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Medienbildung mit der digitalen Bildung verbinden

Was die Bibliotheken für die Medienkompetenz leisten

Barbara Schleihagen - Bundesgeschäftsführerin, Deutscher Bibliotheksverband e.V. Quelle: Stiftung Lesen / Sascha Radke Barbara Schleihagen Bundesgeschäftsführerin Deutscher Bibliotheksverband e.V. 21.04.2022
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Medienbildung und digitale Bildung müssen politisch stärker zusammengedacht werden" , mahnt Barbara Schleihagen vom Deutschen Bibliotheksverband. Der dbv vertritt mit seinen mehr als 2.000 Mitgliedern über 9.000 Bibliotheken mit 25.000 Beschäftigten - elf Mio Menschen nutzen die Angebote. Daher kennt sie den Badarf sehr gut.







Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die digitale Nachrichtenkompetenz mit dem Alter sinkt - was bedeutet das für die Medienbildung?
Das Ergebnis der Studie „Quelle: Internet“?“ der Stiftung Neue Verantwortung vom März 2021, dass 46 % der Befragten eine eher geringe digitale Nachrichten- und Informationskompetenz besitzen, ist besorgniserregend.

Diese Problematik muss daher verstärkt auch in den außerschulischen Bildungseinrichtungen aufgegriffen werden. Offenbar reicht es noch nicht, wie und vor allem wo Medienbildung heute vermittelt wird. Dabei geht es um ganzunterschiedliche Facetten: nicht nur um das Wissen über Medieneinflüsse sowie die Kenntnisse darüber, wie Medien produziert und verbreitet werden, sondern auch um die Frage, wie Medien selbst genutzt und gestaltet werden können.

Die Studie regt an, die Angebote von Volkshochschulen und Bibliotheken in Richtung digitaler Nachrichten und Informationskompetenz auszubauen. Seit Jahren erweitern Bibliotheken ihre digitalen Bestände, um einen umfassenden Zugang zu Informationen unabhängig vom Medienformat zu bieten. Zugleich bauen sie ihre Schulungsangebote aus, um auch die Nutzung digitaler Medien zu unterstützen und die Infomationskompetenz zu stärken.

Damit diese Angebote alle Altersgruppen und auch diejenigen erreichen, die vielleicht nicht von selbst eine Bibliothek aufsuchen würden, kooperieren Bibliotheken systematisch mit verschiedenen Partnern wie Kitas, Schulen oder Senioreneinrichtungen. Bibliotheken richten sich auch gezielt an die Älteren. Seit einigen Jahren arbeiten wir beispielsweise im Rahmen des Projektes „Digital-Kompass“* mit der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und Deutschland sicher im Netz e.V. zusammen. Bibliotheken gehören hier zu den mehr als 100 Standorten, in denen Internetlotsen ältere Menschen dabei unterstützen, digitale Angebote selbst auszuprobieren.

Das Thema Medienbildung muss aus meiner Sicht mit der digitalen Bildung einhergehen: Medienbildung und digitale Bildung müssen politisch stärker zusammengedacht werden. Wie wichtig das ist, zeigt eine Studie zur Digitalen Teilhabe im Rahmen des Digitaltags 2021. Darin sagten 90 % der Befragten, dass sie offen für digitale Technologien sind. Knapp 40 % wünschen sich aber zugleich mehr Schulungen, und über 30 % mehr Räume zum Ausprobieren digitaler Technologien.** Bibliotheken sind sowohl Orte für verlässliche Meinungsbildung durch qualitätsgeprüftes Medienangebot und gründliche Quellenrecherche als auch Orte, um niedrigschwellig den Umgang mit digitalen Geräten und Programmen zu erlernen.

