. Digital Index gezeigt, dass das Potenzial mobiler Arbeit in den letzten Jahren bei weitem nicht gehoben wurde. Dies liege laut Digital Index zu einem deutlichen Teil auch daran, dass Arbeitgeber es nicht wollen, obgleich es technisch und auch jobabhängig machbar wäre. Damit gehen aber die o.g. Vorteile des mobilen Arbeitens für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verloren. Es macht schlicht volkswirtschaftlich keinen Sinn, auf diese Möglichkeit zu verzichten. Von daher ist es zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber die Initiative ergreift, um ein Mindestniveau – wenn es grundsätzlich im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit machbar ist – an mobilen-Arbeitstagen festzuschreiben, auch wenn man sicher über die genaue Ausgestaltung und eingeplante Menge diskutieren kann. Es wäre ein Anfang, von dem jeder Arbeitgeber individuell im Sinne von mehr Flexibilisierung abweichen und damit auf die Bedürfnisse seiner Angestellten besser eingehen kann.