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Infrastrukturen brauchen Zeit, finanzielle Mittel und erhebliche Anstrengungen

Was die TKG-Novelle aus Sicht von eco bringt - und was nicht

Klaus Landefeld - Vorstand Infrastruktur und Netze, eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. Quelle: eco/ Laurin Schmid Klaus Landefeld Vorstand Infrastruktur und Netze eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. 10.09.2020
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Nach Ansicht des eco ist es vollkommen klar, dass wir universell verfügbare, leistungsfähige digitale Infrastrukturen zum Erreichen des Ziels einer Gigabitgesellschaft benötigen", sagt Klaus Landefeld, Verbands-Vorstand Infrastruktur und Netze. Ob die geplante TKG-Novelle diesbezüglich die gewünschten Effekte bringt, sieht er in einigen Details durchaus skeptisch.







Nach ersten bekannt gewordenen Details soll die geplante TKG-Novelle einen rechtlichen Anspruch auf schnelles Internet vorsehen - wie bewerten Sie das?
Die aktuelle Corona Krise hat uns die große Bedeutung leistungsfähiger, digitaler Infrastrukturen deutlich gemacht. Digitale Technologien tragen zur Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens in allen Lebenssituationen bei. Auch in der Politik ist heute das Bewusstsein vorhanden, dass ein schnelles Internet als Basis-Infrastruktur die Voraussetzung der Digitalisierung, des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit und der sozialen Teilhabe ist.

Ein Anspruch auf schnelles Internet, wie er auch bereits in anderen EU-Staaten verankert wurde, klingt in Folge sowohl für Verbraucher, Diensteanbieter sowie für Inhalte-Anbieter natürlich als erstrebenswertes Ziel. Allerdings stellt ein solcher Anspruch die Anbieter von Internetzugangsdiensten, und diese müssen ihn letztlich umsetzen, vor einige erhebliche Probleme, deren Lösung größtenteils auch nicht in ihrer Hand liegt. An dieser Stelle können exemplarisch die Wirtschaftlichkeit eines Ausbaus, überlange Baugenehmigungsverfahren, fehlende Kapazitäten bei Bauunternehmen, eine Weigerung der Eigentümer von Grundstücken und Häusern, Baumaßnahmen zu zulassen, sowie unterschiedliche Zuständigkeiten bei einer Vielzahl von Behörden genannt werden.

Nach Ansicht des eco ist es vollkommen klar, dass wir universell verfügbare, leistungsfähige digitale Infrastrukturen zum Erreichen des Ziels einer Gigabitgesellschaft benötigen. Die Herausforderung zur Erreichung dieses Ziel wird sein, geeignete Mittel zu definieren und sinnvolle politische Weichenstellungen zu treffen - denn ein politisch ausgelobtes „Recht auf schnelles Internet“ wird ja nicht automatisch dazu führen, dass es quasi von heute auf morgen überall schnelles Internet gibt. Die hierzu benötigten Infrastrukturen tatsächlich zu realisieren braucht Zeit, finanzielle Mittel und erhebliche Anstrengungen der Unternehmen, die die Infrastruktur dafür tatsächlich errichten.

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Für mangelnde Bandbreiten sollen Verbraucher künftig ein Minderungsrecht erhalten - was schätzen Sie dieses Vorhaben ein?
Ein Minderungsrecht für Verbraucher bei Schlechtleistung eines Vertragspartners hört sich für jene zunächst nachvollziehbar und mit anderen Rechtsgebieten vergleichbar an. Klar, dass Kunden natürlich auch das Produkt mit der Leistung erhalten müssen, welches sie bestellt haben - dies wird wohl niemand in Abrede stellen. Allerdings kann die Beantwortung der Frage, warum die Bandbreite im Einzelfall hinter den Erwartungen des Kunden zurückbleibt, nicht pauschal erfolgen und ist individuell von verschiedenen Faktoren und deren Zusammenspiel abhängig. Regelmäßig ist die Ursache des Problems außerhalb des Einflussbereichs des Zugangsanbieters angesiedelt, da zur erfolgreichen Nutzung eines einzelnen Internet-Dienstes zumeist eine Vielzahl von Anbietern reibungslos zusammenarbeiten müssen.

Eine Feststellung, ob eine Minderung gerechtfertigt ist, kann sich in der Praxis aber selbst innerhalb des Netzes eines Zugangsanbieters schwierig gestalten, da die Leistung des Interanschlusses von vielen Faktoren abhängt. Beispielsweise kann eine veraltete Verkabelung im Haus des Nutzers ausschlaggebend dafür sein, dass die erwartete Downloadgeschwindigkeit nicht erreicht wird. Das mit weitem Abstand häufigste Beispiel sind sicherlich schlechten WLAN-Verbindungen in der Wohnung des Verbrauchers, die dieser nicht erkennt. Ein weiteres oft beobachtetes Problem können Geräte mit älteren Netzwerkkarten, oder auch die Geräte selbst sein, welche sowohl die Anforderungen der Diensteanbieter nicht erfüllen, als auch die vom Anbieter bereitgestellte Geschwindigkeit nicht erreichen. Als konkretes Beispiel kann ein PC oder Notebook mit einer 100 Mbit/s Netzwerkkarte dienen, welche noch angetroffen werden. In der Praxis werden über eine solche Karte 80Mbit/s im Download erreicht - hat der Kunde also 200Mbit/s gebucht und werden diese auch tatsächlich vom Anbieter bereitgestellt, wird der Kunde diese trotzdem nicht erreichen können. Gleiches gilt für viele, eigentlich veraltete, Heimrouter – auch hier muss ein aktuelles Modell verwendet werden, um Geschwindigkeiten von mehreren hundert Mbit/s zu erreichen.   