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Die Vertrauenswürdigkeit von Quellen wird häufig falsch eingeschätzt. Wie lässt sich das ändern?
Durch die Zunahme von Informationen auf immer mehr Kanälen, ist es für uns alle schwieriger geworden, seriöse Informationsquellen zu identifizieren. Es bedarf daher einiges an Kompetenz, Recherche und Faktenabwägung, um sich auf gesicherte Quellen verlassen zu können. Es ist ebenfalls eine wesentliche Aufgabe von Bibliotheken, ihre Nutzerinnen und Nutzer dabei unterstützen, Informationen zu sichten, einzuordnen und zu verifizieren. Zugleich ist es eine originäre Aufgabe von Bibliotheken, die Informationskompetenz der Menschen zu stärken, in dem der Umgang mit Quellen geschult und Hinweise zu Recherchetools gegeben werden. Bibliotheken sammeln ja nicht nur Daten, sie lehren auch den kritischen Umgang mit ihnen. Diese Kernkompetenzen müssen sowohl im schulischen Kontext aber auch in der beruflichen Weiterbildung noch viel stärker gefördert werden. Die Frage also: „Wo kommen Informationen her?“ muss Bestandteil der schulischen und außerschulischen Bildung werden. Bibliotheken sind dabei wichtige Partner für Schulen, Berufsschulen und Volkshochschulen.

Desinformation, Information, Werbung und Meinung werden zum Teil nur schwer erkannt. Was kann dagegen getan werden?
Auch hier gilt es, den Umgang mit Daten und Informationen zu schulen. Nur weil Informationen frei verfügbar sind, heißt es nicht, dass diese auch auf serösen Informationsquellen beruhen, oft im Gegenteil. Kinder und Jugendliche müssen früh für Desinformationen sensibilisiert werden, Erwachsene benötigen ebenfalls entsprechende Angebote. Hier wären entsprechende Förderangebote des Bildungsministeriums zum flächendeckenden Ausbau dieser Angebote in den unterschiedlichen Einrichtungen der außerschulischen Bildung notwendig. Zugleich helfen niedrigschwellige Handreichungen, wie sie beispielsweise vom Weltverband IFLA herausgegeben werden (vgl. „How to spot Fake News“).

Neben einem umfangreichen physischen und digitalen Medienbestand bieten Bibliotheken auch Schulungen im Umgang mit Nachrichten an. Die Büchereizentrale Schleswig-Holstein hat dafür für Schülerinnen und Schüler das Planspiel FakeHunter*** entworfen. Das Planspiel vermittelt, kritisch mit Nachrichtenmeldungen umzugehen und entwickelt Werkzeuge, um Fake News zu entlarven. Mithilfe von sogenannten „Fake-Prüfwerkzeuge“ werden diverse verlässliche Quellen aus Internet, Datenbanken und Bibliotheken überprüft und verifiziert. Die FakeHunter wurden ursprünglich für die Öffentlichen Bibliotheken in Schleswig-Holstein entwickelt und wurden inzwischen auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgeweitet.

Wie sollte die Politik die Medienbildung besser fördern - ohne in den Verdacht zu geraten, in das Mediensystem einzugreifen?
Zunächst geht es darum, Schulen und Kitas stärker für das Thema Medienbildung zu sensibilisieren. Lehrer*innen und Kitapersonal müssen dazu im Bereich der Medienkompetenz flächendeckend fortgebildet werden.

Und es sollten mehr Formate für Schulen und Kitas entwickelt werden, in denen der Umgang mit Informationskanälen und Medien geschult wird. Dazu gehört auch, Kooperationen mit Partnern einzugehen, die sich mit dem Thema Medien- und Informationskompetenz auskennen, wie beispielsweise die Bibliotheken. Was wir brauchen ist ein Netzwerk von regionalen Medienkompetenzzentren. Das könnten zum Beispiel auch Bibliotheken sein.

Mit unserem Projekt „Netzwerk Bibliothek Medienbildung“, das der Deutsche Bibliotheksverband seit 2019 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung umsetzt, qualifizieren wir Bibliotheksmitarbeitende, ihre Expertise im Bereich der Medienbildung an Lehrer*innen und Kitamitarbeiter*innen weiterzugeben. Gleichzeit erstellen wir Vermittlungsformate zu verschiedenen medienpädagogischen Themen, die sowohl Bibliotheken als auch Schulen und Kitas anwenden können. Solche Fortbildungsangebote müssen weiter ausgebaut werden. Ziel muss es sein, die Medienbildung in der schulischen als auch der außerschulischen bzw. der Erwachsenbildung stärker in den bildungspolitischen Blick zu nehmen.

 

* https://www.digital-kompass.de/
** Bitkom Research 2021. Digitaltag 2021: Deutschlands digitale Spaltung überwinden: https://www.bitkom.org/sites/default/files/2021-06/bitkom-charts-digitaltag-14-06-2021_final.pdf
*** https://www.diefakehunter.de/

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