Die Pandemie hat den Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen Digitalisierungsschub verpasst. Wo steht Ihre Hochschulen in der digitalen Transformation derzeit?
Die digitale Transformation war für die Universität Freiburg bereits vor der Pandemie ein zentrales Thema. Wir konnten daher insbesondere in der Lehre sehr schnell reagieren. Hierbei war ein bereits gut funktionierendes E-Learning-System ebenso hilfreich wie vorhandene Strukturen und Kompetenzen, um z. B. Tutorials für Lehrende zu erstellen.
Zudem gibt es derzeit ein umfassendes Digitalisierungsprojekt für die Lehre, das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert wird: 4D – 4 Dimensions of Digital and Didactic Development, die sich auf Studierende, Lehrende, Organisation und Gesellschaft beziehen. Eine Vielzahl von Akteur*innen aus der zentralen Universitätsverwaltung, dem Rechenzentrum und den Fakultäten arbeitet hierbei zusammen. Das Projekt beinhaltet unter anderem die Entwicklung von neuen Angeboten für Studierende, von Qualifikationsmaßnahmen und Lehrpreisen für Lehrende sowie von kollaborativen Tools für die Lehrplattform ILIAS. Es soll zudem über die Universität hinaus wirken, etwa durch offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER).
Bei all dem ist für uns klar: Die Digitalisierungsmaßnahmen sollen ergänzend wirken für die Präsenzlehre und diese nicht ersetzen. Eine wichtige Erkenntnis für uns aus der Pandemie: Wir wollen in jedem Fall weiterhin eine Präsenzuniversität sein – Lehre und Studium leben vor allem vom direkten Austausch.
Auch in Sachen Heimarbeitsmöglichkeiten sind wir mit der Pandemie einen weiteren Schritt Richtung Digitalisierung gegangen: Alle Beschäftigten der Universität verfügen inzwischen dort, wo es die betrieblichen Anforderungen zulassen, über eine entsprechende technische Ausstattung, um uneingeschränkt im Homeoffice arbeiten zu können. Auch die entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen wurden geschaffen.
In der Forschung arbeiten wir an der Universität Freiburg unter anderem an einem integrierten Dokumentations- und Berichtssystem, um alle relevanten Forschungsdaten abbilden zu können. Und in der Verwaltung haben wir im Finanz- und Rechnungswesen seit 01.01.2022 auf die E-Rechnung umgestellt. Zudem steht ein weiteres Projekt in den Startlöchern: Die Einführung eines neuen Dokumenten-Management-Systems, das auch den Weg zum papierlosen Büro ebnen soll.
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Was braucht Ihre Hochschule, um die digitale Transformation künftig zu verstetigen?
Um die begonnenen Maßnahmen zu verstetigen und weiter auszubauen, benötigt die Universität Planungssicherheit in finanzieller wie personeller Hinsicht. Selbst wenn es langfristig im Zuge der digitalen Transformation zu Synergien und Effizienzgewinnen kommt, bedeutet die Transformation selbst zunächst einen erheblichen Mehraufwand, den die Universität nicht aus bestehenden Ressourcen bzw. zusätzlich stemmen kann.
Da von diesem Wandel alle Hochschulen betroffen sind, hat das Ministerium für Wissenschaft und Kunst (MWK) in Baden-Württemberg eine entsprechende Initiative gestartet, um Projekte zu koordinieren und die landesweite Zusammenarbeit zu fördern (digital@bw).
Welche Effizienzgewinne lassen sich aus Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen erzielen?
Solche Kooperationen sind heutzutage wesentlich für die digitale Entwicklung und Stärke einer Universität in allen Leistungsdimensionen. Effizienzgewinne, Synergieeffekte und der Nutzen sind enorm. Der leichte Austausch von Daten etwa unterstützt den Erkenntnisgewinn in der Forschung quantitativ und qualitativ. In der Lehre werden unter anderem E-Prüfungen, Kompetenzaufbau und Zugang zu Studienmaterialien sowie offene Bildungsmaterialien (OER) vereinfacht. Die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur spart natürliche und finanzielle Ressourcen, und auch die Kommunikationsarbeit profitiert von solchen Kooperationen. Nicht zuletzt sind die Kooperationen hilfreich, um digitale Systeme resilienter gegen Cyberattacken und Datenverlust zu machen.
Die Universität Freiburg ist an zahlreichen Kooperationen dieser Art beteiligt. Unter anderem an einem von mehreren fächergruppenspezifischen Verbünden zum High Performance Computing in Baden-Württemberg, in denen wir das System NEMO bereitstellen für Mikrosystemtechnik, Neurowissenschaften, Elementarteilchenphysik und Materialwissenschaften. In anderen Kooperationen teilen wir unter anderem Cloud-Infrastrukturen, Lehrpools, Speicherkapazitäten oder auch Kompetenzen und Wissen zum Thema IT-Sicherheit. All das insbesondere mit anderen baden-württembergischen Einrichtungen, aber auch darüber hinaus in Deutschland und der EU.
Neben der technischen Infrastruktur braucht die digitale Transformation auch einen Kulturwandel - inwieweit wandeln sich die Prozesse in Ihrer Hochschule in diesem Sinne?
Aus Sicht der Universität Freiburg ist ein solcher Kulturwandel die zentrale Voraussetzung und damit auch ein kritischer Erfolgsfaktor für die digitale Transformation. Diese kann nur gelingen, wenn wir gewohnte Denk- und Arbeitsweisen verändern – und das geschieht in den Köpfen und im Miteinander aller Statusgruppen einer Universität.
Vor diesem Hintergrund haben wir im Juni 2022 etwa eine Themenwoche für Beschäftige durchgeführt, die zum einen auf genau diesen Aspekt einging und zum Beispiel solchen Fragen nachging, wie: Was heißt digitale Transformation für den Arbeitsalltag konkret; wie wirkt sie sich auf die Wahrnehmung von Führungsverantwortung (Digital Leadership) aus? Zum anderen wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen einzelne Prozesse, etwa im Personalmanagement, analysiert und neue, digital gestützte Prozesse modelliert.
Die Universität Freiburg hat mit einem Programm mit dem Namen „Connected Services“ zudem einen organisatorischen Rahmen geschaffen, unter dessen Dach bereichsübergreifende Projekte zu einer Verbesserung von Arbeitsprozessen und zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit führen. Hier sind auch Digitalisierungsmaßnahmen mit einbezogen.