Es wir oft übersehen, dass die Unternehmen ein Eigeninteresse daran haben Ihren Kunden ein Produkt zu liefern, dass ihre Erwartungen erfüllt. Das A und O im Telekommunikationsmarkt ist letztlich eine langfristige Kundenbeziehungen. Diese setzt voraus, dass die Kunden mit ihrem Anbieter und dessen Produkten und Dienstleistungen zufrieden sind. Die Unternehmen werden daher im eigenen Interesse nur ein Produkt anbieten, dass sie auch zur Verfügung stellen können. Natürlich kann es im Einzelfall dazu kommen, dass ein Produkt hinter den Erwartungen zurückbleibt – dann sind diese Unternehmen in der Regel immer bestrebt, tragfähige Lösungen im beiderseitigen Interesse zu finden.

Ein solches Minderungsrecht ist daher aus unserer Sicht eigentlich nicht zwingend erforderlich. Es ist marktüblich, dass die Anbieter ihren Kunden bereits heute freiwillig einen günstigeren Vertrag anbieten, wenn die Down- und/oder Upload-Geschwindigkeiten aus vom Anbieter zu vertretenden technischen Gründen nicht erzielt werden können.

Im Gespräch ist eine Befristung der Laufzeiten von Mobilfunkverträgen auf zwölf Monate - was halten Sie davon?
Aus Sicht von eco ginge eine solche Regelung an den Bedürfnissen sowohl der Kunden als auch der Anbieter vorbei – sie entspricht nicht den praktischen Gegebenheiten im Markt, denn bereits heute werden Tarife mit verschiedenen Vertragslaufzeiten am Markt angeboten. Derzeit hat der Verbraucher die Möglichkeit, aus der Palette der verfügbaren Angebote einen Tarif auszuwählen, der zu den eigenen Bedürfnissen am besten passt.

Mit der gesetzlichen Beschränkung würde faktisch das Wahlrecht für Verbraucher eingeschränkt und die Anbieter gehindert, kundengerechte und nachgefragte Produkte anzubieten und bereitzustellen. Nicht zuletzt müssen Anbieter bereits heute auch Angebote mit einer Kündigungsmöglichkeit bieten, welches bewirkt, dass der Kunde nach 12 Monate nicht mehr an den Vertrag gebunden ist. Die Nachfrage nach diesen Angeboten ist sehr gering, da sich die Kunden überwiegend für Verträge mit bezuschusster Hardware wie Handys, Router und ähnliches entscheiden. Eine derartige Bezuschussung oder Ratenzahlung erfordert aber wirtschaftlich eine gewisse Laufzeit, um für den Verbraucher überhaupt attraktiv zu sein. Diese ist bei nur 12 Raten sicher nicht erreicht.

Eine weitere gesetzliche Begrenzung verringert insofern primär die Planungs- und Investitionssicherheit der Anbieter, welche sich negativ auf den Ausbau der 5G-Netze und in Folge auf den Ausbau der Glasfasernetze im ländlichen Raum auswirkt. Eine Begrenzung ist daher weder für die Kunden noch für Anbieter interessengerecht.    

Das Gesetz soll auch Impulse für Ko-Investitions- und Open-Access-Modelle beim Breitbandausbau setzen - welche Rolle kann das beim Breitbandausbau in der Fläche spielen?
Die angedachten Impulse durch Ko-Investitions- und Open-Access-Modelle sieht eco grundsätzlich positiv, da sie einen Beitrag zum schnelleren Ausbau der Netze und somit zur Erreichung der Gigabitgesellschaft geben könnten. Die praktische Umsetzung sehen wir jedoch kritisch, da im derzeitigen Vorschlag der Bundesnetzagentur die Umsetzung des sehr komplexen und verschachtelten Prüfprogramms der Voraussetzungen aufgegeben wird. An der Praktikabilität hegt eco insofern Zweifel: Es steht vielmehr zu befürchten, dass es sich in der Praxis ähnlich verhalten wird wie mit aktuellen Kooperationen und Open Access Angeboten vieler Anbieter.

Open-Access Angebote liegen oftmals nicht vor oder bestehen nur auf dem Papier, es werden Musterverträge vorgehalten aber keine abschlussreifen Angebote, notwendige Zusammenschaltungen im technischen oder administrativen Bereich werden nicht umgesetzt. Oft werden diese (Schein-)Angebote zudem dazu genutzt, entsprechenden Verträge zu verzögern oder die Wettbewerber hinzuhalten um sich den neu erschlossenen Markt für das eigene Unternehmen zu sichern.
Kooperative Modelle hingegen sind zwar letztlich wirtschaftlich sinnvoll, in der konkreten Umsetzung aber oftmals zu träge um dem sich verändernden Markt zu folgen oder inkompatibel mit der derzeitigen Förderung des BMVI in der Fläche. Bereits im regulierten Markt kommt die Bundesnetzagentur ihrer Überwachungs- und Durchsetzungsaufgabe derzeit nur unzureichend nach, im Bereich des geförderten Ausbaus oder der freiwilligen Kooperation sind die Beschlüsse der Schiedsstelle letztlich nicht belastbar. Eine Verbesserung wäre an dieser Stelle dringend erforderlich. Insofern werden Seitens eco durch den derzeitigen Entwurf keine kurzfristigen Verbesserungen im Breitbandausbau in der Fläche erwartet.

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