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Summary04.01.2023

Einheitliche Rechnungen für die EU

Welche Standards wann kommen könnten

Nikola Marquardt, Mitherausgeberin des Fachdebattenportals Meinungsbarometer.info Quelle: Redaktion Dipl.- Journ. Nikola Marquardt Founder & Herausgeberin Meinungsbarometer.info

Elektronische Rechnung folgen vielerorts verschiedenen Standards. Das soll sich in der EU ändern. das EU-Parlament drängt auf eine Harmonisierung. Ivo Moszynski, Vorstandsmitglied im Verband elektronische Rechnung (VeR) und Vorstandsvorsitzender des Forums elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) sieht eine große Herausforderung in den vielen, zum Teil sehr unterschiedlichen Vorgaben auf nationaler Ebene und den etablierten Systemen der EU-Mitgliedsstaaten. Gerade der Austausch von Rechnungen im B2B- und B2C-Bereich sei in der Regel noch weit weniger standardisiert als der B2G-Bereich. Für den letzteren gäbe es mit der EU-Norm EN16931 allerdings bereits einen EU-weiten Standard, der sich für den privaten Sektor weiterentwickeln ließe. Er rechnet damit, dass die Standardisierung des grenzüberschreitenden Rechnungsaustauschs vorangetrieben wird und mit nationalen Vorgaben für den inländischen Rechnungsaustausch. „Wichtig wird sein, dass die Vorgaben nicht wesentlich voneinander abweichen, da ansonsten wieder Parallelprozesse etabliert werden müssen.“

Dabei liegt für Nils Britze vom Digitalverband Bitkom in digitalen Technologien großes Potenzial zur Verbesserung des Rechnungsaustausches in Europa. Deutschland stehe im europäischen Vergleich eher im hinteren Mittelfeld. Ein Großteil der Rechnungen werde hierzulande entweder als PDF oder sogar noch als Papier versendet. „Der Anteil echter elektronischer Rechnungen wächst zwar auch hierzulande, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau. Andere Länder, wie zum Beispiel Italien oder die Skandinavischen Staaten, sind wesentlich weiter.“

Dr. Reinhard Brandl, Vorsitzender der AG Digitales der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, lenkt den Blick auf den Mittelstand. „Die Umstellung von Papierrechnungen auf ausschließlich E-Rechnungen bedeutete für KMU eine gravierende Prozessumstellung, die mit Aufwand verbunden ist, da alle Mitarbeiter in die neuen Prozesse eingeweiht werden müssen. Es werden aber keine zusätzlichen Kosten für kleine Unternehmen anfallen.“ Vielmehr würden kleine Unternehmen zukünftig Kosten einsparen. Die Kostenersparnis für private kleine und mittelgroße Unternehmen mit der Einführung der elektronischen Rechnungsstellung beziffert er europaweit auf ungefähr 4,5 Milliarden Euro.

Auch Elisabeth Rung vom Competence Center Digital Banking bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH hält ein einheitliches Vorgehen wäre somit ressourcen- und kostenschonend und auch sie nennt Zahlen. „Ein Artikel der Europäischen Union prognostiziert mögliche Einsparungen von bis zu 40 Milliarden Euro jährlich allein im europäischen B2B-Geschäft. Die Herausforderung wird vor allem bei der Vereinbarung eines gemeinsamen Rechtsrahmens liegen und wann EU-einheitlich welche Regelungen eingeführt werden.“ Denn es gelte, die mit den zahlreichen, teilweise höchst unterschiedlichen nationalen Regelungen, die auch unterschiedlichste Systemvoraussetzungen bedingen, einhergehenden Konfliktpotenziale zu lösen.

Mirjana Stanisic-Petrovic vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation mahnt die Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere in der Übergangsphase, nicht zu unterschätzen. „Eine große Aufgabe für KMU stellt die Gewährleistung der digitalen Optimierung des kompletten Beschaffungsprozesses dar. Dazu sind bei Lösungen mit hoher Komplexität die kritische Hinterfragung sowie ggf. ausführliche Testings aller Prozessschritte zwingend notwendig – nur dann ist die Umstellung auf den elektronischen Rechnungsaustausch überhaupt lohnenswert.“ Ein harmonisierter EU-weiter Ansatz sei für alle Unternehmen von Vorteil, da ein nicht harmonisierter Ansatz im Zweifelsfall zu einem Konzept je EU-Land führe und sich damit EU-weit tätige Unternehmen allen Konzepten stellen und diese beherrschen müssten. Zwei regt Erleichterungen für KMU in Form von freiwilligen Testphasen sowie Subventionen und Bereitstellung einer kostenfreien Software an.

Für Raphael G. Würffel vom Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU) e.V. würde ein einheitliches System im internationalen Bereich einiges erleichtern. Auch sein Verband vermutet, dass es einen vergleichbar geringen Mehraufwand geben würde, da man sowieso bereits mit entsprechenden Lösungen arbeite, die von der Anbieterseite aktualisiert werden müssten. „Die große Herausforderung wird auf bürokratischer Seite liegen. Bürokratie hat so manchen schlanken Prozess in der Vergangenheit unnötig verkompliziert.“

Prof. Dr. Ralf Gerhards von der DHBW Mannheim lenkt den Blick auf die elektronische Rechnungsübertragung der Lieferanten an die öffentliche Verwaltungen. Sie zu realisieren sei unbedingt zu empfehlen, weil sie gerade mit Blick auf die Umsatzbesteuerung weniger betrugsanfällig ist. Darüber hinaus sei die elektronische Rechnungsstellung auch prozessual gesehen geeignet, Medienbrüche zwischen den Lieferanten und dem öffentlichen Bereich zu vermeiden, Daten in Echtzeit zu verarbeiten und, letztlich, dadurch auch langfristig Kosten einsparen zu können. Es werd ohnehin keine Alternative dazu geben. „Um überhaupt mit Lieferanten kommunizieren zu können, muss die technische Kommunikationsbasis auf beiden Seiten harmonisiert sein: Industrie 4.0 macht eine Verwaltung 4.0 unerlässlich. Die größte Hürde ist auch nicht die technologische Umsetzbarkeit, sondern die politisch-administrative Durchsetzung einer EU-weiten Vereinheitlichung.“ Er befürchtet politische Einflussnahmen und die Verfolgung von Partikularinteressen. Hinzu komme, dass einige EU-Staaten schon mit eigenen Lösungen für eine elektronische Rechnungsstellung produktiv sind. „Eine europaweite Umsetzung ist daher unter diesen Voraussetzungen erst langfristig zu erwarten.“

Auch sieht Johanna Rosenauer von PwC Österreich eine der größten Herausforderungen darin, das EU-weite E-Invoicing System technisch so zu gestalten, dass dieses einerseits mit bereits umgesetzten (z.B. Ungarn, Frankreich) oder geplanten Systemen (Deutschland) als auch andererseits mit noch gänzlich einzuführenden E-Invoicing Systemen kompatibel ist. Kernfrage ist aus ihrer Sicht ebenfalls, ob aus technischer Sicht eine zentrale oder dezentrale Lösung gewählt werden wird. „Jedes für sich birgt seine eigenen Vor- und Nachteile, hat aus technischer Sicht aber eine hohe Relevanz, die nicht außer Acht gelassen werden darf.“

Dariusz Biernacki von der Comarch Software und Beratung AG zweifelt daran, ob ein Land bereit ist, bereits existierende Systeme abzuschaffen oder zu verändern. „Die EU wird bald eine Veröffentlichung zu einer eventuellen schrittweisen Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung in der gesamten Union bis 2023 tätigen. Dann wissen wir mehr.“

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