Digitales Wirtschaften spart viele Wege, etwa indem Konferenzen virtuell abgehalten werden oder Einkäufe online erfolgen. Dem stehen hohe (ökologische) Kosten für Traffic und Netzinfrastruktur entgegen. Wie nachhaltig kann digitales Wirtschaften aus Ihrer Sicht unterm Strich sein?
Nachhaltigkeit ist multidimensional. Um so gut wie möglich in die Ökobilanz einzusteigen ist die einfachste, grundsätzliche Entscheidung, grünen Strom zu beziehen und als Betrieb auf Anbieter mit verantwortlichen Serverkapazitäten zu setzen. Sie sollten datensicher und möglichst emissionsfrei laufen. Als zweites steht die Grundfrage pro oder contra Konferenz und Webmeeting an: muss das sein? Wenn ja: wie lange? Was ist verzichtbar? Digitalisierung und digitales Wirtschaften können Instrumente für mehr Nachhaltigkeit sein, insbesondere, wenn umweltbezogene Kosten gesenkt und der gesellschaftliche Nutzen gesteigert wird. Zugänglichkeit zum Beispiel schafft einen erheblichen gesellschaftlichen Nutzen.
Die bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“* geht sehr konkret auf den Fußabdruck der digitalen Transformation ein und gleicht diesen mit dem Einsparpotenzial digitaler Technologien ab. Es zeigt sich, dass das Potenzial den Fußabdruck deutlich übersteigt. Bei einer „beschleunigten Digitalisierung“ liegt das Netto-Einsparpotenzial sogar bei 49 Prozent der notwendigen CO2e-Einsparungen zur Erreichung der deutschen Klimaziele. Die größten Handlungsfelder sind die Bereiche industrielle Fertigung, Mobilität, Energie.
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E-Commerce-Waren brauchen transportfähige Einzelverpackungen. Wie kann der Versandhandel in Anbetracht dessen und großzügiger Rücksende-Regelungen nachhaltig gestaltet werden?
Verschiedene Anbieter arbeiten an wiederverwertbaren Verpackungen, die zurück geschickt werden können, wie der Büroausstatter memo mit seinem Mehrweg-Versandsystem** und livingpackets.*** Wichtig ist, dass ich als Bestellerin Sendungen bündele, sodass nicht mehrere einzelne Pakete gesendet werden, sondern nur ein Paket – was bei den Branchenriesen durch Zentrallager an unterschiedlichen Standorten weniger gut funktioniert. Retouren vermeide ich durch smarte Angebote wie virtuelle Anproben und Showrooms, die einen Eindruck der Produkte verschaffen.
Viele Unternehmen passen derzeit ihre Rücksende-Regelungen an – die Option der kostenlosen Rücksendung nehmen viele zurück. Das senkt die Attraktivität, ein Produkt in zwei unterschiedlichen Größen zu bestellen statt mich eingehender mit der Größentabelle zu beschäftigen. Unternehmen setzen auch zunehmend auf grüne Logistik und denken Nachhaltigkeit ganzheitlich vom Produktdesign über die Auswahl der Logistikstandorte hin zum Überwinden der letzten Meile. Auch hier können Kund:innen einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten, indem sie sicher stellen, dass das Paket beim ersten Anlauf einen Landeplatz findet – und sei es bei netten Nachbarn.
Leider sehen wir in Städten häufig noch, dass an einem Tag drei verschiedene Auslieferdienste die gleiche Route abfahren. Umsichtige Unternehmen gehen Kooperationen ein, zum Beispiel mit City-Logistik-Projekten.
Digitale Währungen sparen wertvolle Rohstoffe, aber allein die Digitalwährung Bitcoin verbraucht so viel Strom wie das Land Norwegen. Wie lässt sich der Zahlungsverkehr möglichst nachhaltig abwickeln?
Wir müssen unterscheiden zwischen digitalen Währungen und Bezahlsystemen. Beim Bitcoin enthüllte sich jüngst, dass er mitnichten auf Basis von Rechnerleistung mittels Erneuerbarer Energien entsteht, sondern aus Kohlekraftwerken in China gespeist wird. Digitale Zahlungssysteme sind im Prinzip alle ressourceneffizient, egal, ob ich eine Überweisung tätige oder mit digitaler Kreditkarte bezahle. Hier drängt sich eher das Thema Datensicherheit in den Vordergrund.
Viele Digitalunternehmen legen öffentlichkeitswirksame Nachhaltigkeits-Programme auf. Woran erkennt der Nutzer, was der Umwelt hilft und was bloßes „Greenwashing“ ist?
Es ist wichtig, sich ein Bild zu machen, wie glaubwürdig das alles nach Maßstäben des gesunden Menschenverstandes scheint: Spricht die Geschäftsführung vom Sinn der Unternehmung? Mich interessieren dann, ob auch zukunftsbezogene Ziele formuliert sind, die von geeigneten Maßnahmen gestützt werden. Auf Ebene von Indikatoren prüfe ich, ob die Ernsthaftigkeit über Steuerungsgrößen belegt ist. Stützen die Zahlen Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit, zum Beispiel im Recyclinganteil und der Recyclingfähigkeit der Produkte, den Ausgaben in Forschung und Entwicklung für Nachhaltigkeitsinnovationen, dem eigenen (Geld)Anlageverhalten, auch nachgeordneter Stiftungen? Dann ist das Unternehmen auf einem guten Weg. Wie hoch ist die Fluktuation in der Belegschaft und die Diversität im Unternehmen? Wie werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Nachhaltigkeits- und Innovationsmanagement beteiligt? Wie transparent ist das Unternehmen bezüglich seiner Lieferkette? Worthülsen ohne praktische Belege sind ein Hinweis auf Greenwashing. Es ist legitim, die Themen in den Fokus der Betrachtung zu nehmen, die mir wichtig sind. Und wenn Fragen offenbleiben: einfach fragen. Sogar die in den Unternehmen Verantwortlichen freuen sich mitunter still über Ihre Neugier und damit das Mandat, mehr zu tun!
* https://www.bitkom.org/Klimaschutz
** https://www.memo.de/memo-box
*** https://livingpackets.com/