Die hiesigen Hochschulen sind auf dem Weg zu smarten Hochschulen - zugleich herrscht nach der Pandemie wieder vielerorts die Präsenzlehre vor. Wieviel digital und wie viel analog macht einen Campus smart?
Digitale Angebote sind ein fester Bestandteil von Forschung und Lehre geworden und bereichern insbesondere auch die Kompetenzvermittlung, wo immer dies sinnvoll und hilfreich ist. Ein moderner Campus entwickelt sich laufend weiter und die Einführung von neuen digitalen Lösungen ist ein ständiger Prozess. Die meisten Hochschulen in Deutschland sind Orte der Präsenzlehre und ziehen daraus auch ihre Stärke und das individuelle Profil. Insbesondere in der forschungsorientierten Lehre ist die enge Verknüpfung zwischen Fragen aus der aktuellen Forschung und der Vermittlung in Lehrveranstaltungen ein wichtiges Element. Viele Wissenschaftsdisziplinen sind wesentlich vom Einsatz digitaler Methoden beispielsweise in daten- und rechenintensiven Feldern abhängig. Daher ist es ganz natürlich, auch in der Lehre solche Kompetenzen zu vermitteln. Dennoch lebt ein aktiver Campus auch von der direkten Interaktion von Studierenden und Lehrenden. Eine Reduktion auf die Unterscheidung Online- versus Präsenz-Lehre als Maßstab für einen smarten Campus ist daher nicht sinnvoll; stattdessen sind Auswahl und Anwendung von digitalen Lösungen in Bereichen zielführend, wo sie auch einen Mehrwert bieten.
KI hat das Potenzial, Studium und Lehre grundlegend zu verändern. Wie gehen Sie damit um?
Künstliche Intelligenz stellt neue und sinnvolle Möglichkeiten zur Verfügung, die für Lehrende und Lernende gleichermaßen relevant sind. Die Universität Göttingen nimmt das Thema KI daher positiv auf und unterstützt es aktiv mit eigenen Beratungs- und Dienstangeboten in der digitalen Lehre. So werden beispielsweise KI-Tools und eigene Sprachmodelle angeboten, zu denen es auch spezifische Hinweise zum Einsatz in der Lehre gibt. Insbesondere bei Prüfungen befinden wir uns in einem Wandel, um diese KI-sensibel zu gestalten. Beispielsweise ist bei unbeaufsichtigten Prüfungsformaten ganz offensichtlich, dass Weiterentwicklungen und Anpassungen notwendig sind, die auch Aufwand erzeugen. Durch die rasche Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ist dies ein Prozess, der auch in den kommenden Jahren stetig voranzutreiben ist. Als Universität sehen wir uns als Ort, an dem Methodenentwicklung in der KI ebenso stattfindet, wie deren Einsatz in Forschung und Lehre, als auch die kritische Diskussion zu ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen.
Hochschul-IT-Systeme gelten aufgrund ihrer Größe und der vielen Zugänge als besonders schwer zu sichern - welche Anstrengungen unternehmen Sie in Sachen Cybersicherheit?
Cybersichersicherheit stellt Hochschulen vor größere Herausforderungen, da wir vergleichsweise offene Orte sind, an denen viele unterschiedliche Menschen im Rahmen von Forschung und Lehre zusammenkommen. Möglichst viel Freiheit, Individualität und Flexibilität steht den Anforderungen von Informationssicherheit oft entgegen. Hohe Sicherheit geht häufig mit weniger Komfort und Einschränkungen für unsere Nutzenden einher, für die man Akzeptanz und angepasste Modelle finden muss. Wir unterscheiden daher unsere essenziellen IT-Kerndienste von den sonstigen Anwendungen und sichern diese enger ab. Durch Einführung und Zertifizierung eines Informationssicherheitsmanagements (ISMS) haben wir wesentliche Schritte unternommen, um uns für Cybersicherheit besser aufzustellen. Die Einführung von Multi-Faktor-Authentifizierung und ein besserer Schutz von Zugangsdaten sind wichtige Bausteine zu höheren Sicherheitsstandards. Aktuell befinden wir uns im Aufbau von neuen Strukturen zur Überwachung unserer Systeme auf Auffälligkeiten, um hierauf schneller reagieren zu können. Diese Schritte sind aufgrund unserer Größe und Struktur jedoch herausfordernd. Hier können Kooperationen und Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen helfen.
Digitalisierung bindet Geld und Ressourcen - wie sollte die Politik die Hochschulen in dieser Frage unterstützten?
Die Grundfinanzierung an Hochschulen ist in Deutschland nicht auskömmlich, was man in den verschiedensten Bereichen insbesondere in der Infrastruktur sieht. Daher fehlt es auch bei der Digitalisierung selten an Erkenntnissen, was zu tun ist, allein die Finanzierung stellt uns vor Herausforderungen. In den vergangenen Jahren gab es aus der Politik immer wieder Förderprogramme, insbesondere zur Pandemie, um Digitalisierung voranzutreiben. Dies hilft uns sehr, um einzelne Themen anzugehen. Jedoch sind diese Förderungen typischerweise rein projektbezogen, ohne eine langfristige Perspektive. Dies ist der Bedeutung der Themen weder angemessen noch sinnvoll. Die Hoffnung, dass Digitalisierung sich durch Effizienzgewinne selbst refinanziert, trifft in der Realität erfahrungsgemäß selten zu. Ganz im Gegenteil sehen wir starke Kostensteigerung durch neue Anforderungen oder Preissteigerungen von Anbietern. Im Grundbudget einer Hochschule eine ständige Verschiebung von Ressourcen aus Forschung und Lehre in die Bereiche Digitalisierung und Infrastruktur vorzunehmen, ist kaum möglich. Hier muss die Politik Antworten finden, wie man dauerhaft Digitalisierung in Deutschland finanzieren und unterhalten möchte. Dies können die Hochschulen nicht alleine leisten.
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