In einer Umfrage gaben knapp drei Viertel der befragten Industrieunternehmen an, schon einmal an einer virtuellen Messe oder einem vergleichbaren virtuellen Event teilgenommen zu haben. Wie haben sich digitale (und hybride) Formate für Messen, Tagungen usw. aus Ihrer Sicht am Markt etabliert und diesen verändert?
Mit der Zukunft der Messe und Veranstaltungen setzen sich B2B-Marketer nicht erst seit Corona auseinander. Mit der Absage von Präsenzmessen verschwand über Nacht der für viele Unternehmen wichtigste Branchenmarktplatz und größte Absatz- und Vertriebskanal. Doch der Digitalisierungsschub der letzten Jahre hat dafür gesorgt, neue Formate zu denken, zu experimentieren und neue Wege zu gehen. Die Marken haben schnell neue Wege gefunden, sich in ihren Kundensegmenten auch digital sichtbar zu machen. Insgesamt haben sich virtuelle Formate etabliert, sei es die eigene digitale Hausmesse oder digital verlängerte Showrooms, aber auch Fachtagungen und Events finden überall online statt. Was jedoch fehlt, ist der persönliche Austausch, die direkte Wettbewerbsbeobachtung und die Zufallsbegegnung mit den Produkten und Menschen. Hier sehen unsere Industrievertreter ganz klar nach wie vor die Daseinsberechtigung für Präsenzformate. Dies stellen wir ausführlich in unserem aktuellen Trendpaper vor: „Nach dem Einbruch der Aufbruch: Chancen einer neuen Messewelt – 6 Thesen zur Zukunft der Messe."
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Allerdings befinden Besucher von virtuellen Messen, dass die virtuellen Formate nicht „sehr gut" umgesetzt werden. Wie müssen solche Events organisiert werden, damit die Besucher zufrieden sind?
In einem Punkt sind sich die Industrieunternehmen einig. Eine 1:1-Umsetzung einer Messe oder eines Events in den digitalen Raum gibt es nicht. Dies hat schon unsere Studie „Digitalisierungsschub im B2B“ im Sommer letzten Jahres gezeigt. Mittlerweile hat sich die Welt jedoch gedreht, so dass die Unternehmen auf eigene Plattformen, ausgeklügeltes Online-Marketing und automatisierte Leadgenerierung setzen (vgl. auch „B2B-Marketing-Budget-Studie 2021“ des bvik).
Insofern gibt es eine eindeutige Erwartungshaltung der Aussteller, dass explizit Online-Messen sich darauf einstellen müssen, auf deren Content direkt zu verlinken ohne Mehraufwände zu generieren. Abgesehen von diesen gegebenen Rahmenbedingungen stehen bei nahezu allen existierenden Lösungen die Matchmaking-Funktionen in der Kritik. Die Besucher einer digitalen Veranstaltung sind weit weniger bereit, den direkten Kontakt in der digitalen Umgebung zu suchen. Diese Erkenntnis führt einerseits dazu, dass es an direkter Einbindung des Vertriebs und damit einhergehend es auch an Messbarkeit des Erfolges mangelt.
Bei einer Konzentration auf rein digitale Formate sollten die Veranstalter immer die Bedürfnisse der Austeller aber auch der Besucher in den Vordergrund aller Planungen stellen. Im Focus dabei sollte Informationsvermittlung, das Vermitteln von Marke und Welten aber auch die individuelle und damit einzigartige Erlebniswelt stehen. Dabei bedarf jede Veranstaltung, ob nun Messe, Fachtagung oder Event einer eigenen Inszenierung, und sie braucht einen exklusiven Livecharakter. Mittel zum Zweck können hier beispielsweise sein, exklusive Moderatoren, rasende Reporter, Gamification-Elemente, Experten, hochwertigste Produktanimationen u.v. andere. Besonders Authentizität und Glaubwürdigkeit müssen transportiert werden, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Der Anteil digitaler Elemente ist jedoch branchenabhängig. In rein digitalen Events wird nach Ansicht von Experten jedoch nicht langfristig die Lösung liegen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass wir in hybride Veranstaltung-Formate investieren müssen, die die Vorteile beider Welten vereinen. Neben der fortschreitenden Digitalisierung sind hier neue Rahmendbedingungen, wie der Generationenwandel, Klimaschutz, mangelnde Reisebereitschaft und Reizüberflutung wesentliche Kriterien für die Entwicklung neuer Veranstaltungsformate.
