Die Pandemie hat den Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen Digitalisierungsschub verpasst. Wo stehen die hiesigen Hochschulen in der digitalen Transformation derzeit?
Die nun seit fast drei Jahren andauernde Corona-Pandemie hat der Digitalisierung der Hochschulen einen nachhaltigen Schub gegeben. Insbesondere hat sie die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Herausforderungen onlinebasierter Lehre und mit den Potenzialen einer klugen Verschränkung von Präsenz- und digitalen Distanzformaten in Studium und Lehre befördert. Wie unter einem Vergrößerungsglas ist dabei auch grundsätzlicher Reform- und Verbesserungsbedarf deutlich geworden: etwa die überfällige Reform des Kapazitätsrechts und der Lehrverpflichtungsverordnungen. Zudem fehlen weiterhin einheitliche rechtliche Rahmen für digitale Prüfungen. Und auch für den Hochschulbau ergeben sich angesichts innovativer Lehr- und Studienformen und Raumkonzepte neue Forderungen zur technischen Ausstattung.
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Was brauchen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, um die digitale Transformation künftig zu verstetigen?
In der Pandemie hat sich bei allen Erfolgen in der – anfangs ja sehr kurzfristig zu bewerkstelligenden – Umstellung auf Online-Formate klar gezeigt, welch großen Unterstützungsbedarf die Hochschulen hier haben. Sie mussten und müssen zur Sicherung der digitalen Lehrangebote und anderer Arbeitsprozesse an die Grenze des Möglichen und vielfach darüber hinaus gehen. Jetzt benötigen die Hochschulen daher merkliche und belastbare Unterstützung für den Ausbau einer den Anforderungen nachhaltig genügenden und entwicklungsfähigen digitalen Infrastruktur. Das gilt vor allem für die technische Basis, für die kontinuierliche Qualifizierung und Weiterbildung des Personals – insbesondere der Lehrenden und der IT-Sachverständigen in unseren wissenschaftsunterstützenden Einrichtungen –, sowie für die Sicherung der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Einsatz digitaler Werkzeuge. Damit die Hochschulen ihre Aufgaben jetzt und künftig angemessen bewältigen können, benötigen sie zusätzliche Ressourcen, wie auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Bund in Form des Programms ‚Digitale Hochschule‘ vorgesehen.
Welche Effizienzgewinne lassen sich aus Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen erzielen?
Im Bereich der Digitalisierung sind die Kooperationsmöglichkeiten von Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen standortspezifisch zu bewerten. Der gemeinsame Betrieb von Rechenzentren könnte beispielsweise eine Option mit wechselseitigem Mehrwert sein. Die meisten Herausforderungen der Digitalisierung müssen Hochschulen aber autonom oder in Hochschulverbünden bewältigen, zumal dort neben forschungsspezifischen Bedarfen viele weitere Anforderungen, insbesondere in der Lehre, im Blick zu halten sind. Daher geht es meist erst einmal darum, die nötige Effektivität der digitalen Infrastruktur sicherzustellen, bevor man sinnvoll über mögliche Effizienzgewinne aus Kooperationen oder deren praktische Ausgestaltung sprechen kann.
Neben der technischen Infrastruktur braucht die digitale Transformation auch einen Kulturwandel - inwieweit wandeln sich die Prozesse an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in diesem Sinne?
Eine den vielfältigen Aufgaben einer Hochschule adäquate technische Infrastruktur ist die Basis. Zu einer im umfassenden Sinn digital aufgestellten Hochschule gehört es aber in der Tat, dass sich Arbeitsprozesse und Hochschulkultur gleichermaßen weiterentwickeln. Die deutschen Hochschulen haben diesen Weg überwiegend bereits engagiert eingeschlagen. Wie können neue, hybride Lehrformate didaktisch sinnvoll gestaltet, wie können Präsenzkulturen neu organisiert werden? Welchen Anforderungen muss die digitale Hochschulverwaltung entsprechen? Initiativen wie das von der HRK mitgetragene ‚Hochschulforum Digitalisierung‘ helfen den Hochschulen bei der Suche nach Antworten auf solche Fragen und dienen als Think-&-Do-Tank. Konkret auf die Hochschullehre bezogen wird ein Teil eines Kulturwandels beispielsweise sein, die Expertise des wissenschaftsunterstützenden Bereichs stärker einzubeziehen, etwa bei der Erstellung von Lernvideos oder -apps. Lehrende müssen nicht alles von Anfang bis Ende allein machen, und es wäre hilfreich, wenn die so erarbeiteten digitalen Angebote auch anderen Kolleg:innen zur Verfügung gestellt werden würden. Das gilt etwa auch für die institutionsübergreifende Erstellung und Nutzung von Lehr- und Lernmaterialen. Dafür müssen allerdings die Voraussetzungen stimmen bzw. auch mithilfe von Bund und Ländern geschaffen werden.