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Bei der Nachhaltigkeits-Frage die gesamte Distributionskette betrachten

Wie IT und Kommunikation nachhaltig werden

Michael Pausch - Vorsitzender des Kompetenzteams "Nachhaltigkeit in der Programmverbreitung" des ARD-Netzwerks Distribution undAbteilungsleiter Rundfunkversorgung und Frequenzmanagement, Bayerischer Rundfunk Quelle: BR/Markus Konvalin Michael Pausch Abteilungsleiter Rundfunkversorgung und Frequenzmanagement Bayerischer Rundfunk 15.09.2022
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Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es für Michael Pausch, Vorsitzender des Kompetenzteams "Nachhaltigkeit in der Programmverbreitung" des ARD-Netzwerks Distribution, "sicher Potential für technische Verbesserungen". Aber wichtig sei insbesondere auch die Informations- und Aufklärungsarbeit in Richtung der Nutzer der Medienangebote.







Nach einer aktuellen Studie verursacht Informations- und Kommunikationstechnik weltweit wohl mehr Treibhausgasemissionen als der Flugverkehr. Zugleich gibt es viele Nachhaltigkeit-Initiativen in der Branche. Wie nachhaltig sind aus Ihrer Sicht derzeit die Kommunikationsnetze – sowohl die IKT- als auch die Rundfunknetze?
Sowohl die Betreiber der Kommunikationsnetze, also z.B. die Internet- und Mobilfunkanbieter, als auch die Betreiber von Rundfunknetzen sind allein schon auf Grund der steigenden Strompreise bestrebt, ihre Infrastruktur so nachhaltig wie möglich zu betreiben. Ein Hauptanteil in der Ökobilanz ist bei der Distribution der Stromverbrauch. Oft wird dabei auch schon mit Ökostrom aus erneuerbaren Energien gearbeitet. Manche Kommunikationsunternehmen werben mit diesen Entwicklungen auch gezielt und offensiv. Trotzdem ist natürlich Energie die erst gar nicht verbraucht wird besser als mit regenerativen Energien zu arbeiten, insbesondere dann, wenn die regenerativen Energien z.B. in Form von Zertifikaten nur bilanziell zur Verbesserung der Ökobilanz beitragen.

Nun ist aber der Energieverbrauch der Kommunikationsnetze im Wesentlichen getrieben vom Verhalten der Nutzer, dem technologischen Fortschritt und von den verwendeten Endgeräten. So können zwar sicher noch weitere Energie-Einsparpotentiale durch noch effizientere Videocodierung, hochmoderne Rechenzentren, Rundfunksender mit besserem Wirkungsgrad (um nur einige Beispiele zu nennen) erzielt werden, wobei wir hier ehrlich gesagt immer mehr an eine Technologiegrenze laufen. Diese Erfolge werden aber sozusagen „aufgefressen“, wenn im gleichen Zug statt HD dann beispielsweise UHD-Angebote mit HDR (High Definition Range, höhere Bild- und Farbdynamik) auf TV-Sets mit immer größeren Bildschirmdiagonalen bei immer mehr täglicher Mediennutzungszeit konsumiert werden. Ein modernes Smartphone oder Tablet hat wiederrum einen im Vergleich mit Smart TVs geringen Energieverbrauch. Was man festhalten kann: Man muss bei der Betrachtung der Nachhaltigkeits-Frage immer die gesamte Distributionskette von der Produktion der Inhalte bis zur Mediennutzung beim Nutzer betrachten. Auch technologische Neuerungen wie z.B. 5G-Broadcast, ein Rundfunksystem welches direkt auch auf Smartphones und Tablets genutzt werden kann, haben Einfluss auf die zukünftige Betrachtung der Ökobilanz der Verbreitung.

Insgesamt gibt es beim Thema Nachhaltigkeit also sicher Potential für technische Verbesserungen, aber wichtig ist hier aus unserer Sicht die Informations- und Aufklärungsarbeit in Richtung der Nutzer der Medienangebote. Ziel sollte sein, dass der Nutzer eine Orientierung hat, was sein Verhalten bzgl. Energieverbrauch und Ökobilanz bewirkt.

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Der Nutzer von Radio und Fernsehen hat mehr und mehr die Option, zwischen linearen Rundfunkprogrammen und Mediatheken (Internet) zu wählen. Die wenigsten Nutzer werden diesen Auswahlprozess aus Sicht der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sehen. Wie ist hier die Energiebilanz zwischen dem Ansehen eines Spielfilms über die Mediathek oder über den linearen Rundfunk?
Zu diesem Thema gibt es eine Reihe von Studien (Studien der BBC zu Hörfunk und Fernsehen; Carbon Trust „Carbon Impact of Video“; The Shift Project - “The unsustainable use of Online-Video“ und die Low Carbon Television (LoCaT)-Studie), die mit unterschiedlichen Ansätzen zu immer ähnlichen Ergebnissen kommen. Dabei schneiden die klassischen Rundfunkverbreitungswege Satellit und Terrestrik (DVB-T2) deutlich besser ab als die Internet-Verbreitungswege. Die LoCaT-Studie kommt zum Beispiel zum Ergebnis, dass im Europamittel pro geschauter Stunde bei der Terrestrik (DVB-T2) nur ca. ein Zehntel des CO2-Äquivalents im Vergleich zur Internetverbreitung (IP-TV oder OTT) anfällt. Dies hat u.a. systematische Gründe: Rundfunksysteme sind gut dafür geeignet mit massenattraktiven Inhalten zum Zeitpunkt der Ausstrahlung beliebig viele Nutzer zu erreichen, während im Internet vereinfacht dargestellt pro Nutzer ein eigener Stream erzeugt wird. Davon weiß nur leider der durchschnittliche Nutzer im Normalfall nichts und Dienste wie z.B. „Replay“, also leicht zeitversetztes Anschauen eines Films aus der Mediathek, werden ja auch von uns Rundfunkanstalten selbst als Mehrwert beworben.

