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Ein verbindlicher Energieausweis reicht nicht

Welche Mechanismen die Informations- und Kommunikationstechnik nachhaltiger machen

Dr. Dina Barbian - Geschäftsführerin & Institutsleiterin, eco2050 Institut für Nachhaltigkeit Quelle: eco2050 Dr. Dina Barbian Geschäftsführerin & Institutsleiterin eco2050 Institut für Nachhaltigkeit 22.06.2022
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"Die hiesige IKT ist alles andere als nachhaltig", stellt Dr. Dina Barbian vom eco2050 Institut für Nachhaltigkeit fest. Damit sich das ändert, müsse aus ihrer Sicht die Anreize verändert werden.







Nach einer aktuellen Studie verursacht die Informations- und Kommunikationstechnik weltweit wohl mehr Treibhausgasemissionen als der Flugverkehr. Zugleich gibt es viele Nachhaltigkeitsinitiativen in der Branche. Wie nachhaltig ist die hiesige IKT derzeit?
Die hiesige IKT ist alles andere als nachhaltig. Zunehmende Vernetzung und Kommerzialisierung führen eher zu Überwachung, Intransparenz sowie steigendem Ressourcenverbrauch. Marktmachtkonzentration auf wenige große Tech-Konzerne, geplante Obsoleszenz (bei Soft- und Hardware), Einsatz von KI-Methoden zur gezielten Manipulation werfen Fragen der Ethik auf. Durch IKT ist es erst gelungen, Daten überall auf der Welt und zu jeder Zeit verfügbar zu machen. Nicht nur digitale Endgeräte, sondern auch die Infrastruktur benötigen Energie. Solange Strom überwiegend fossil generiert wird, entstehen CO2-Emissionen. Die globalen durch IKT verursachten CO2-Emissionen sind mit einem Anteil von etwa 4 % noch gering. Laut Prognosen wird sich dieser Anteil jedoch in naher Zukunft verdoppeln.

Digitale Endgeräte haben heute kürzere Nutzungsdauern. Die Folgen sind ein zunehmender Rohstoffverbrauch und eine zunehmende Generierung von Elektroschrott, der in den wenigsten Fällen recycelt wird. Viele Stoffe in den digitalen Endgeräten sind sehr wertvoll und sogar als kritisch zu betrachten, denn sie sind nicht-erneuerbar und von großer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Große Tech-Konzerne beherrschen das Internet und generieren Gewinne über Plattformen. Ihre Dienste sind meistens kostenlos, „gezahlt“ wird mit Daten, die die Grundlage für das Trainieren von Machine-Learning-Modellen sind. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verursacht erneut einen steigenden Energieverbrauch. Es gibt aber auch Tech-Unternehmen, die zeigen, dass durch den Einsatz von IKT sogar Energie und Material eingespart werden kann. Diese haben bereits Einsparstrategien oder sind sogar klimaneutral.

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Einsparungen durch Effizienzsteigerungen steht ein stets wachsender Datenverkehr gegenüber. Wie lassen sich solche sogenannten Rebound-Effekte beherrschen?
In der Vergangenheit führten Effizienzsteigerungen immer zu einem höheren Konsum. Dies liegt daran, dass gleichzeitig die Möglichkeiten für einen steigenden Konsum besser wurden. Einsparungen durch effizientere Technologien führen bei vielen Menschen zu einer moralischen Selbstlegitimierung, was sie zu einem zusätzlichen Konsum bewegt. Rebound-Effekte lassen sich jedoch durch kognitive Einsicht aufgeklärter Menschen und durch Bewusstseinsbildung vermeiden. Aufgeklärte Menschen fällen bewusste Entscheidungen und haben die Fähigkeit, Einsparungen nicht komplett oder gar nicht aufzubrauchen. Wenn viele Menschen über Einsicht verstehen, dass planetare physikalische Grenzen kurz vor dem Kollaps sind oder bereits überschritten sind, dann sind diese auch bereit, ihre subjektiven Ansprüche zurückzunehmen. Es gibt bereits in der immer größer werdenden Umweltszene Menschen, die verzichten und einen minimalistischen Konsumstil vorleben. Die Effekte dieser Bevölkerungsgruppe sind allerdings noch nicht gesamtgesellschaftlich bemerkbar.

Im Gespräch ist in diesem Zusammenhang auch ein verbindlicher Energieausweis für Rechenzentren. Was spricht für oder gegen einen solchen?
Ein verbindlicher Energieausweis alleine reicht nicht aus, um Einsparungen zu erzielen. Erst wenn mit dem Energieausweis gewisse Verhaltensregeln verbunden sind oder gar mit rechtlichen Folgen zu rechnen ist, dann erst können positive Effekte erzielt werden. Es müssen die entsprechenden Anreize geschaffen werden. Würde zum Beispiel die Vergabe von Krediten oder Steuervergünstigen direkt mit einem Schwellenwert beim Energieausweis verbunden sein, dann hätten Rechenzentrumsbetreiber:innen Anreize, um ihren Energieverbrauch zu senken. Eine weitere gute Überlegung ist die Vergabe eines Gütesiegels für besonders umweltfreundliche Rechenzentren. Dies wird bereits seit 2019 vom Umweltbundesamt durch die Vergabe des Blauen Engel gemacht. Dieses Siegel wird für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte, Server, Datenspeicherprodukte und klimaschonende Rechenzentren vergeben.

Welchen Beitrag könnte eine Ausweisungspflicht für einen CO₂-Fußabdruck pro Service- oder Übertragungseinheit leisten?
Die Ausweisung des CO2-Fußabdrucks pro Einheit würde in jedem Fall mehr Bewusstsein für den CO2-Verbrauch von IKT schaffen. Für einen Teil (etwa 15 %) der Konsument:innen wird dies bereits zu einem bewussteren Umgang mit IKT führen. In der Konsumforschung ist aber auch zu sehen, dass etwa 20 % der Bevölkerung unbeeindruckt bleiben und ihren bisherigen Konsumstil weiterleben. Der restliche Anteil ist indifferent, braucht entweder noch mehr Informationen oder Anreize, um zu reagieren. Prinzipiell ist aus ökologischen Gründen die Ausweisung des CO2-Verbrauchs positiv zu erachten. Um echte Einspareffekte zu erzielen, müssten die Anreize allerdings noch verstärkt werden, etwa durch den Preismechanismus. Dienstleistungen mit einem hohen CO2-Fußabdruck pro Serviceeinheit sollten teurer sein als solche, die einen niedrigen CO2-Fußabdruck pro Einheit haben.

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