Wie schätzen Sie den generellen Stand der Digitalisierung in der Berufsausbildung ein?
Das Thema Digitalisierung scheint bisher an nur wenigen Berufsschulen eine übergeordnete Rolle einzunehmen. Lehrende halten häufig an ihren gewohnten Lehrmethoden fest und vermitteln das theoretische Wissen daher meist analog. Die Nutzung digitaler Medien im Präsenzunterricht, zum Beispiel in Form von Powerpoint Präsentationen, ist eher selten und obliegt den Schüler:innen.
Durch Wechsel- und Heimunterricht während der Corona-Pandemie waren Lehrende zwar gewissermaßen dazu gezwungen, mit neuen Technologien, wie z.B. der Thüringer Schulcloud zu arbeiten, als moderne Kollaborationsplattform wird diese jedoch bei Weitem nicht genutzt. Stattdessen werden dort lediglich Informationen à la »Bitte lest im Buch Seite XY« eingetragen oder Arbeitsblätter hochgeladen. Die Gründe dafür sind so verschieden wie die Persönlichkeiten der Lehrenden. Für den modernen, digitalen Unterricht ist aber niemand ausgebildet, sodass es zu gravierenden Lücken kommt.
Bei einer Digitalagentur wie dotSource ist die Digitalisierung daily business – auch im Bereich der Ausbildung. Nicht zuletzt durch Corona, wurde die digitale Zusammenarbeit noch einmal auf ein völlig neues Level gehoben. Mit Hilfe verschiedener Tools und dem Willen aller Beteiligten, diese zu nutzen und das Beste aus dem »New Normal« zu machen, klappt die Ausbildung selbst remote hervorragend. Dazu gehört beispielsweise, dass der Ausbildungsnachweis in unserem Unternehmen digital ist und New Work Modelle wie Home- oder Hybrid-Office auch für Azubis problemlos umsetzbar sind.
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Unterstützen und fördern Bund und Länder in ausreichendem Maß die Digitalisierung in der Ausbildung?
Aus der Politik kommt diesbezüglich leider kaum Unterstützung. Die Unternehmen sind selbst dafür verantwortlich, den Azubis die Digitalisierung näher zu bringen. Das beginnt schon bei der technischen Ausstattung: Wer den Laptop auch außerhalb der Büros verwenden darf, hat das Glück sich näher mit der täglich benötigten Software beschäftigen zu können – Zeit, die im Geschäftsalltag leider oftmals fehlt und in der Berufsschule keinen Platz hat. Aus unserer Sicht braucht es daher für eine gelungene digitale Bildung von Azubis auch außerhalb der Arbeitszeit den Zugang zu technischen Geräten.
Generell sollten die Schulen digitaler ausgestattet oder den Auszubildenden zumindest das Ausleihen von benötigter Hardware ermöglicht werden, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Dafür müssten allen Schulen natürlich Geräte in entsprechender Menge zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus sind es ganz praktische Themen, bei denen wir erhöhten Förderbedarf sehen. Das Berichtsheft z.B. existiert mittlerweile in einer digitalen Version. Allerdings gibt es keinen offiziellen Anbieter bspw. von Bund/Land/IHK, sodass die Verantwortung zur Planung und Umsetzung erneut komplett bei den Unternehmen liegt. Hier wäre mehr Unterstützung bzw. eine Kostenbeteiligung wünschenswert, um die Attraktivität des digitalen Berichtshefts zu erhöhen.
Einen ähnlichen Förderbedarf sehen wir und unsere Auszubildenden bei vertraglichen Angelegenheiten mit IHKs sowie Berufsschulen. Auch an dieser Stelle könnte etwas digitaler Schwung nicht schaden, denn derzeit sind Wege und Anträge durch analogen Prozess unnötig kompliziert und schwerfällig.
