Digitales Wirtschaften spart viele Wege, etwa indem Konferenzen virtuell abgehalten werden oder Einkäufe online erfolgen. Dem stehen hohe (ökologische) Kosten für Traffic und Netzinfrastruktur entgegen. Wie nachhaltig kann digitales Wirtschaften aus Ihrer Sicht unterm Strich sein?
Digitales Wirtschaften stellt einen disruptiven Wandel dar und beinhaltet auf alle Fälle enorme Nachhaltigkeitspotenziale. Es kann Transporte von Menschen und Briefen reduzieren und damit unerwünschte negative Transportwirkungen wie Emissionen, Unfälle, Platzbedarf usw. senken. Wir sehen es nun in der Pandemiezeit, dass der Ersatz einer Geschäftsreise durch ein digitales Konferenzmeeting viele ökologische Vorteile hat, aber eben auch Nachteile wie weniger wirklich persönliche soziale Begegnung. Die Frage, wie nachhaltig digitales Wirtschaften unter dem Strich ist, entscheidet sich nicht nur dadurch, wie stark und wie schnell von analogen Prozessen auf digitale gewechselt wird, sondern auch dadurch, wie die Digitalisierung ausgestaltet wird, welche IT-Systeme genutzt werden und wie diese sich weiterentwickeln. Der erhöhte Elektrizitätsbedarf kann im Grundsatz über regenerative Quellen (Wind, Sonne, Wasser) abgedeckt werden, wenn die Energiewende stärker vorangebracht wird. Durch Green IT kann auch der Strom-und Gerätebedarf optimiert werden. Hier besteht noch viel Potenzial. Sorgen bereitet mir die enorm stark zunehmende Datenspeicherung, die ständig im Hintergrund „Strom frisst“, womit der Grundelektrizitätsbedarf stündlich zunimmt. Hier sind intelligente Lösungen gefragt.
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Beim E-Commerce brauchen Waren transportfähige Einzelverpackungen. Wie kann der Versandhandel in Anbetracht dessen und großzügiger Rücksende-Regelungen nachhaltig gestaltet werden?
Ein Vorteil von Transportverpackungen ist in vielen Fällen, dass sie an sich gut wieder nutzbar und rezyklierbar ausgestaltet werden können. Innovative Nachhaltigkeitspioniere, wie der Bio-Weinversandhändler Delinat oder der Öko-Büromaterialversandhändler Memo, haben schon intelligente Rücksendesysteme eingerichtet. Hier sind keine Durchbruchinnovationen mehr nötig, sondern einfach der Wille sie überall einzurichten. Die Massenversandhändler wie Amazon oder Zalando reagieren zwar mit Recycling-Verpackungen und Otto mit „Wildplastik“ (aus der Natur gesammelter Kunststoff) auf Kundenbedürfnisse, hinken aber bei Mehrwegverpackungen noch hinterher und bewegen sich nur langsam in Form von Pilotprojekten in Richtung Mehrwegverpackungen. Sie benötigen wahrscheinlich regulativen Druck, um intelligente Rücksendesysteme in der Breite einzuführen. Das war beim Pfandsystem der Getränkeverpackungen ja auch nicht anders.
Eine weitere wichtige Baustelle ist das Retourenmanagement und damit die Retourenquote. Hier braucht es kluge Ideen, erstens um die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass Kunden Waren „unsinnnig“ bestellen und zurücksenden und zweitens, dass zurückgesendete Waren nicht vernichtet, sondern sinnvoll genutzt werden. Auch hier ist das Potenzial der Digitalisierung noch nicht ausgeschöpft: Algorithmen, Augmented Reality oder Künstliche Intelligenz können helfen, damit Produkte beim Auspacken die Erwartungen der Kunden nicht enttäuschen. Unternehmen, die Retouren vermeiden, reduzieren nicht nur Emissionen, sondern auch ihren Zeitaufwand.
Digitale Währungen sparen wertvolle Rohstoffe, aber allein die Digitalwährung Bitcoin verbraucht so viel Strom wie das Land Norwegen. Wie lässt sich der Zahlungsverkehr möglichst nachhaltig abwickeln?
Für die Zahlungsabwicklung sind keine neuen Währungen notwendig. Das erfolgt in großem Stil schon heute digital durch Buchungsvorgänge. Buchgeld ist etabliert und kann in jeder Währung erfolgen. Der Trend, digitale Währungen einzuführen und zu nutzen, kommt außerhalb illegaler Geschäftsinteressen eher durch Unsicherheiten des politischen Einflusses auf bestehende Währungen zustande. Bei den historischen Schulden, die Regierungen zur Pandemiebekämpfung eingehen, ist davon auszugehen, dass es irgendwann zu größerer Inflation und damit Entwertung kommen wird. Digitale Währungen könnten sicherstellen, dass ihr Elektrizitätsbedarf ausschließlich mit Grünstrom abgedeckt wird. Das scheint zumindest bei den größeren Digitalwährungen noch eine Profilierungslücke zu sein, könnte aber auch bei konventionellen Währungen einen Ansatzpunkt zur Verbesserung darstellen.
Nachhaltigkeitsbewusste können schon jetzt zu grünen Banken- oder Bank-Dienstleistern wechseln – neben etablierten Öko-Banken drängen auch nachhaltige Finanz-Start-Ups auf den Markt. Prüfen sollte man dabei, wie die Kundeneinlagen anlegt werden, also welche Positiv- und Negativkriterien (z.B. Investitionen in Biolandwirtschaft oder erneuerbare Energien, aber keine Investitionen in Rüstung oder Massentierhaltung) definiert werden.
Viele Digitalunternehmen legen öffentlichkeitswirksame Nachhaltigkeits-Programme auf. Woran erkennt der Nutzer, was der Umwelt hilft und was bloßes „Greenwashing“ ist?
Im Prinzip ist Greenwashing an einer großen Diskrepanz zwischen Versprechen und Tat zu erkennen. Alle Firmen, die sehr viel versprechen und eine Sache großartig herausstreichen, aber wesentliche Aspekte nicht beachten oder dort wenig Verbesserung zeigen, bewegen sich in Richtung Greenwashing. Dabei gibt sehr unterschiedliche Verständnisse von Greenwashing. Ist eine kleine Umweltverbesserung, die großartig kommuniziert wird, Greenwashing oder einfach eine – in der üblichen, übertreibenden Marketingsprache kommunizierte – kleine, aber grundsätzlich begrüßenswerte Verbesserung? Naive Firmen, die sich in ein Greenwashing begeben, praktizieren ein „Over promise and under fulfill“. Ich empfehle deshalb allen Unternehmen im Nachhaltigkeitsbereich das Grundprinzip des Reputationsmanagements zu beherzigen: „Under promise and over fullfill“.