Nach dem aktuellen Waldzustandsbericht sind vier von fünf Bäumen bundesweit krank. Wie sehen Sie die Entwicklung der hiesigen Wälder in den letzten Jahren?
Wir sind sehr besorgt um den Wald. Der Klimawandel schreitet in den letzten Jahren sehr rasant voran. Ausschlaggebend sind dabei nicht die steigenden „Durchschnittstemperaturen“, sondern die mittlerweile fast jährlich stattfindenden Dürre-Perioden. Früher galt der Juli als regenreichster Monat des Jahres, heute haben wir dann jedoch in der Regel seit vielen Wochen schon keinen Tropfen Niederschlag mehr gesehen. Dieser fällt nun wiederum vermehrt im Winter - dann, wenn gerade die Laubbäume nicht einmal mehr Blätter tragen. Anders als in der Landwirtschaft braucht ein Baum im Wald fast ein Jahrhundert, um zu wachsen. Daher ist es nahezu unmöglich, dass ein einzelner Baum sich an diesen schnellen Wandel anpassen kann.
Glücklicherweise beginnen wir mit dem Waldumbau nicht erst jetzt. Bereits seit über 30 Jahren wird der Wald durch Forstleute aktiv an den Klimawandel angepasst. Damit diese Arbeit Früchte trägt, brauchen wir jedoch zwei Dinge. Zuallererst muss der Klimawandel gestoppt werden. Unter dieser Bedingung können wir Forstleute versuchen neue Wälder mit verschiedensten Baumarten entstehen zu lassen. Allerdings benötigen wir hierzu nicht nur Gelder, sondern auch Wertschätzung für unsere Arbeit, denn jeder Förster leidet genauso unter diesen dramatischen Waldbildern und ist innerlich ein wahrer Leidenschaftstäter. Also sagen Sie gerne bei Gelegenheit ihrem Förster oder ihrer Försterin einfach mal „Danke“, das würde ihn bzw. sie sehr freuen!
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Der Wald steht durch den Klima-Wandel unter Druck und ist zugleich ein wichtiger Faktor im Kampf um die Begrenzung der Erderwärmung - welche Herausforderungen sehen Sie auf die hiesige Forstwirtschaft zukommen?
Die erste große Herausforderung wird es sein, unsere Wälder mit Baumarten zu (unter-) bepflanzen, die in einer uns derzeit noch unbekannten klimatischen Zukunft einen gesunden und stabilen Wald bilden können. Hierbei setzen wir auf Vielfalt. Wir werden uns dabei auch Irren und müssen aus diesen Fehlern durch wissenschaftliche Begleitung neue Erkenntnisse sammeln.
Die zweite Herausforderung sind die vielfältigen Anforderungen an den Wald. Er muss stabil, möglichst naturnah und ästhetisch schön sein, soll zeitgleich verschiedenste Holzarten für unseren Lebensalltag liefern, ein Ort der Erholung und ein wichtiger Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten sein. Hierbei ist uns wichtig, dass der Wald nicht wie ein Kuchen ist, von dem wir jeweils ein Drittel für die Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktion abschneiden müssen. Wir sind überzeugt, dass wir all diese Ansprüche mit einer Multifunktionalen und Naturnahen Waldbewirtschaftung auf einer Fläche sicherstellen bzw. sogar steigern können. Zeitgleich müssen wir als Gesellschaft jedoch verantwortungsvoll mit ihm und seinem Rohstoff umgehen und diesen so langfristig wie möglich nutzen.
Holz ist auch ein nachhaltiger Rohstoff. Welche Rolle kann der Wald für die wirtschaftliche Transformation spielen?
Holz wird die Lösung für die Transformation unserer Wirtschaft sein. Mit hohem Aufwand können (und müssen wir) daran forschen, Beton CO2-neutral herzustellen. Holz wird jedoch von Natur aus nicht nur CO2-neutral durch unsere Wälder zur Verfügung gestellt, es speichert sogar in über 50 % seiner Masse Kohlenstoff ein. Wenn wir verantwortungsvoll damit umgehen, kann auf der einen Seite im Wald neues Holz nachwachsen und dabei neuen Kohlenstoff binden und auf der anderen Seite bspw. unsere Häuser von einer CO2-Quelle zu einem der gemütlichsten“ Kohlenstoffspeicher“ werden. Mit einer modularen Bauweise und einer daraus resultierenden möglichst langen Kaskadennutzung können wir die verfügbare Rohstoffmenge im Kreislauf erhöhen. Aus dem Holzhaus wird vielleicht nach 100 Jahren ein neuer Schreibtisch, im Anschluss eine Spanplatte, dann Dämmmaterial oder Papier und schlussendlich könnten wir es noch möglichst effizient dazu nutzen, unsere (Holz-) Häuser im Winter warm zu halten. Auf diesem Weg der Transformation kann Holz als Multitalent zusätzlich noch ein Vielfaches an CO2-Ausstoß verhindern.
Wissenschaftler wollen den Wald mit digitaler Sensorik resilienter machen - wie kann moderne Technik dem Wald aus Ihrer Sicht helfen?
In der zweiten Frage habe ich bereits erwähnt, wie schwer es ist, den richtigen Wald der Zukunft zu finden. Für diese wichtige Entscheidung brauchen wir in erster Linie alle Informationen, die wir bekommen können. Hierbei wird die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen! Beispielsweise können wir mit genauen Standortskarten und Klimamodellen auf die passenden Baumarten der Zukunft schließen. Zeitgleich kann Digitalisierung den Verwaltungsaufwand minimieren, sodass den Forstleuten mehr Zeit für ihre wichtige Arbeit auf der Fläche bleibt. Schon heute können immer mehr Revierleiter*innen direkt im Wald Schutzgebietsverordnungen, Habitat-Kartierungen und viele weitere Informationen einsehen, um in Ihren Planungen bestmöglich darauf Rücksicht zu nehmen.
Wenn sich unsere Baumarten verändern, verändert sich auch das Holzaufkommen. Mit Computer-Modulationen kann die Holzindustrie die in Zukunft zur Verfügung stehenden Holzarten und Mengen abschätzen und sich bestmöglich darauf einstellen.
Zusammengefasst – der Förster der Zukunft wird nicht mehr nur am Dackel, sondern vielmehr auch am Tablet und dem GPS-Gerät zu erkennen sein!