Was würden Sie hinsichtlich der Nutzung von Mediatheken und linearem Rundfunk empfehlen. Wann solle was genutzt werden?
Je mehr Nutzer gleichzeitig einen Inhalt anschauen, desto effektiver wird der klassische Rundfunk (Terrestrik oder Satellit). Er eignet sich daher für massenattraktive Inhalte. Trotzdem ist natürlich die zeitsouveräne Nutzung eines Inhalts aus der Mediathek ein großer Mehrwert. Intelligente Endgeräte könnten z.B. automatisch erkennen ob der gewünschte Inhalt über einen Rundfunkempfangsweg gerade live empfangbar ist, bevor der Nutzer den Inhalt ggf. aus Unkenntnis live in der Mediathek streamt. Ein typischer Use-Case der z.B. bei Sportgroßereignissen zur Entlastung des Streaming-Traffics führen könnte. Die Hard- und Software sollte also den Nutzer zurück auf Broadcast-Verbreitungswege bringen. Ein Ansatz dafür ist DVB-I (DVB-Standard zur Übertragung als IP-Stream, z.B. via 5G-Broadcast).

Was können die Sender / Rundfunkanstalten aus Ihrer Sicht tun, um ein Bewusstsein für die Nutzung der verschiedenen Übertragungswege zu tun?
Wie bereits beschrieben, erzeugt der Stromverbrauch des User-Equipments einen hohen Anteil an CO2-Äquivalent in der gesamten Übertragungskette. Dann macht es weiter einen Unterschied, ob klassischer Rundfunk oder das Internet als Übertragungsweg genutzt wird. Nun gibt es für beides kein aus Sicht unserer Kunden einfach zu interpretierendes Energieeffizienzlabel wie z.B. beim Kühlschrank, bei dem ich mit einem Blick sehen kann, wie „ökologisch“ er zumindest in Bezug auf den Stromverbrauch ist. Es macht daher Sinn, das Thema journalistisch aufzuarbeiten um unsere Kunden besser zu informieren. Der Rundfunk trifft sich aber auch mit der Endgeräteindustrie regelmäßig in technischen Arbeitsgruppen z.B. der deutschen TV-Plattform, bei denen „intelligente“ Endgeräte und Energieeffizienz / Ökobilanzen Thema sind.

Das Radio und seine Übertragungswege werden bei den Diskussionen um Nachhaltigkeit des „Rundfunks“ immer wieder vergessen – wie sieht es mit der Energiebilanz von UKW-Radio und DAB+ Radio aus?  
Dazu passt gut ein Zitat vom Intendant des Deutschlandradios Stefan Raue, der kürzlich gesagt hatte: „UKW ist eine Energiefress-Maschine“. Damit sind einerseits das Sendernetz, aber auch die Endgeräte gemeint. Dies verdeutlichen auch die Ergebnisse der Studie „Green Radio“ vom September 2021 die von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und dem Bayerischen Rundfunk durchgeführt wurde.

Die Untersuchungen zeigen, dass bei einer vergleichbaren Versorgung der Energieverbrauch bei der Ausstrahlung eines Programms über DAB+ deutlich geringer ist als bei UKW. Der Bayerische Rundfunk würde bei einer ausschließlichen Ausstrahlung seiner Programme über DAB+ rund 75% pro Programm, und Antenne Bayern 85% an Energie einsparen. Das Deutschlandradio würde bei der Einstellung der UKW-Verbreitung für seine Programme Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur nicht nur rund 70% der Energie pro Programm einsparen, sondern mit DAB+ auch deutlich mehr Hörerinnen und Hörer erreichen, da mit den zur Verfügung stehenden UKW-Frequenzen keine flächendeckende Versorgung für das Deutschlandradio möglich ist.

Unabhängig von DAB+ wären durch einen Austausch der rund 122 Millionen bestehenden UKW-Radiogeräte auf der Empfangsseite erhebliche Energieeinsparungen möglich. Obwohl die meisten Radiogeräte vielfach mit Zusatzfunktionen wie Displays oder WLAN ausgestattet sind, hat sich ihr Stromverbrauch in den letzten Jahren um rund 40% verringert. Der sehr geringe Mehrverbrauch durch ein zusätzliches DAB+ Empfangsteil ist praktisch vernachlässigbar.

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