Nach einer aktuellen Erhebung wollen viele Unternehmen das zur Corona-Krise eingeführte Home-Office dauerhaft stärker etablieren – was sind die wichtigsten Vorteile davon?
Die unmittelbaren Vorteile liegen auf der Hand, sie reichen vom sinkenden Platzbedarf und entsprechend reduzierten Kosten bis zu einer stärkeren Motivation der Mitarbeiter*innen. Aus deren Sicht steht eher die wachsende Flexibilität im Vordergrund – und der Gewinn an Zeit. Wer nicht mehr ins Büro fahren muss, hat deutlich mehr vom Tag. Klare Vorteile, die es lohnt zu realisieren. Und doch drohen wir das eigentliche Potenzial der aktuellen Entwicklung zu übersehen, wenn wir uns nur auf das reine Home-Office im engeren Sinne konzentrieren.
Die eigentlichen Potenziale ergeben sich nicht aus einem ergonomisch korrekt eingerichteten Schreibtisch im heimischen Arbeitszimmer. Eine Betriebsvereinbarung zum Home-Office mit dem Betriebsrat auszuhandeln, ist leicht. Die Chance hinter dem Begriff „Home-Office“ ist ein Sprung in der Unternehmenskultur.
Sie führen über Aufgaben und Ziele? Dann hören Sie heute auf, Arbeitszeiten oder gar Anwesenheiten zeitlich zu erfassen. Setzen Sie auf Eigenverantwortung und wann immer eine Aufgabe in der halben Zeit erledigt ist, freuen Sie sich gemeinsam mit dem Team. Den Begriff „Vertrauensarbeitszeit“ motten Sie bei dieser Gelegenheit direkt ein. Wenn Sie noch betonen müssen, dass Sie Ihren Mitarbeiter*innen zutrauen, auch ohne Kontrolle im vertraglich vereinbarten Umfang am Schreibtisch zu sitzen, belegen Sie letztlich nur Ihr profundes Misstrauen. Sie wollen gar keine Stunden zählen, sie wollen Ergebnisse. Mobile work hilft gerade Führungskräften, sich hier auf den Kern zu fokussieren.
Ein weiterer Bonus mobiler Arbeit ist ein neues Potenzial für das Recruiting. Konsequent zu Ende gedacht, muss niemand mehr wegen eines Jobs eine Wohnung in München, Hamburg oder Köln finden und finanzieren, muss niemand mehr für eine interessante Stelle die geliebte Heimatstadt verlassen und in vermeintlich entlegene ländliche Regionen ziehen. In vielen Gesprächen hören wir, wie tief die Überzeugung sitzt, neue Mitarbeiter*innen müssten immer auch in die Region des Unternehmens ziehen. Wer daran festhält, überlässt den größeren Teil des Arbeitsmarkts kampflos der Konkurrenz.
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Nach ersten Erkenntnissen funktioniert individuelle Arbeit im Homeoffice besser als Teamarbeit. Was bedeutet das für das Management?
Bitte Vorsicht vor zu schnellen Verallgemeinerungen. Wer sein Projektmanagement im Griff hat, muss keine Angst vor dezentraler Zusammenarbeit haben. Im Gegenteil: Eine Teamarbeit remote kann zu effizienteren Abstimmungen und einer konsequenteren Dokumentation des erreichten Projektstands führen. Unsere aktuellen Untersuchungen zeigen, dass die empfundene Kollegialität im Team bei mobile work kaum nachlässt. Der Small Talk am Kaffeeautomaten mag fehlen, die Wahrnehmung gegenseitiger Unterstützung ist davon kaum getrübt.
Natürlich ist Führung im dezentralen Team für viele Führungskräfte eine vergleichsweise neue Anforderung, die sich auch nicht mit einer klassischen Weiterbildungsmaßnahme erledigen lässt. Für das Management liegt hier vor allem eine Lernaufgabe: Den eigenen Leuten zuhören, Erfahrungen sammeln, die Charakteristik und DNA der eigenen Organisation nüchtern betrachten und auswerten.
Wir sehen, dass die Unternehmenskultur gerade in der Krise deutlich zu Tage tritt. Wie geht die Organisation mit disruptiven Veränderungen um, wie flexibel und beweglich kann sie reagieren? Die aktuelle Krise, die ja selbst noch lange nicht vorüber ist, ist nur die erste in einer ganzen Reihe von Krisen, die wir in den 20er Jahren erwarten können. Wir wissen schon von der demografischen Krise, von der Klimakrise und die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt werden für uns ebenso krisenhaft sein. Diese Krise ist für das Management vor allem eines: Ein Lernfeld.
In der Corona-Krise wurden viele Meetings online durchgeführt – wie verändert sich die Zusammenarbeit, wenn persönlicher Austausch auf Dienstreisen durch Online-Termine ersetzt wird?
Die eigentlich überraschende Erkenntnis ist doch: Es geht – entgegen aller jahrelangen Beteuerungen vielreisender Vertriebler und Projektmanager. Die Auswirkungen für Hotellerie und Mobilitätsanbieter sind natürlich gravierend. Aber versuchen wir doch gar nicht erst, dem hauseigenen Controller zu erklären, dass es nach einem Jahre Corona-Pause wieder notwendig ist, für einzelne Meetings quer durch die Republik zu reisen. Der Controller weiß schon, dass in derselben Zeit sechs Videocalls mit unterschiedlichen Kunden möglich sind. Und der Kunde weiß schon, welches Meeting wirklich eine E-Mail hätte sein können. Wir schneiden hier vielfach nur eine Praxis ab, die sich ohnehin längst überlebt hatte. Das Thema Dienstreise ist im Wesentlichen Geschichte.
Inwieweit lassen sich künftig Büroflächen durch Home-Office- oder Hybrid-Modelle einsparen?
Als State of the art darf gelten: Minus 10% geht immer. Selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung steht ein traditionelles Büro ja ohnehin meistens leer. Siemens hat gerade als Direktive ausgegeben, die Büroflächen dauerhaft um 30% zu reduzieren. Es geht also mehr.
Fragen wir doch lieber andersherum und denken über Aufbau statt Abbau nach: Wenn Sie heute ein komplett neues Unternehmen gründen würden, wie würden Sie das Thema Büro angehen? Was brauchen Sie wirklich und welche Möglichkeiten würden wir uns verschaffen? Meeting- und Begegnungsflächen? Sicher. Erstklassiges Internet und modular einsetzbare Technik: Ebenso sicher. Würden wir aber standardmäßig für jeden Mitarbeiter ein eigenes Zimmer bereitstellen? Wohl kaum. Im Gegenzug würden Sie extra Flächen bereitstellen, auf denen sie Partner und Externe zur Zusammenarbeit einladen. Das regt Ihre kreativen Prozesse an. Mindestens ebenso spannend wie die Summe der Quadratmeter ist die Frage, wie wir Flächen nutzen.