Ab 2022 sollen LKW ab 7,5t EU-weit über Abbiegeassistenten verfügen. Inwieweit können die geplanten Regeln Leben retten?
Nach Hochrechnung der UDV könnten bei Ausrüstung aller schweren Lkw mit Abbiegeassistenten Unfälle mit etwa 28 getöteten und über 100 schwerverletzten Radfahrern pro Jahr vermieden oder in ihrer Schwere deutlich gemindert werden. Das ist einer der Gründe, warum die Deutsche Verkehrswacht für alle LKW einen verpflichtenden Abbiegeassistenten fordert, der perspektivisch auch selbstständig bremst. Die Nachrüstung muss ebenfalls obligatorisch werden.
Bis sich allerdings die Regelungen durchsetzen, dauert es noch eine Weile. Zeit, die wir nicht haben. Darum sind Hersteller, Spediteure und Flottenbetreiber gefragt, bei Neuanschaffung von sich aus den Abbiegeassistenten zu bestellen beziehungsweise selbstständig nachzurüsten. Der finanzielle Aufwand darf dabei kein Hinderungsgrund sein. Ein Menschenleben ist unbezahlbar und es zu schützen, muss unser vorrangiges Anliegen sein.
Einige Experten fordern ebenfalls, die bereits vorgeschriebenen Notbremsassistenten auf die Erkennung von Fahrräder zu erweitern. Wie stehen Sie dazu?
Wir stehen nicht nur hinter dieser Idee, sondern möchten sie auch voranbringen. Auf unserer diesjährigen Jahreshauptversammlung haben wir genau dazu einen Beschluss verabschiedet, den der Wissenschaftliche Beirat der DVW eingebracht hatte. Die Funktionsweise von Notbremsassistenten soll soweit angepasst werden, dass auch leichtverletzliche Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger zuverlässig erkannt werden. Technisch ist dies schon möglich und die Zahlen sprechen eindeutig für ein solches System. Etwa 43 Prozent aller schweren Unfälle von PKW mit schwächeren Verkehrsteilnehmern könnten dadurch vermieden werden.
Wie könnte im Zuge der technischen Entwicklung auch das Fahrrad aufgerüstet werden, um es vor Unfällen mit LKW zu schützen?
Das ist schwer zu sagen. In einer Gefahrensituation zwischen Fahrrad und LKW trägt der ungeschützte Radler vor allem durch das ungleiche Kräfteverhältnis der beiden Fahrzeuge ein hohes Unfall- und Verletzungsrisiko. Das kann auch ein Assistent nicht ausgleichen! Die Herausforderung ist meines Erachtens also nicht nur, eine technische Lösung für das Problem zu finden, sondern diese auch noch sinnvoll und das heißt, zuverlässig und praktikabel, auf das Fahrrad zu übertragen. Leider schreitet die Entwicklung von Assistenzsystemen für Fahrräder nicht sehr schnell voran. Trotzdem muss man hier weitere Ideen entwickeln und die Forschung vorantreiben.
Welche weiteren Maßnahmen sehen Sie, die Fahrrad-Fahrer vor Unfällen mit LKW schützen können?
Jeder Verkehrsteilnehmer kann durch sein Verhalten aktiv dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden. Wichtig ist hier, ein Bewusstsein zu entwickeln, Gefahrensituationen zu erkennen und richtig darauf zu reagieren. In der Beziehung zwischen Fahrrad- und LKW-Fahrern kann ich nur raten, möglichst auf Abstand zu bleiben und gegebenenfalls Blickkontakt herzustellen, besonders bei abbiegenden LKW. Sich hier als geradeausfahrenden Radler noch schnell vorbeischlängeln, auf dem Gehweg fahren oder sogar das Rotzeichen missachten, schafft eine unnötige Gefährdung. Im Zweifelsfall empfehle ich jedem Radfahrer, auf sein Vorfahrtsrecht zu verzichten und Geduld zu haben. Der LKW-Fahrer sollte ebenfalls nur fahren, wenn er sicher ist, dass er niemanden gefährdet. Ein hektisches oder unachtsames Manöver kann schlimme Folgen haben. Dessen muss er sich stets bewusst sein.