Viele Menschen haben bereits Erfahrungen mit der Vermischung von Arbeit und Urlaub zur sogenannten Workation gemacht, noch mehr wünschen das. Wo sehen Sie die wichtigsten Vor- und Nachteile von Workation?
Aus unserer Erfahrung sehen wir keinen steigenden Wunsch bei der großen Masse der Arbeitnehmer:innen. Im Gegenteil: Die Zunahme von Homeoffice in der Corona-Krise hat eine Vermischung von Arbeit und Freizeit gebracht, die viele Beschäftigte enorm unter Druck gesetzt haben. Dasselbe gilt aus unserer Sicht, wenn Arbeit und Urlaub nicht klar abgegrenzt sind, Überlastung ist da vorprogrammiert.
Abgesehen davon sind viele Fragen ungeklärt: Werden Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, Kosten für Energie, Internet, Datenpakete etc. übernommen. Bei Modellen, bei denen die Arbeitnehmer:innen außerhalb des Firmengebäudes arbeiten, wird manchmal übersehen: Der Arbeitnehmer:innenschutz gilt selbstverständlich auch dort. Das bedeutet, der Betrieb müsste auch ermitteln, welche Gesundheitsgefahren bestehen und passende Schutzmaßnahmen festlegen. Das stelle ich mir im Ferienhaus an der kroatischen Adriaküste schwierig vor … Und auch die soziale Komponente spielt eine Rolle, schon im Homeoffice haben Arbeitnehmer:innen zunehmend an sozialen Kontakten verloren.
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Eine ganze Reihe von Unternehmen erlaubt gar keine Workation. Wie bewerten Sie das?
Ich gehe davon aus, dass diese Unternehmen ein Interesse daran haben, Arbeit und Freizeit klar abzugrenzen. Wahrscheinlich sind sie sich der vielen ungeklärten Fragen und auch Risiken für das Unternehmen bewusst. Für die Arbeiterkammer wird dieses Thema keine große Rolle spielen – das zeigen auch die Anfragen unserer Mitglieder. Mir ist wichtig, dass die Arbeitnehmer:innen in den Betrieben in ihrer Arbeitszeit gute Bedingungen vorfinden und die Unternehmen sich da an die Spielregeln halten. Die Erfahrung zeigt, dass das leider allzu oft nicht der Fall ist. Andernfalls hätten wir vergangenes Jahr wohl nicht über 2 Millionen Beratungen durchgeführt.
Workation wird stärker von Menschen mit höherem Einkommen ausgeübt. Welche Förderprogramme halten Sie für Einkommensschwächere für denkbar und geeignet?
Wie gesagt sehe ich in der Förderung von Workation keine generelle Priorität. Für manche mag das beim Antreten eines neuen Jobs ein attraktives Goodie sein, klar ist aber: Das findet außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen statt. Mir sind gute Einkommen, gute Arbeitsbedingungen und eine strikte Grenze zwischen Arbeit und Freizeit wichtiger. Bei vielen Arbeitnehmer:innen verschwimmt das ohnehin unfreiwillig schleichend, da brauchen wir nicht noch ein Instrument, das das befördert.
Workation kann rechtliche Probleme zur Folge haben. Welchen Regelungsbedarf sehen Sie bei der Politik?
Die Arbeitswelt hat schon immer besondere Herausforderungen mit sich gebracht, das Arbeitsrecht ist hier grundsätzlich gut gerüstet. Die Kombination von Arbeit und Urlaub ist durch das österreichische Urlaubsgesetz nicht gedeckt, auch europarechtliche Bedenken sind in höchstem Maße angebracht. Der Urlaub dient schlichtweg der Erholung, in dem ein durchgehender Freizeitblock zur Verfügung stehen muss.
Vor der Einführung neuer Arbeitsmodelle – und Workation wäre ja etwas völlig Neues – müssen jedenfalls immer Akteur:innen, die das Wohl der Arbeitnehmer:innen im Blick haben, einbezogen werden, um gute Lösungen zu finden: Betriebsräte und Fachleute für Arbeitnehmer:innenschutz – Arbeitsmediziner:innen, Sicherheitsfachkräfte, Arbeitspsycholog:innen.