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Fehlende Millionen für die Digitalisierung

Warum die Unruhe bei den UKW-Netzen nun auch DAB+ gefährdet

Felix Kovac, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) Quelle: rt1.media group GmbH Felix Kovac Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) 21.03.2018
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Wir erleben ein Regulierungsversagen", sagt der APR-Vorsitzende Felix Kovac. Für manche Programmbetreiber könnte die UKW-Verbreitung nach dem Ende der Regulierung viel mehr kosten. Eine Gefahr für die Veranstalter, aber auch für die Digitalisierung.







Die Landesmedienanstalten haben zu einem runden Tisch zur UKW-Verbreitung eingeladen. Was läuft aktuell schief bei der Liberalisierung der UKW-Netze?
Die Kosten effizienter Leistungserbringung waren bislang Grundlage für die Endkundenpreise und die Vorleistungen der Antennenmitbenutzung bei der Media Broadcast. Die Bundesnetzagentur hatte das im Detail nachgerechnet und die abgeschriebene passive Infrastruktur wie insbesondere die Antennen mit ihrem Buchwert einkalkuliert. Die Media Broadcast hat diese passive Infrastruktur nun zu einem großen Teil an im Markt unbekannte Firmen verkauft und zwar knapp unter einem Neupreis. Die Erwerber kalkulieren also mit sehr viel höheren Werten und das auch noch über kürzere Abschreibungszeiten. Wir schätzen die Mehrkosten für die Antennenmitbenutzung bei etwa 30 Prozent des bisherigen Niveaus.

Warum läuft die bisherige Regulierung der UKW-Netze ins Leere?
Wir erleben ein Regulierungsversagen. Die Bundesnetzagentur hat bislang die Dienstleistung der Media Broadcast einschließlich der Fälle der bloßen Mitbenutzung einer Antenne reguliert. Die freiwillige Aufgabe des Eigentums, also der Verkauf, führt nach der Auffassung der Bundesnetzagentur zum Ende der Regulierung, die neuen Erwerber sollen nicht reguliert werden. Das Bundeskartellamt verhält sich passiv und hat beim vergleichbaren Fall der Standorte ohnehin nicht die Kosten effektiver Leistungserbringung nachgerechnet, sondern nur anhand einzelner Beispiele geprüft, ob die Preise für alle gleich sind, ob also keine Diskriminierung vorliegt. Die Medienanstalten sehen keine Möglichkeiten der Abhilfe. Die Länder appellieren an die Bundesbehörden. Es sieht so aus, als nutze die Media Broadcast ungeniert eine Lücke in der deutschen Rechtsanwendung, wo  die APR nach bestehendem europäischem Recht Regulierungsansätze sieht.

Steht zu befürchten, dass die bisher unrunde Regulierung der UKW-Netzte die privaten Programmanbieter in ihrer Existenz bedrohen?
Die marktfremden Erwerber von Antennen haben aus Sicht des UKW-Marktes viel zu viel Geld an die Media Broadcast für die längst abgeschriebene, Jahrzehnte alte Technik bezahlt. Die wollen damit ein Geschäft machen, also hohe Preise erzielen. Die Senderbetreiber, wie beispielsweise die Firmen Uplink oder Divicon, habe nicht so viel Marge, das im Preis ihres Service wegzustecken. Und plötzlich schauen alle auf die Programmveranstalter - ein typischer Vertrag zulasten Dritter. Da der Wegfall der Regulierung auch dazu führt, dass die Härtefallklausel nicht mehr gilt, kann es sein, dass einzelne Standorte sehr viel mehr Geld als bisher kosten und sich einzelne Programmveranstalter das beim besten Willen nicht mehr leisten können. Das kann zwar auch nicht im Sinn der Erwerber sein, aber die von ihnen gezahlten Kaufpreise und die aufgemachten Kalkulationen bergen diese Gefahr in sich. Hier fehlt es an Kenntnis des Marktes, in den man sich eingekauft hat.

Inwieweit könnte eine zügige Umstellung auf DAB+ helfen, den terrestrischen Radiomarkt in Deutschland zu sichern?
Gar nicht. Radio ist auf absehbare Zeit zwingend auf UKW angewiesen. Wir haben jetzt ein Problem und die neuen Antennen-Eigentümer legen sehr langlaufende Verträge vor. Im Gegenteil: Die UKW-Entwicklung schadet dem DAB-Ausbau. Während eigentlich dringend benötigte Fördergelder für den Umstieg ausbleiben, wird durch etwaige Mehrkosten für die UKW-Infrastruktur in den nächsten Jahren ein ordentlicher zweistelliger Millionenbetrag aus dem Markt gezogen. Der fehlt bei der Digitalisierung, die ja auch bei Online in den kommenden Jahren Geld kostet. Außerdem erleben wir es, dass das bislang in UKW marktbeherrschende Unternehmen eine gleichartige Stellung bei DAB+ aufbaut. Wir kommen also bei der digitalen terrestrischen Übertragung in exakt die gleichen regulatorischen Probleme, wie wir sie gerade bei UKW erleben. Im Übrigen werden wir auch gegen dieses sich abzeichnende Monopol konsequent vorgehen.

Was fordert die APR von den Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur? Wie kann ggf. die APR ihren Mitgliedern helfen?
Wir haben in der Vergangenheit unseren Mitgliedern aufgezeigt, wo in der bisherigen Liberalisierung Chancen lagen. Viele Programmveranstalter waren sehr aktiv und haben beispielsweise selbst Antennen gekauft und sind auf der sicheren Seite. Allerdings hat der intransparente Verkaufsprozess der Media Broadcast nicht allen Veranstaltern diese Chance eröffnet. Das Bundeskartellamt sollte prüfen, ob die Details dieses Verkaufsvorgangs durch das bislang marktbeherrschende Unternehmen korrekt gehandhabt wurden. Die Bundesnetzagentur sollte ihre Zurückhaltung bei der Gewährung des Zugangs zu passiver Infrastruktur und der Kontrolle der Preise nach dem Maßstab der Kosten effektiver Leistungserbringung aufgeben. Aber am Ende brauchen wir Rechtssicherheit, die wohl nur der Bundesgesetzgeber durch eine Änderung des Telekommunikationsrechts und möglicherweise auch des Kartellrechts herstellen kann. Hieran arbeitet die APR, während Preisverhandlungen von Verbänden schon aus kartellrechtlichen Gründen keine Option sind.

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