Die Förderung der Ausbildungen durch Bund, Länder und Kommunen könnte und sollte also wesentlich umfangreicher ausfallen. Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass Deutschland an vielen Stellen, vor allem aber im Bildungsbereich, die Digitalisierung verschlafen hat. Es ist an der Zeit zu handeln, möchte man in Sachen Fachkräftenachwuchs im internationalen Vergleich nicht drastisch einbüßen.
Welche Weiterbildungsmaßnahmen müssen wie gefördert werden, damit das erlernte Know-how dem technischen Wandel standhält?
Zunächst müssen solide Grundlagen geschaffen werden. Das beginnt z.B. mit dem sicheren Umgang mit Softwareprogrammen wie MS Word oder MS Excel. Sicherlich braucht es das nicht in allen Berufen, jedoch sind diese Programme in vielerlei Hinsicht Standard und sollten daher auch in den Schulen angewendet und geübt werden.
Wir selbst legen viel Wert auf die digitale Ausbildung. Egal, ob Bürokaufmann /-frau, Kaufmann /-frau für E-Commerce, Fachinformatiker /-in für Anwendungsentwicklung, Fachinformatiker /-in für Systemintegration oder Mediengestalter /-in (Bild & Ton im Marketing) – die Basics der Digitalisierung vermitteln wir allen, die sich für eine berufliche Karriere in unserem Unternehmen entscheiden – und das auf allen Ebenen, z.B. durch interne Mitarbeiterschulungen, die der Einarbeitung und Weiterbildung (z.B. durch JAVA-Kurse) dienen, aber auch im Alltag durch die Nutzung von verschiedenen Kommunikations- und Kollaborationstools wie MS Teams, einer Whiteboard-App oder Miro.
Auch außerhalb unseres Unternehmens möchten wir dazu beitragen, digitale Kompetenz frühestmöglich zu fördern, um das Interesse am Umgang mit digitalem Handwerkszeug zu wecken und ein Bewusstsein für den Nutzen der Digitalisierung zu schaffen. So bieten wir beispielsweise seit März 2020 kostenfreie »Schüler Code Camps« für Schüler:innen ab der fünften Klassenstufen an. Während der Schulferien werden die Teilnehmenden zwei Wochen lang zwei Stunden täglich in einer Videokonferenz durch die Bereiche Entwicklung und Design geführt. Ergebnis der Onlinesessions ist eine eigene Website, welche die Schüler:innen eigenständig erstellen und designen. Die Camps sind – obwohl sie in den Ferien stattfinden – regelmäßig ausgebucht und stark nachgefragt. Das führt dazu, dass nun erstmalig »Code Camps Advanced« in Planung sind. An diesen Camps können dann alle teilnehmen, die bereits ein Camp erfolgreich absolviert haben und noch mehr dazu lernen möchten.
Wie nützlich sind neue Lernformen als Grundlage für die Beherrschung neuer Produktionstechnologien?
Neue Lernformate sind sehr nützlich, denn sie spiegeln letztlich den Arbeitsalltag wider und bereiten Schüler:innen auf die Zukunft vor. Auch Produktionstechnologien entwickeln sich ständig weiter. Kein Unternehmen arbeitet heute noch mit Technik aus dem Jahr 1900, weil es vollkommen unwirtschaftlich und das Unternehmen damit im nationalen oder globalen Kontext wettbewerbsunfähig wäre. Warum sollten bei all den neuen Produktionstechnologien die Lernformen als Grundlage für deren Beherrschung auf einem veralteten Stand sein? Auch Lehrmethoden unterliegen einem steten Wandeln, weil die Gesellschaft sich verändert. Schüler:innen und Auszubildende lernen heute anders als noch vor 50 Jahren. Die Frage sollte also nicht sein, wie nützlich sind neue Lernformen, sondern vielmehr: Wie bekommt man auch die Lehrenden dazu, sich auf neue Formate einzulassen und alte, einstudierte Methoden zugunsten des gesellschaftlichen und technologischen Fortschritts abzulegen?