Nach dem Willen des EU-Parlaments soll für die unterschiedlichen Systeme bei der elektronischen Rechnungsstellung schnellstmöglich ein harmonisierter, gemeinsamer Standard geschaffen werden. Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie dabei?
Eine zentrale IT-Infrastruktur, welche die Bereitstellung digitaler Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz ermöglicht, wird bereits genutzt. Die elektronische Rechnungsübertragung der Lieferanten an öffentliche Verwaltungen stellt, gewissermaßen, die Gegenrichtung dar. Sie zu realisieren ist unbedingt zu empfehlen, weil sie gerade mit Blick auf die Umsatzbesteuerung weniger betrugsanfällig ist. Darüber hinaus ist die elektronische Rechnungsstellung auch prozessual gesehen geeignet, Medienbrüche zwischen den Lieferanten und dem öffentlichen Bereich zu vermeiden, Daten in Echtzeit zu verarbeiten und, letztlich, dadurch auch langfristig Kosten einsparen zu können. Es wird ohnehin keine Alternative dazu geben. Um überhaupt mit Lieferanten kommunizieren zu können, muss die technische Kommunikationsbasis auf beiden Seiten harmonisiert sein: Industrie 4.0 macht eine Verwaltung 4.0 unerlässlich. Die größte Hürde ist auch nicht die technologische Umsetzbarkeit, sondern die politisch-administrative Durchsetzung einer EU-weiten Vereinheitlichung. Politische Einflussnahmen und die Verfolgung von Partikularinteressen stehen häufig im Wege, wie es in Deutschland bereits im Zuge der Einführung der XRechnung festzustellen war. Hinzu kommt, dass einige EU-Staaten schon mit eigenen Lösungen für eine elektronische Rechnungsstellung produktiv sind. Eine europaweite Umsetzung ist daher unter diesen Voraussetzungen erst langfristig zu erwarten.
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Die EU-Staaten sollen sich in diesem Zusammenhang um Systeme zur Einhaltung der Steuervorschriften kümmern - wie bewerten Sie das?
Die Einführung einer IT-gestützten Überwachung der Tax Compliance kann zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit beitragen und ist daher uneingeschränkt zu begrüßen. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die Komplexität der Steuervorschriften, alleine schon national, erst recht aber auf supranationaler Ebene, derzeit durch die Informationstechnologie in ausreichendem Maß erfasst und ausgewertet werden kann. Mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz zeichnen sich allerdings Potentiale ab, dafür Lösungen bereit zu stellen. Noch dürften die entsprechenden Algorithmen aber nicht die Reife haben, vollumfassend für eine Überwachung der Tax Compliance eingesetzt werden zu können. Es bedarf, darüber hinaus, der Etablierung eines Tax Compliance Management-Systems, welches neben der Technologie auch eine in quantitativer wie qualitativer Hinsicht adäquaten Personalausstattung umfassen muss. Das Entscheidende ist jedoch, dass die Digitalisierung ganz grundsätzlich bedingt, dass die Prozesse in den öffentlichen Verwaltungen zunächst digitalisierungsfähig gemacht werden müssen. Hier besteht noch enormer Handlungsbedarf, die operativen Prozesse umzustellen, bevor darauf mit einheitlichen, digitalen Prozessen aufgesetzt werden kann.
Bei den einheitlichen Systemen sollen die Kosten für KMU im Blick behalten werden - wie lassen sich die Aufwände für kleine Unternehmen möglichst gering halten?
Viele KMU verfügen bereits über cloud-fähige Informationssysteme. Diese auf eine vereinheitlichte elektronische Rechnungsstellung auszurichten, dürfte mit überschaubarem Aufwand zu realisieren sein. Zu denken wäre allerdings darüber hinaus an die Bereitstellung einer Cloud-Infrastruktur durch die öffentliche Hand, in die auch KMU ihre Daten ablegen können. Dies hätte den Vorteil, zentral eine Harmonisierung der Daten vornehmen zu können. Solche Cloud-Infrastrukturen werden bereits eingesetzt, etwa bei der Wirtschaftsprüfung (Audit Clouds). Inwieweit eine Realisierung im Rahmen des Projekts GAIA-X möglich wäre, müsste näher untersucht werden.
Welchen Zeitrahmen halten Sie bei der angestrebten Hamonisierung für realistisch?
Nur ein Beispiel: Das Projekt der Europäischen Kommission zur Entwicklung einheitlicher europäischer Rechnungslegungsstandards (EPSAS) wurde im Jahr 2013 gestartet. Sie hätten ab 2020 eingeführt werden sollen. Sie sind es bis heute nicht. Weder sind die Standards final entwickelt worden, noch stehen die sonstigen organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen fest.



