Neue Technologien in der Ernährungs-Industrie, digitale Tools zur Unterstützung der Verbraucher – die Digitalisierung verändert die Esskultur. Wie nah sind wir dem Smart Food heute schon?
Das ist eine reine Definitionssache, denn Smart Food ist kein rechtlicher Begriff, sondern eine Art Marketingbegriff. Frei übersetzt würde man von intelligenten Lebensmitteln sprechen, die das eigene Wohlbefinden unterstützen sollen. In diesem Sinne wären Smart Foods einerseits keine Erfindung der heutigen Zeit, sondern eine gute Laune der Natur. Beispielsweise sogenannte Botanicals. Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen sind schon immer Teil der Ernährung des Menschen gewesen. Sie liefern wichtige Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe in meist konzentrierter Form. Diese Mikronährstoffe beeinflussen eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen im Körper und können so verschiedene gesundheitsfördernde Effekte auslösen, z. B. Cranberrys, Ginkgo oder Ginseng. Andererseits können natürlich auch Lebensmittel wir im Labor hergestelltes Fleisch oder Lebensmittel aus dem 3-D-Drucker gemeint sein. Um diese in Bioreaktoren zu züchten oder um für den 3-D-Druck eine Basismasse herzustellen, braucht man eine Nährstofflösung, welcher man im Prinzip alle wichtigen Nährstoffe zusetzen kann. Inwieweit sich solche Ansätze in der Breite durchsetzen können, hängt auch von der Akzeptanz der Verbraucher:innen ab. Bioreaktoren könnten aber zumindest ein Teil der Lösung sein, wenn es um die Frage geht, wie wir zukünftig mit den immer knapper werdenden Rohstoffen die Weltbevölkerung ernähren können.
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Insekten, Algen, Pilz-Kulturen – welche Ersatz-Ressourcen sind aus Ihrer Sicht besonders für eine nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung geeignet?
Es gibt nicht die eine „Ersatz-Ressource“, sondern es kommt darauf an, die Vielfalt zu nutzen, die wir an möglichen Rohstoffen zur Verfügung haben. Nur so erhalten wir Biodiversität und können vielfältige Geschmackserlebnisse anbieten. Insekten, Algen und Pilze sind zwar alle proteinreich, aber Insekten beispielsweise sind nicht für Vegetarier:innen oder Veganer:innen geeignet. Algen haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie reich an essentiellen Fettsäuren – den Omega-3-Fettsäuren – sind. Und Pilze können mit Ballaststoffen punkten. Das zeigt, dass wir variationsreich bleiben müssen, um eine optimale Versorgung für alle Lebensstile zu gewährleisten.
Wie können sich New- und Smart-Food-Trends auf das Verhältnis von lokal produzierten und global importierten Lebensmitteln auswirken?
Klären wir zunächst die Begrifflichkeit: New Food verstehen wir als Novel Food, das heißt als neuartige Lebensmittel. Diese sind im Gegensatz zu Smart Food (siehe Frage 1) gesetzlich definiert. So handelt es sich um Lebensmittel, die vor 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union verzehrt wurden. Das können entweder Lebensmittel und Lebensmittelzutaten sein, die traditionell in Drittländern konsumiert werden, wie bestimmte Speiseinsekten, Getreidearten wie Chia oder auch die Kaffeekirsche. Es können aber auch Lebensmittel sein, die mit Hilfe von neuen Technologien verarbeitet oder hergestellt werden – wie beispielsweise das Züchten von Fleisch im Bioreaktor. Zwei völlig verschiedene Ansätze. Das zeigt, dass es auch in Zukunft kein schwarz-weiß geben sollte, sondern eine Kombination aus lokaler/regionaler und globaler Versorgung. Nur so können wir vorhandene Ressourcen optimal nutzen.
Wie gehen immer effizientere Produktion und das Bedürfnis nach bewusstem und gesundem Genuss von Lebensmittel zusammen?
Das ist tatsächlich das Streben nach dem Optimum. Die größte Herausforderung der Lebensmittelwirtschaft ist die Herstellung von Lebensmitteln unter Berücksichtigung multipler Faktoren: Wir wollen die Versorgung langfristig und nachhaltig sicherstellen und dabei effizient und wirtschaftlich arbeiten. Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen Essen haben, das ihnen schmeckt, das preislich erschwinglich ist und das ihren individuellen Lebensstil unterstützt, sprich gesund, nachhaltig sowie sozial- und umweltverträglich ist. Den einen Weg, um diese Ziele zu erreichen, gibt es nicht, sondern es gibt verschiedene Möglichkeiten und Ansätze der Wirtschaftsunternehmen, zukunftsfähig zu bleiben, z. B. klimaneutrale Produktion, klimaneutrale Standorte, Vermeidung von Verpackungsmüll und Lebensmittelverlusten, Investitionen in Tierwohl und Digitalisierung.