Wir selbst setzen jedes Jahr aufs Neue einen Benchmark mit unserer Leuchtturmveranstaltung dem TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION. In diesem Jahr haben wir auf hybrid unter dem Motto: "Die Brücke zwischen zwei Welten" gesetzt. Die Konsequenz daraus war, dass wir zwei Veranstaltungen am gleichen Tag meistern mussten – plus eine dritte im Nachgang in Form einer On-Demand-Plattform. Dies war ein unglaublicher Kraftakt, der jede freie Ressource, zwei Bühnen, zwei Moderatorinnen, zwei Drehbücher und unterschiedliche zielgruppenrelevante Inhalte erforderte. Der Vorteil lag in der Erreichbarkeit der gesamten Community und die Feedbacks gaben dem Aufwand recht. Alle Teilnehmer, egal ob Live oder digital sprachen vor allem von einem „Erlebnis“ und genau das ist es worauf es heute ankommt unabhängig von der jeweiligen Plattform.
Zitat: „Wichtige Impulse und Insights, praxisnah und auch visionär – TIK 2022 ist gebucht!“. Dr. Andreas Bauer, XITASO GmbH
Technik für hochwertige virtuelle oder hybride Events erfordert große Investitionen. Wie sollte die Politik die gebeutelte Branche unterstützen?
Die Politik hat in der Pandemie einiges getan, um Unterstützung anzubieten – von Beihilfen bis hin zu derzeitigen Fördergeldern bei Messebeteiligungen für Aussteller. Der Auma – Verband der deutschen Messewirtschaft, hat hier Förderangebote für Unternehmen zusammengestellt.
Dies tröstet aber natürlich nicht darüber hinweg, dass eine ganze Branche über Nacht lahmgelegt wurde, die über Jahre einen erheblichen Impact auf die Volkswirtschaft aufweisen konnte. Das Wichtigste für alle an der Messewirtschaft beteiligten Unternehmen und Gewerke sind Planungssicherheit sowie verlässliche Leitplanken abseits von unkoordiniertem Aktionismus.
Der Grundstein zur Veränderung wurde in der Pandemie gelegt, es gibt mittlerweile viele erfolgreiche digitale Formate und Beispiele aus der Praxis. Die Politik sollte aus meiner Sicht genau hier ansetzen und zukunftsträchtige Projekte ohne große Bürokratiehürden fördern, ähnlich angelegt wie erfolgreiche Projekte wie z.B. den Digitalbonus, den Unternehmen nutzen konnten um erfolgreich die Digitalisierung zu forcieren.
Welche Potenziale sehen Sie für virtuelle und hybride Events nach einem möglichen Ende der Pandemie?
Auf Basis der oben genannten Herausforderungen sehe ich selbst die Zukunft der Veranstaltungsbranche tatsächlich hybrid. Der bvik bündelt die wertvollen Erfahrungen der letzten beiden Jahre im Verband und kann diese gewinnbringend für alle zusammentragen. Nach unserer Erkenntnis werden Präsenzmessen auch nach der Pandemie eine Zukunft haben – vorausgesetzt es gelingt ihnen, den veränderten Bedürfnissen von Ausstellern und Besuchern gerecht zu werden. Gleichzeitig müssen sich Aussteller und Veranstalter der neuen Selbstverständlichkeit digitaler Formate stellen. Auch im digitalen Raum gilt es, dem Publikum ein vollwertiges Messeerlebnis zu bieten. Investitionen in Technik, Dienstleistung, Weiterbildung und zusätzliches Personal sind unabdingbar, um dies zu gewährleisten. Neben neuen Herausforderungen bringt der tiefgreifende Wandel der Messebranche aber auch zahlreiche neue Chancen: Aussteller können online deutlich höhere Reichweiten erzielen, und Agenturen wie Messegesellschaften können mit neuen Services zusätzliche Geschäftsfelder erschließen. Zudem hat die Digitalisierung der Messewelt längst überfällige Transformationsprozesse vorangetrieben, von denen die Beteiligten langfristig profitieren werden. Wer mehr über die Learnings und Perspektiven der Messewelt erfahren möchte, dem empfehle ich unser brandneues Whitepaper „Live-Kommunikation im ‚New Normal‘ zwischen Real, Digital und Hybrid. Neue Formate, Chancen und Herausforderungen“.
Quellen:
https://bvik.org/b2b-trends/#trendpaper-2022
https://bvik.org/bvik-studie-digitalisierungsschub-2020-ergebnisse/
https://bvik.org/bvik-studie-b2b-marketing-budgets-2021-ergebnisse/
https://www.auma.de/de/ausstellen/foerderungen/foerderungen-in-deutschland
https://bvik.org/live-kommunikation/#definition