Die Hochschulen treiben die digitale Transformation voran. Das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) sieht die Häuser in seinem jüngsten "Monitor Digitalisierung 360°" auf dem Wef, aber noch Anfang der Entwicklungen. Dabei sind für Dr. Thomas Brunotte, Geschäftsführer beim Hochschullehrerbund hlb „smarte Hochschulen“ und Präsenzlehre kein Widerspruch. Für ihn ist entscheidend, dass die Hochschulen einen Raum bereitstellen, in dem sich Menschen zu gemeinsamen Lehren und Lernen begegnen können. „Das kann in Präsenz gelingen, und die persönliche Begegnung von Lehrenden und Lernenden bleibt immer ein sehr wichtiges und unverzichtbares Gut in der Hochschullehre. Diese kann jedoch sinnvoll mit digitalen Möglichkeiten erweitert werden“, sagt er in unserer Fachdebatte.
Für Dr. Luciana Vaccaro, Präsidentin bei swissuniversities, wurde dank den durch die Digitalisierung ermöglichten Instrumenten die Offenheit in Forschung, Lehre, wissenschaftlicher Infrastruktur erweitert, womit die Hochschullandschaft insgesamt virtueller wurde. „Die von den Hochschulen entwickelten digitalen Lösungen fördern allerdings die flexible und individualisierbare Organisation des Studiums.“ In diesem Sinne werde auch der Zugang zum Studienangebot erleichtert. Die Anwendung von digitalen Instrumenten in Lehr- und Forschungsaktivitäten erfordere jedoch inhaltliche und formliche Anpassungen: Beispielsweise bei die Lehrformen oder den Verfahren der Evaluation. Gleichzeitig sei man sich an den Hochschulen gerade auch durch die Pandemie bewusst geworden, wie wichtig der persönliche Austausch für die Forschung wie auch für die Lehre sei.
Laut Gregor Lietz, CEO der LCSI GmbH, sind die Hochschulen auf dem Weg vom Digitalen zum Smarten. Und um das abzugrenzen ist das Smarte das bessere Digitale. Wirklich smart sind für dabei die Institutionen, die nicht nur weg vom Papier sind, sondern bereits die zweite Stufe der Digitalisierung geschafft und ihre Prozesse bereits modernisiert haben. „Wenn Sie jetzt fragen, wie weit die Hochschulen im Vergleich zu anderen Institutionen sind, dann möchte ich Ihnen antworten: sie liegen von ihrem Stand irgendwo dazwischen. An Hochschulen wird immer noch viel mit Papier gearbeitet, die Prozesse sind also noch nicht vollständig digitalisiert. Sie bewegen sich aber punktuell und in ausgesuchten Bereichen der Prozessoptimierung hin zum Smarten“, erklärt er.
Prof. Dr. Kora Kristof, Vizepräsidenten Digitalisierung und Nachhaltigkeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), betont: „Die Digitalisierung in Forschung, Lehre, Transfer und in den internen Prozessen wird weiter ein starker Treiber von Veränderungen an den Hochschulen sein – allerdings nicht zum Selbstzweck. Die richtige Balance zu finden, beschäftigt aktuell die Leitungen und Gremien der Hochschulen sowie die Politik.“ Bei Entscheidungen über Digitalisierungsprojekte sollten Kriterien wie effektive Zielerreichung, Effizienzsteigerung, Qualität und ein fokussierter Einsatz der knappen finanziellen Mittel maßgeblich bleiben. Unter „Qualität“ versteht sie auch die Qualität der Maßnahmen für die Menschen.
Für Prof. Dr. Manfred Krafczyk Vizepräsident für Digitalisierung und Nachhaltigkeit Technische Universität Braunschweig versucht eine smarte Hochschule versucht, mit einem fachspezifisch angepassten Mix aus unterstützender digitaler Lehre und Präsenzunterricht in möglichst kleinen Gruppen und mit flexiblen Prüfungsformaten auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden klug und flexibel einzugehen. Eine smarte Hochschule werde Wege finden, das selbständige Arbeiten der Studierenden in Gruppen entweder digital oder in Präsenz durch die Verfügbarkeit von physischen und virtuellen Räumen zu fördern. „Darüber hinaus helfen schlanke und aufeinander abgestimmte Prozesse, das Leben von Studierenden zu vereinfachen von der Einschreibung über die Verfügbarkeit von Lernmanagementsystemen, einem reichen und kostenfreien Angebot (möglichst anonymisiert nutzbarer) KI-Werkzeuge bis hin zum digitalen Veranstaltungsmanagement im Hochschulsport reicht, um nur exemplarische Beispiele zu nennen.
Prof. Dr. Hardy Pundt, Prorektor für Transfer und Digitalisierung Hochschule Harz, wendet den Blick auf KI. Die habe sich mittlerweile so weiterentwickelt, dass sie in vielen Bereichen wertvolle Unterstützung leisten kann. KI zu verhindern sei nicht ratsam. „Die Nutzung von KI-Tools sollte in Studium und Lehre integriert werden, wobei das Wichtigste ist, den kritischen Umgang mit diesen Werkzeugen zu lernen und zu lehren. Argumente und Schlussfolgerungen mit Fakten, nicht mit unsicheren oder gar unwahren Informationen zu untermauern, dafür also die Sensibilität zu erhöhen, muss das Ziel sein“, erklärt Pundt.
Künstliche Intelligenz (KI) werde in allen Bereichen der Gesellschaft eingesetzt, betont auch Prof. Dr. Holger Frahm, CIO der Leibniz Universität Hannover. „Für Studium und Lehre ist das mit dem Einsatz von KI verbundene Ziel ein sinnvoller, didaktisch gerechtfertigter und rechtssicherer Umgang mit diesen Tools. Die Universitäten werden ihren Lehrenden und Studierenden einen sicheren Zugang zu solchen Tools ermöglichen.“ Die damit einhergehenden Herausforderungen sind für ihn, Grundkompetenzen wie selbstständiges wissenschaftliches Schreiben und Argumentieren sowie das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten auch bei zunehmendem Einsatz von KI-basierten Tools zu fördern sowie Prüfungen hin zu kompetenzorientierten Formaten weiterzuentwickeln.
Prof. Dr. Ramin Yahyapour, CIO der Georg-August-Universität Göttingen, schaut auf die Cybersichersicherheit, die Hochschulen aus seiner Sicht vor größere Herausforderungen stellt, da sie vergleichsweise offene Orte sind, an denen viele unterschiedliche Menschen im Rahmen von Forschung und Lehre zusammenkommen. Möglichst viel Freiheit, Individualität und Flexibilität stehe den Anforderungen von Informationssicherheit oft entgegen. Hohe Sicherheit gehe häufig mit weniger Komfort und Einschränkungen für unsere Nutzenden einher, für die man Akzeptanz und angepasste Modelle finden muss. „Wir unterscheiden daher unsere essenziellen IT-Kerndienste von den sonstigen Anwendungen und sichern diese enger ab. Durch Einführung und Zertifizierung eines Informationssicherheitsmanagements (ISMS) haben wir wesentliche Schritte unternommen, um uns für Cybersicherheit besser aufzustellen.“
Für Jane Möller, Geschäftsfeld-Managerin Lehre & Forschung der MACH AG ist das Thema der notwendigen Finanzierung eine Gretchenfrage auch im Kontext der Hochschulfreiheit. „Unsere Hochschulen erbringen Leistungen, die für die wissenschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung sind. Somit muss eine Grundfinanzierung auskömmlich sein.“ Umso wichtiger sei es, dass das Rad im Rahmen der Digitalisierung nicht ständig neu erfunden werden muss. Hier gelte es, auf standardisierte Lösungen zu setzen und gute Best-Practice-Ansätze und Prozesse zu implementieren, die barrierefrei und adressatengerecht sind - so dass der tatsächliche Nutzungsgrad der Prozesse auch schnell ein hohes Maß erreicht.
Kurt Koleznik, Generalsekretär der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz findet zusammenfassend die gerade die Hochschul-Governance sehr komplex geworden. Hinzu komme die notwendige Digitalisierung von Lehre und Forschung. „Es braucht daher eine nationale und übergreifende Digitalisierungsstrategie, in der auch die entsprechenden finanziellen Mittel für Hochschulen abgebildet sind.“
Dr. Yvonne Dorf, Geschäftsführerin beim Deutscher Hochschulverband resümmiert: „Die zurückliegende Covid-19-Pandemie hat der Digitalisierung in Studium und Lehre Vorschub geleistet. Bundesweit haben Hochschulen weitestgehend erfolgreich alles daran gesetzt, um den pandemiebedingt nur eingeschränkt möglichen Lehrbetrieb so gut wie möglich durch digitale Formate zu ersetzen. Einiges hat sich nach dem Prinzip von „Trial and Error“ bewährt, anderes wiederum nicht.“ Richtig bleibe nach wie vor, dass deutsche Hochschulen im internationalen Vergleich mit Blick auf die Digitalisierung hier und da noch mehr Luft nach oben haben.